Mittelalter-Salbe tötet multiresistente Keime
Ein Salbenrezept aus dem Mittelalter sorgt für Schlagzeilen. Die Mixtur tötet multiresistente Keime.
Ein Salbenrezept aus dem Mittelalter sorgt für Schlagzeilen. Die Mixtur tötet multiresistente Erreger (MRE). Hoffnungen auf ein neues Medikament gegen Infektionen durch solche antibiotikaresistenten Keime dürften aber wohl kaum begründet sein.
Ob Spektrum der Wissenschaft, Spiegel-Online oder viele Zeitungen: Anfang April berichten viele Medien von einer vermeintlichen Wundersalbe aus dem Mittelalter. Die Nachricht: Ein Gemisch aus Zwiebeln, Knoblauch, Ochsengalle und Wein – verarbeitet in einem Messinggefäß - tötet multiresistente Keime, unter anderem auch Methicillin-resistente Bakterien vom Staphylococcus aureus Stamm (Abkürzung MRSA). Da blitzt bei vielen Lesern Hoffnung auf. Die Sorge um Krankenhausinfektionen treibt 4 von 5 Deutschen um. Nicht zu Unrecht: Krankenhauskeime werden nach Schätzungen für mehr als 10.000 Todesfälle in deutschen Krankenhäusern verantwortlich gemacht. Aber kann die Nachricht über die Wundersalbe überhaupt eine Rolle im Kampf gegen antibiotikaresistente Krankenhauserreger spielen?
Kaum Aussichten auf Medikament aus der mittelalterlichen Augensalbe
Tatsächlich sind Erfolgsaussichten für eine neuartige Therapie gegen Krankenhauserreger sehr gering. Das hat einen ganz einfachen Grund: Die Wissenschaftler an der Universität von Nottingham testeten das Rezept an MRSA-Kulturen in Petrischalen. Dabei stellten sie fest, dass die Augensalbe nach einem Rezept aus dem altenglischen mittelalterlichen „Bald’s Leechbook“ die Keime vergleichbar gut oder besser bekämpft als herkömmliche Antibiotika. Diese Ergebnisse konnten nach Angaben der Texas Tech University (USA) an Mäusen bestätigt werden.
In den Experimenten der Universität von Nottingham wurde die Wirkung der Salbe also in Petrischalen getestet. Eine Petrischale aber ist kein menschlicher Organismus. Ein sehr gutes Ergebnis in der Petrischale hätten die Forscher auch mit einem herkömmlichen Desinfektionsmittel erzielt. Die Herausforderung bei der Therapie von Infektionen mit resistenten Keimen besteht aber darin, die Erreger im Körper zu bekämpfen. Hier soll der Tierversuch Hinweise liefern.
Die Ergebnisse aus den amerikanischen Maus-Experimenten erzielten vergleichbare Ergebnisse wie herkömmliche Antibiotika. Was bedeutet das? Es ist ja gerade das große Problem der Therapie von multiresistenten Erregern wie MRSA und VRSA, dass herkömmliche Antibiotika gegen die meisten mehrfach-resistenten Keime nicht wirken. Gerade deshalb werden sie ja als multiresistent bezeichnet. Ein vergleichbar gutes Ergebnis von mittelalterlicher Salbe und herkömmlichen Antibiotika dürfte daher wohl ein im Sinne einer Therapie nur kaum hinreichendes Ergebnis sein. Aber auch unabhängig von der Deutung der Studienergebnisse wären die Hürden bis zu einer neuartigen multiresistenten Erreger-Therapie hoch.
Antibiotische Wirkung von Knoblauch und Zwiebeln schon lange bekannt
Die antibiotische Wirkung von einzelnen Bestandteilen der Augensalbe ist seit Langem bekannt. Alkohol (aus dem Wein) desinfiziert, Kupfer und Gallensalze töten Bakterien und Einreibungen mit Knoblauch oder Zwiebeln haben in der Pflanzenheilkunde bei oberflächlichen Infektionen über Jahrhunderte einen festen Platz gehabt. Die nachgewiesenen antibiotischen Eigenschaften von Knoblauch oder Zwiebel aber hat die moderne Pharmazie bislang nicht in ein wirksames Medikament überführen können. Umso unwahrscheinlicher, dass die Mixtur der mittelalterlichen Augensalbe zu einem Medikament führt. Denn bislang weiß niemand auch nur im Ansatz, warum die Salbe als Wirkstoffgemisch besser gegen multiresistente Keime wirkt als ihre Bestandteile alleine.
Autor: Charly Kahle
Stand: 14.04.2015