Laborwerte: GFR-Wert

Laborwerte sind wichtig für die Diagnose von zahlreichen Erkrankungen. Der GFR-Wert beschreibt die Leistungsfähigkeit der Nieren. Lesen Sie, was der GFR-Wert bedeutet, welche Werte normal sind – und wie der GFR-Wert berechnet wird.

Synonyme

Glomeruläre Filtrationsrate, Kreatinin-Clearance, eGFR-Wert

Definition: Was ist der GFR-Wert?

Nierenerkrankung

Der GFR-Wert ist ein Maß für die Funktionsfähigkeit der Nieren. Bei Nierenerkrankungen ist der GFR-Wert erniedrigt. GFR ist eine Abkürzung und steht für Glomeruläre Filtrationsrate. Der GFR-Wert gibt an, wie viel Blut die Nierenkörperchen (Glomeruli) in Millilitern pro Minute (ml/min) filtern. Der GFR-Wert kann nicht direkt gemessen werden, sondern wird mithilfe von Formeln aus Blut- und Urinwerten näherungsweise berechnet. Dafür gibt es verschiedene Methoden, darunter die Kreatinin-Clearance, die Inulin-Clearance und den eGFR-Wert.

Wie hoch ist der normale GFR-Wert?

Der normale Bereich für die glomeruläre Filtrationsrate ist alters- und geschlechtsabhängig. Generell gelten Werte ab 90 ml/min als normal. Bei gesunden Menschen mit einer durchschnittlichen Körperoberfläche gelten GFR-Werte zwischen 90 und 130 ml/min als normal.

GFR-Werte und Nierenfunktion in fünf Stadien

Mediziner teilen GFR-Werte und Nierenfunktion in fünf Stadien ein:

  • Stadium 1 mit einem GFR-Wert von 90 ml/min oder höher: normale Nierenfunktion
  • Stadium 2 mit einem GFR-Wert von 60 bis 89 ml/min: leichter Nierenschaden ohne erkennbare Symptome
  • Stadium 3 mit einem GFR-Wert von 30 bis 59 ml/min: Mäßige Einschränkung der Nierenfunktion mit erkennbaren Symptomen wie Bluthochdruck, Müdigkeit und eingeschränkter Leistungsfähigkeit
  • Stadium 4 mit einem GFR-Wert von 15 bis 29 ml/min: starke Einschränkung der Nierenfunktion mit Symptomen wie Juckreiz, Übelkeit, Ödeme, Erbrechen oder Nerven- und Knochenschmerzen
  • Stadium 5 mit einem GFR-Wert unter 15 ml/min: Nierenschwäche im Endstadium (Nierenversagen); Blutwäsche (Dialyse) oder Spenderniere sind nötig

Was hat der GFR-Wert mit Körpergröße zu tun?

Große und kleine Menschen oder beispielsweise Menschen mit Amputationen haben unterschiedlich viel Blut und entsprechend auch größere oder kleinere normale glomeruläre Filtrationsraten. Daher werden die im Allgemeinen auf eine Standard-Körperoberfläche von 1,73 m2 bezogen (beispielsweise 90 ml/min/1,73m2). Um besser mit den Normwerten vergleichbar zu sein, kann es sinnvoll sein, den ermittelten GFR-Wert ebenfalls durch die Körperoberfläche zu teilen.

Ist der GFR-Wert vom Alter abhängig?

Ab dem 40. Lebensjahr fällt der durchschnittliche GFR-Wert um etwa 1 ml/min pro Lebensjahr ab. Dieser Wert ist allerdings eher theoretisch. Größere Auswirkungen haben beispielsweise Trinkmenge, körperliche Aktivität und allgemeiner Gesundheitszustand.

Warum kann man den GFR-Wert nicht direkt messen?

Die glomeruläre Filtrationsrate ist nicht direkt messbar, weil man keine Messapparatur in die Nieren einbringen kann, um die Menge des durch die Nierenkörperchen gefilterten Primärharns zu bestimmen. Auf Umwegen ist das aber trotzdem möglich. Maßgeblich für die Filterleistung ist die Menge des sogenannten Primärharns, den die Nieren beim Waschen des Blutes bilden. Aus dem Primärharn entsteht in einem nächsten Schritt der Urin: Dabei wird dem Primärharn unter anderem ein Großteil des Wassers entzogen und zurück ins Blut geleitet. Die Nieren produzieren pro Tag bis zu 150 Liter Primärharn, die zu etwa einem Liter Urin aufbereitet werden.

Wie wird der GFR-Wert berechnet?

Um den GFR-Wert zu berechnen, braucht man einen Stoff, der in nahezu konstanter Konzentration im Blut ist und über die Nierenkörperchen zu 100 Prozent in den Urin gelangt. Zwei solcher Stoffe sind Inulin und Kreatinin. Diese nutzen Mediziner, um mit der Inulin-Clearance oder der Kreatinin-Clearance die Filterleistung der Nieren zu berechnen.

Was ist Inulin-Clearance?

Wenn Mediziner den GFR-Wert exakt bestimmen wollen, bringen sie mit einer Infusion einen ungiftigen körperfremden Stoff namens Inulin ins Blut. Inulin gelangt in den Nieren zu 100 Prozent in den Primärharn und von dort in den Urin. Für den klinischen Alltag ist die Bestimmung des GFR-Werts über die sogenannte Inulin-Clearance allerdings zu aufwendig. Stattdessen wird oft die Kreatinin-Clearance gemessen.

