Tübinger Forscher finden neues Antibiotikum in der Nase

Der neue Wirkstoff namens Lugdunin kann multiresistente Keime abtöten. Er weckt große Hoffnungen. Ob es aber zu einer Anwendung beim Menschen kommen wird, ist noch für Jahre unklar.

Spritze Ampullen

Der neue Wirkstoff namens Lugdunin kann multiresistente Keime abtöten. Er weckt große Hoffnungen. Ob es aber zu einer Anwendung beim Menschen kommen wird, ist noch für Jahre unklar.

Immer mehr Krankheitserreger werden gegen die bekannten Antibiotika unempfindlich. Diese multiresistenten Keime sind eine große Herausforderung – vor allem für Krankenhäuser. Experten gehen von 40.000 bis 60.000 ernsthaften, kaum noch behandelbaren, Infektionen pro Jahr aus. Vor allem Senioren, Kinder und schwerkranke Menschen geraten dabei oft in Lebensgefahr oder sterben. Und die Zahl der multiresistenten Keime nimmt weltweit zu.

Neuer Wirkstoff gegen MRSA

Daher suchen Forscher auf der ganzen Welt nach neuen Antibiotika gegen resistente Bakterien. Forscher der Uni Tübingen vermelden nun einen Erfolg. Sie haben in der menschlichen Nase ein neues Antibiotikum gefunden. Die gute Nachricht: Das Antibiotikum namens Lugdunin wirkt gegen eine bestimmte Art von multiresistenten Keimen, insbesondere gegen den gefürchteten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA). Die schlechte Nachricht: Bislang ist überhaupt nicht klar, ob das neue Antibiotikum jemals zu einem Medikament führt, das bei Menschen eingesetzt werden kann.

MRSA bei einem Drittel der Menschen

Staphylokokken sind eine bestimmte Art von Bakterien mit kugeliger Form, die in großer Vielfalt und mit sehr großem Nutzen den menschlichen Körper auf unterschiedlichste Weise besiedeln. Allein in der Nase leben etwa 90 verschiedene Arten von Staphylococcus, wie Mediziner die Bakterien nennen. Bei etwa einem Drittel aller Menschen finden sich in der Nase MRSA, also die Staphylokokken, die wegen ihrer Resistenz gegen das Antibiotikum Methicillin (und häufig auch gegen viele weitere Antibiotika) für einen großen Teil der Krankenhausinfektionen verantwortlich sind.

Die Tübinger Forscher wollten heraus finden, warum der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus bei diesem Drittel vorkommt – und warum bei den anderen nicht. Bei dieser Suche entdeckten sie einen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen einer anderen Staphylokokken-Art: Insgesamt untersuchten sie die Nasenflora von 187 Krankenhauspatienten. Bei gut einem Drittel (60) fanden sie Staphylococcus aureus, bei 17 Staphylococcus lugdunensis – aber nur bei einem Patienten beide Arten gleichzeitig.

Staphylococcus aureus überlebt also fast nur bei den Menschen, deren Nasen nicht mit dem Staphylococcus lugdunensis besiedelt sind. Das brachte die Forscher auf die Spur: Sie entdeckten, dass Staphylococcus lugdunensis ein Antibiotikum produziert, mit dem es Wettbewerber wie den MRSA, aber auch andere grampositive Erreger wie Enterokokken und Listerien, verdrängt. Sie isolierten den Wirkstoff und fanden ein völlig neuartiges Antibiotikum, das sie Lugdunin nannten.

Anwendung beim Menschen noch längst nicht möglich

Ob Lugdunin tatsächlich zu einem für den Menschen wirkungsvollen Antibiotikum wird, steht noch in den Sternen. Bislang weiß man nur, dass Lugdunin Hautinfektionen mit MRSA bei Mäusen innerhalb weniger Stunden lindert. Wie es diese Wirkung entfaltet, ist unbekannt. Auch die Wirkung auf das sensible Gleichgewicht der nützlichen Bakterien im menschlichen Körper ist nicht untersucht. Bis diese und viele andere offenen Fragen geklärt sind, werden in jedem Fall noch einige Jahre vergehen.

Autor: Charly Kahle

Stand: 01.08.2016

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