Remdesivir gegen Coronavirus Sars-CoV-2 und COVID-19
Bislang gibt es keine Medikamente gegen COVID-19. Einigen Wirkstoffen wird aber Potenzial zugeschrieben, das neue Coronavirus Sars-CoV-2 besiegen oder zumindest in Schach halten zu können. Der Überblick zu Remdesivir.
USA: Ausnahmeregelung für Remdesivir in der COVID-19-Therapie
Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) hat mit einer Ausnahmeregelung den begrenzten Einsatz des antiviralen Wirkstoffes Remdesivir zur Behandlung von COVID-19 erlaubt. Die Genehmigung beruht auf ersten Ergebnissen einer Studie, die laut Nationalen Institut für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) einen „klaren, signifikanten, positiven Effekt“ zeige. NIAID-Leiter Anthony Fauci wies aber zugleich darauf hin, dass diese ersten Ergebnisse noch offiziell veröffentlicht und unabhängig geprüft werden müssten.
Erkrankungsdauer laut ersten Ergebnissen deutlich verkürzt
Die Studie konnte nach Angaben des Remdesivir-Herstellers Gilead zeigen, dass der Wirkstoff die Behandlungsdauer bei COVID-19 im Mittel von 15 auf 11 Tage verkürzen kann. Mehr als die Hälfte der Probanden habe das Krankenhaus an Tag 14 der Behandlung verlassen können. An der placebokontrollierten Studie nahmen 1.063 nicht näher als schwer erkrankt bezeichnete COVID-19-Patienten aus den USA, Europa und Asien teil. Sie erhielten den Wirkstoff über 5 oder 10 Tage – mit einer Erstdosis von 200 mg und täglichen Folgegaben von 100 mg.
Wohl keine positive Wirkung auf die Sterblichkeit
Die von Gilead veröffentlichten Ergebnisse können die Hoffnung auf eine lebensrettende medikamentöse Behandlung von COVID-19 nach gegenwärtigem Stand nicht stützen. Trotz der Behandlung mit dem Wirkstoff verstarben 8 Prozent der Probanden. In der Kontrollgruppe der mit einem Scheinmedikament (Placebo) behandelten Teilnehmer betrug die Sterblichkeit fast 12 Prozent (11,6 Prozent). Das ist zwar eine im Vergleich mit der Wirkstoffgruppe 50 Prozent höhere Sterblichkeit. Das Studiendesign lasse aber nicht zu, die geringere Sterblichkeit in der Remdesivir-Gruppe der Wirkung des Medikaments zuzuschreiben, so die Forscher.
Deutscher Virologe sieht „mehr als einen Anfang
“Der deutsche Infektiologe Christoph Spinner bezeichnete die Ergebnisse der Studie in der ARD-Tagesschau als belastbar und „mehr als ein Anfang“. Remdesivir sei das erste Medikament, das in Studien einen positiven Einfluss auf den Verlauf von COVID-19 gezeigt habe. Der Arzt vom Münchner Klinikum Rechts der Isar hat selbst mit Remdesivir gearbeitet.
US-Medienberichte über erfolgreiche COVID-19-Therapie mit Remdesivir
Optimistische Prognosen kommen jüngst vor allem aus den USA, wo der antivirale Wirkstoff Remdesivir mit großem Erfolg bei schwerkranken COVID-19-Patienten eingesetzt worden sein soll.
Am Universitätskrankenhaus Chicago (USA) sind laut Medienberichten mehr als 100 schwer an COVID-19 erkrankte Patienten durch eine medikamentöse Therapie mit Remdesivir geheilt worden. Das berichtet das amerikanische Gesundheitsportal STAT. STAT beruft sich auf einen Mitschnitt und Teilnehmer einer Videokonferenz, bei der Ergebnisse dieser Studie besprochen worden seien.