Was ist Kreatinin-Clearance?

Kreatinin ist ein Abfallprodukt des Energiestoffwechsels der Muskulatur. Wenn man die Menge von Kreatinin im Urin und im Blut kennt, kann man daraus näherungsweise die von den Nieren produzierte Primärharnmenge – und damit die Filterleistung – berechnen.

Warum 24 h Urin sammeln für Kreatinin-Clearance?

Die Nieren sind nicht immer gleich aktiv. Wenn wir gerade etwas getrunken haben, produzieren sie zum Beispiel besonders viel Urin, und tagsüber sind sie aktiver als nachts. Deshalb wird für die Berechnung der Kreatinin-Clearance Urin über 24 Stunden (1440 Minuten) gesammelt – so „erwischt“ man die Nieren in all ihren Aktivitätsphasen und kann einen aussagekräftigen Mittelwert für ihre Aktivität bilden. Dabei ist es sehr wichtig, dass der in 24 Stunden produzierte Urin vollständig gesammelt wird und nichts verloren geht.

So wird die Kreatinin-Clearance berechnet

Die Formel für die Kreatinin-Clearance ist: Kreatinin-Clearance = (Kreatininkonzentration im 24-h-Sammelurin/ Kreatininkonzentration im Blut) x Urinvolumen/1440 Minuten.

Die Kreatinin-Clearance entspricht ungefähr der glomerulären Filtrationsrate, also dem GFR-Wert.

Bei einer Urinmenge von 1.000 Milliliter pro Tag, einer Kreatinin-Konzentration im Blut (Serumkreatinin) von 1 mg/dl und einer Kreatininkonzentration im Sammelurin von 150 mg/dl ergibt sich beispielsweise eine gesunde Kreatinin-Clearance von (150/1) x 1000 Milliliter/1440 Minuten = 104 Milliliter/Minute.

Die Nieren dieses Patienten produzieren also pro Minute im Mittel 104 Milliliter Primärharn. Pro Tag sind das fast 150 Liter, die dann auf nur einen Liter Urin aufkonzentriert werden.

Was ist der eGFR-Wert?

Das Sammeln von Urin über 24 Stunden ist zeitaufwendig und fehleranfällig: Oft geht beim Auffangen etwas daneben oder ein Rest Urin bleibt in der Harnblase zurück. Aber es gibt alternative Möglichkeiten, den GFR-Wert allein aus dem Serumkreatinin abzuschätzen. So liegt das Ergebnis auch sofort vor und nicht erst nach 24 Stunden.

eGFR ist die Abkürzung für geschätzte (estimated) Glomeruläre Filtrationsrate. Für den eGFR-Wert nutzen Mediziner verschiedene Formeln. Diese Formeln stammen aus sogenannten Fits: Dabei haben Medizinforscher für eine größere Gruppe von nierenkranken Menschen mit der Kreatinin- oder Inulin-Clearance die glomerulären Filtrationsraten bestimmt und dann nach einer Formel gesucht, die alle gemessenen GFR-Werte möglichst gut reproduzieren kann. Früher wurde das in einem komplizierten Prozess per Hand gemacht. Heute werden dafür in der Regel Computerprogramme verwendet. Die aktuell meistverwendete Formel für den eGFR ist die CKD-EPI-Formel. Diese Formel wurde aus Daten von mehr als 12.000 nierenkranken Menschen entwickelt.

Wie aussagekräftig ist der GFR-Wert?

Bei sehr vielen Erkrankungen verfügt die moderne medizinische Diagnostik über exakte und eindeutige Messwerte. Bei der Beurteilung der Nierenfunktion ist das nur eingeschränkt der Fall. Da es aber keine besseren Messverfahren gibt, bilden Kreatinin-Clearance und eGFR-Wert die Standards für die Bewertung der Nierenfunktion.

Kreatinin-Clearance bei stark abgeschwächter Nierenfunktion wenig aussagekräftig

Bei stark herabgesetzter Nierenfunktion ist die Kreatinin-Clearance keine sehr gute Abschätzung des GFR-Werts: Unter diesen Bedingungen filtern die Nieren Kreatinin nicht nur passiv aus dem Blut, sondern geben später zusätzlich noch aktiv Kreatinin an den Urin ab. Der Urin enthält also mehr Kreatinin als der Primärharn, und die Kreatinin-Clearance ergibt einen GFR-Wert, der höher ist als die tatsächliche Filtrationsleistung der Nieren.

eGFR-Wert nur bei stark eingeschränkter Nierenfunktion brauchbar

Der nur aus dem Serumkreatinin berechnete eGFR-Wert wiederum ist ausschließlich bei stärker eingeschränkter Nierenfunktion brauchbar: Bei leichten Nierenfunktionsstörungen kann der eGFR fälschlich normale glomeruläre Filtrationsraten ergeben. Das liegt daran, dass die Serumkreatininwerte bei beginnender Nierenfunktionsstörung mit bereits herabgesetzter Filtration häufig noch normal sind: Der eGFR-Wert ist also nicht geeignet, um Nierenfunktionsstörungen im Frühstadium zuverlässig zu diagnostizieren.

Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)

Stand: 06.06.2024

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