Prostatakrebs: Therapie bringt mehr Nachteile als Nutzen
Ob Bestrahlung oder Operation: Die aktive Therapie hat laut einer neuen Studie so gut wie keinen Einfluss auf die Überlebensrate bei Prostatakrebs.
Prostatakrebs ist mit gut 64.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Deutschland. Aber ist es auch sinnvoll, den Tumor per OP oder Bestrahlung zu entfernen? Eine neue Studie zeigt: Tumor-Therapien haben keinen wesentlichen Einfluss auf die Lebenserwartung nach der Diagnose. Gleichzeitig verschlechtern sie die Lebensqualität aber massiv.
Ob mit oder ohne Therapie: Die Überlebensrate bei Prostatakrebs bleibt nahezu gleich. Zu diesem Ergebnis kommt eine englische Studie, für die Wissenschaftler der Universität Oxford Daten von mehr als 1.600 vergleichsweise jungen Patienten (50 bis 69 Jahre) mit Prostatakrebs ausgewertet haben. Das Ergebnis: Es war kein Zusammenhang zwischen Überlebensrate und Therapie nachweisbar. Es starben innerhalb von 10 Jahren sogar mehr Männer, die operiert oder bestrahlt worden waren. Innerhalb des Untersuchungszeitraumes (1999 bis 2009) gab es insgesamt 17 Todesfälle. Bei 5 der Verstorbenen war der Prostatakrebs operiert worden, 4 wurden bestrahlt. Die übrigen 8 Männer wurden aktiv beobachtet. Das heißt, das Wachstum des Tumors wurde kontrolliert, es gab aber keine direkte Therapie.
Daraus lasse sich folgern, dass aktive Beobachtung in vielen Fällen von Prostatakrebs ausreichend sei, schreiben die Forscher im "New England Journal of Medicine". Denn ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Metastasen wirke sich kaum auf die Lebenserwartung aus.
Experten kritisieren Prostata-Therapie schon länger
Viele Experten kritisieren die aktive Therapie von Prostatakrebs bereits seit geraumer Zeit. Ihre wichtigsten Argumente: In den allermeisten Fällen wird Prostatakrebs bei Männern im Alter von über 70 Jahren festgestellt. Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes überleben mehr als 90 Prozent dieser Männer die ersten 10 Jahre nach der Diagnose. Sie erreichen also ein Alter von mehr als 80 Jahren. Die durchschnittliche Lebenserwartung für einen heute geborenen Jungen liegt hingegen bei gut 78 Jahren.
Auch wenn dieser statistische Zusammenhang nichts über den Einzelfall aussagt, legt er doch eine Frage nahe: Wie sehr lohnt es sich für den Einzelnen, die erheblichen Nebenwirkungen von Operation oder Bestrahlung in Kauf zu nehmen? Neben den Krankenhausaufenthalten schmälern Inkontinenz und Erektionsstörungen oder Impotenz sowie andere mögliche Komplikationen die Lebensqualität der Betroffenen ganz erheblich.
In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder Kritik an der Prostatakrebs-Vorsorge mit sogenannten PSA-Tests laut. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft verursacht gut die Hälfte der mit diesem Antikörper-Test entdeckten Prostatawucherungen keine Beschwerden. Viele Patienten würden also unnötig verunsichert und dem Stress ausgesetzt, über eine Behandlung und die möglichen Nebenwirkungen zu entscheiden. Ein PSA-Test sei daher nur dann eine gute Wahl, wenn es beispielsweise Hinweise auf ein erhöhte Risiko gebe. Für die Vorsorge sei nach gegenwärtigem Stand die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlte jährliche Tastuntersuchung der Prostata ab dem 45. Lebensjahr ausreichend.
Autor: Charly Kahle
Stand: 20.09.2016