Demnach laufen am Universitätskrankenhaus Chicago zwei Phase-III-Studien zur Erprobung der Behandlung mit Remdesivir. 125 Patienten seien in die Studie aufgenommen worden. Von den 113 schwer an COVID-19 erkrankten Studienteilnehmern hätten 111 das Krankenhaus nach einer Woche Behandlung mit Remdesivir verlassen können. 2 Patienten seien verstorben. Dem STAT-Bericht zufolge erhielten die Patienten täglich Infusionen mit Remdesivir. Weitere Details sind bislang nicht bekannt.
Keine offizielle Bestätigung der Ergebnisse
Weder das Krankenhaus noch der Remdesivir-Hersteller Gilead Sciences haben die Ergebnisse bislang offiziell bestätigt. STAT zitiert ein Statement von Gilead Sciences. Demnach wartet das Unternehmen auf Daten aus laufenden Untersuchungen. Zudem zitiert STAT Kathleen Mullane von der Universität Chicago. Laut der Virenexpertin handele es sich um ermutigende Ergebnisse, die jedoch mit Vorsicht zu genießen seien, weil die Studien keine Placebogruppe umfasst hätten.
Weitere Behandlungsversuche mit Remdesivir
Bereits Anfang April veröffentlichten Ärzte des Cesars-Sinai Medical Center in Los Angeles im New England Journal of Medicine eine kleine Auswertung von Behandlungsversuchen mit Remdesivir. Demnach wurden Daten von 53 Personen aus den USA und Europa mit einem schweren Verlauf von COVID-19 ausgewertet. Bei 36 Patienten habe sich der Zustand durch die Therapie mit Remdesivir deutlich gebessert. Allerdings verschlechterte sich der Gesundheitszustand bei 8 Patienten und 7 Patienten verstarben während der medikamentösen Therapie.
Ist Remdesivir wirklich ein berechtigter Hoffnungsträger?
Remdesivir gilt bereits seit Beginn der Corona-Pandemie als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die medikamentöse Behandlung von COVID-19.
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat bereits Anfang April empfohlen, Remdesivir bei schwerkranken COVID-19-Patienten einzusetzen. Und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) genehmigte früh Tests, um die Wirkung von Remdesivir bei schwerkranken Patienten zu überprüfen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) koordiniert die weltweite Solidarity-Studie, um die Wirkung von COVID-19 zu testen.
Trotz aller Forschung ist die Wirksamkeit von Remdesivir bislang aber nicht so gut belegt, dass es eine Zulassung geben könnte. Derzeit hat das BfArM drei klinische Prüfungen mit Remdesivir genehmigt. Alle in diese Studien einbezogenen Patienten sind moderat bis schwer erkrankt und werden stationär behandelt. Auf der BfArM-Internetseite heißt es unter dem Stichwort „Klinische Prüfungen“: „Für Remdesivir gibt es bislang noch keine Zulassung für irgendeine Indikation."
Was ist Remdesivir und wie wirkt es?
Remdesivir ist ein sogenannter antiviraler Wirkstoff, der ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt worden war. Sars-CoV-2 und Ebolaviren zählen beide zu den sogenannten RNA-Viren. Sie heißen so, weil die Erbsubstanz dieser Viren aus Ribonukleinsäure (Englisch: Ribonucleic Acid) besteht. Remdesivir soll seine Wirkung entfalten, indem es Sars-CoV-2 daran hindert, seine Erbinformationen funktionsfähig zu vervielfältigen. Ohne Erbinformationen würde das Wachstum des Virus gestoppt.
Autor: Charly Kahle
Stand: 05.05.2020
- Pressemitteilung des Remdesivir Hersteller Gilead Sciences: Gilead Announces Results From Phase 3 Trial of Investigational Antiviral Remdesivir in Patients With Severe COVID-19
- ARD-Tagesschau: Infektiologe zu Remdesivir "Mehr als ein Anfang"
- US-Gesundheitsportal Stat: Early peek at data on Gilead coronavirus drug suggests patients are responding to treatment
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Coronavirus SARS-CoV-2: Klinische Prüfungen
- New England Journal of Medicine: Compassionate Use of Remdesivir for Patients with Severe Covid-19