Krankenhaus: Kein erhöhtes Risiko durch Wochenenddienst
Am Wochenende sterben tatsächlich mehr Menschen im Krankenhaus als an Werktagen. Es gibt aber offenbar kein erhöhtes Risiko durch Wochenenddienst.
Wenn Sie die Wahl hätten: Gehen Sie lieber am Wochenende ins Krankenhaus oder an einem Werktag? Diese Frage beantworten die meisten Menschen mit „an einem Werktag“. Denn am Wochenende - so ein weitverbreitetes Vorurteil - stirbt man im Krankenhaus eher als an einem Werktag. Tatsächlich ist das Sterblichkeitsrisiko an vielen Kliniken am Wochenende höher. Das liegt aber nicht an der Wochenendversorgung, sondern an der Schwere der Erkrankungen, mit denen es die Kliniken am Wochenende zu tun bekommen. So das Ergebnis einer neuen dänischen Studie.
Wer am Wochenende in einer Klinik etwa eine Auskunft von einem Arzt haben möchte, muss sich mitunter auf lange Wartezeiten einstellen. Und wer auf eigenen Beinen in eine der meist überlasteten Notaufnahmen kommt, weiß häufig von langen Wartezeiten zu berichten. So entsteht bei Patienten und Besuchern häufig der Eindruck, dass Kliniken gerade an Wochenenden nicht voll leistungsfähig seien. Vor diesem Hintergrund ist es nur all zu verständlich, wenn die erhöhten Wochenend-Sterberaten in Krankenhäusern in der öffentlichen Wahrnehmung zuweilen als Folge einer unzureichenden Wochenend-Besetzung gesehen werden.
Daten von 175.000 Einweisungen in Dänemark untersucht
Bettina Vest-Hansen hat an der Universität Aarhus untersucht, ob das Wochenend-Vorurteil über die Kliniken begründet ist. Sie untersuchte die dänischen Krankenhauseinweisungen des Jahres 2010. Aus den Daten von mehr als 175.000 Patienten filterte sie unter anderem den Zeitpunkt des Krankenhausbesuches heraus. Außerdem untersuchte die Forscherin die Diagnosen und wie viele der Patienten innerhalb von 30 Tagen nach der stationären Aufnahme verstarben.
Die Ergebnisse bestätigten zunächst, dass das Sterberisiko für am Wochenende aufgenommene Patienten deutlich höher ist als bei Patienten, die an Werktagen ins Krankenhaus kommen. An Werktagen liegt das sogenannte Mortalitätsrisiko zwischen 5,1 (Aufnahme tagsüber) und 5,7 Prozent (Aufnahme nachts). An Wochenenden steigt dieser Wert deutlich auf 6,4 (tagsüber) beziehungsweise 6,3 Prozent in der Nacht.
Diagnose und Schwere der Symptome bestimmen Sterblichkeitsrisiko
Noch höher ist das Sterberisiko bei einer Klinikeinweisung am Wochenende bei bestimmten Diagnosen. Dazu zählen Blutvergiftungen, Herzprobleme wie Vorhofflimmern oder Herzenge (Angina pectoris) sowie Lungenerkrankungen mit Atemnot (COPD) und Blutmangel (Anämie). Hier verzeichneten die Forscher im Vergleich mit Werktagen eine Zunahme von 200 bis 300 Prozent.
Die Erklärung: Offenbar warten viele Patienten mit ernst zu nehmenden Symptomen das Wochenende ab, weil sie lieber am Montag ins Krankenhaus gehen möchten. Das gelingt nur den Patienten, die nicht ernsthaft krank sind. In den schweren Fällen aber kommt es zu einer Aufnahme am Wochenende – als Notfall. Oft zu einem Zeitpunkt, der später liegt als es einer effektiven Therapie zuträglich wäre. Denn bei nahezu jeder Diagnose ist eine Therapie aussichtsreicher, wenn sie so früh wie möglich beginnt.
Bei einer nächtlichen Aufnahme am Wochenende landen mehr als doppelt so viele Patienten auf der Intensivstation als bei einer Tagesaufnahme an Werktagen. Entsprechend häufiger waren die intensivtherapeutischen Maßnahmen wie beispielsweise Beatmung, Blutwäsche oder Reanimationen wegen Herzstillstandes oder Organversagens.
Autor: Charly Kahle
Stand: 10.05.2016