Warum ist die COVID-19-Todesrate in Deutschland vergleichsweise gering?
Warum ist der Anteil der tödlich verlaufenden COVID-19-Fälle in Deutschland bislang so viel kleiner als in Spanien oder Italien? Und dürfen wir uns deswegen eher in Sicherheit wiegen?
Das Verhältnis von bestätigten COVID-19-Erkrankungen und der Anzahl von Todesopfern schwankt von Land zu Land ganz erheblich. In Italien waren am 8. April (vormittags) mehr als 135.000 bestätigte Fälle von Infektionen mit SARS-CoV-2 gemeldet. Die Zahl der Todesfälle lag über 17.000. Das entspricht einem Anteil der Todesfälle von 12,6 Prozent. In Spanien kamen an diesem Tag auf 142.000 Infektionen 14.000 Todesfälle: also 9,9 Prozent. Und Deutschland? Hier zählt die Johns-Hopkins-Universität zur gleichen Zeit 1.943 Todesfälle bei etwa 105.000 bestätigten Corona-Infektionen. Das ergäbe eine Sterblichkeitsrate von 1,85 Prozent. Ist eine Corona-Infektion in Deutschland deshalb weniger lebensgefährlich als in anderen Ländern? Das wäre ein gefährlicher Trugschluss.
Die Frage nach der Sterblichkeitsrate ist gegenwärtig nicht seriös zu beantworten
Die Frage nach der Sterblichkeitsrate bei Covid-19 ist gegenwärtig nicht seriös zu beantworten. Zum einen sind die Zahlen aus den unterschiedlichen Ländern immer noch Momentaufnahmen. Aus den Zahlen lassen sich zwar Trends ablesen, die sich aber innerhalb weniger Tage wieder ändern können. Das ist aber nur ein Aspekt von vielen.
An Covid-19 gestorben oder mit Covid-19?
Nicht ohne Grund spricht das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem täglichen Meldungen nicht über Corona- oder Covid-19-Tote, sondern von "Todesfällen in Zusammenhang mit Covid-19-Erkrankungen". Das hat einen einfachen Hintergrund: In sehr vielen Fällen lässt sich nicht auf Anhieb sagen, ob Menschen an Covid-19 gestorben sind, sondern beispielsweise an anderen chronischen Erkrankungen.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Ein 55 Jahre alter Mann wird mit einem schweren Herzinfarkt in die Klinik eingeliefert – und verstirbt wenige Tage später. Bei der Einlieferung wurde der Mann positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Mit seinem Tod geht er als Todesfall in Zusammenhang mit Covid-19-Erkrankungen in die Statistik ein. Todesursache war aber mit einiger Sicherheit der Herzinfarkt. Zu Nicht-Krisenzeiten wäre dieser Mann als Herzinfarkt-Toter gezählt worden.
Genaue Zahlen könnte es auch später nicht geben
Wie hoch die Todesrate ausfällt, wird sich möglicherweise auch in Zukunft nicht genau bestimmen lassen. Nach Angaben von RKI-Präsident Lothar Wieler hat das vor allem zwei Gründe: Einerseits sei es nicht machbar, alle Menschen zu testen. Demnach müsse man also davon ausgehen, mögliche todesursächliche Covid-19-Erkrankungen zu übersehen. Zudem sei das Virus bei einer Obduktionen unter Umständen nicht mehr nachweisbar, obwohl der Mensch an einer SARS-CoV-2-Infektion gestorben sei, sagte der RKI-Präsident bei einer seiner Pressekonferenzen.
Was die Zahl der Tests mit dem Verhältnis von Erkrankungen und Todesfällen zu tun hat
Das bislang im internationalen Vergleich günstig erscheinende Verhältnis von Erkrankungen und Todesfällen in Deutschland hat auch mit der hohen Zahl von SARS-CoV-2-Tests zu tun. Beispielsweise hat Deutschland früher als Italien oder Spanien in vergleichsweise großem Maßstab getestet. In die deutsche Statistik fließen daher viele Menschen ein, die einen milden Verlauf von COVID-19 durchleben. Je mehr bekannte Infektionen bei kleiner Anzahl von tödlichen Verläufen bedeuten rein statistisch einen kleineren Anteil von Todesopfern. Eine Aussage über die tatsächliche Sterblichkeit durch Covid-19 ist das aber nicht.
Wird die COVID-19-Sterberate in Deutschland vergleichsweise klein bleiben?
Bislang kann niemand sagen, wie sich die COVID-19-Sterberate und die Zahl der Corona-Toten in Deutschland entwickeln wird. Die Zahl der Opfer hängt ganz wesentlich davon ab, ob es gelingt, die Hochrisikogruppen zu schützen. Deshalb ist es nach wie vor von entscheidender Bedeutung, die Verbreitung einzudämmen, indem wir uns an die Regeln halten.
Die allgemeine Todesrate sagt nichts über das individuelle Risiko aus
Der bislang vergleichsweise kleine Anteil der tödlich verlaufenden COVID-19-Erkrankungen auch sagt nichts darüber aus, wie eine Erkrankung im Einzelfall verläuft. Nach gegenwärtigem Stand der Forschung geht man davon aus, dass bis zu 20 Prozent der Infektionen einen schweren Verlauf mit Lungenentzündung und möglichen Komplikationen nehmen. Nach Angaben des RKI vom 27. März beträgt das Durchschnittsalter der an Corona gestorbenen Menschen in Deutschland 81 Jahre.
Autor: Charly Kahle
Stand: 08.04.2020
Robert-Koch-Institut: Aktueller Lage-/Situationsbericht des RKI zu COVID-19