West-Nil-Fieber
West-Nil-Fieber ist eine durch Mücken übertragene Infektionskrankheit, die erst seit einigen Jahren in Deutschland Fuß fasst. Meist verläuft West-Nil-Fieber in Form einer milden Erkrankung mit grippeähnlichen Symptomen. In seltenen Fällen kann die Infektion durch das West-Nil-Virus jedoch zu einer gefährlichen Hirnhautentzündung oder Gehirnentzündung führen. Lesen Sie mehr über Symptome, Ursachen, Behandlung und Vorbeugung des West-Nil-Fiebers.
Synonyme
West-Nil-Virus, West Nile Fieber, West Nile Fever, Nilfieber
Definition
Was ist West-Nil-Fieber?
West-Nil-Fieber ist eine Infektionskrankheit, die durch das ursprünglich in den Tropen beheimatete West-Nil-Virus verursacht wird. Das West-Nil-Virus befällt in erster Linie Wildvögel und ist für diese oft tödlich. Stechmücken übertragen das Virus von Vogel zu Vogel. Auch Säugetiere (vor allem Pferde) und der Mensch können sich infizieren, wenn sie von einer mit dem Virus infizierten Mücke gestochen werden. Menschen und Säugetiere sind jedoch sogenannte Fehlwirte für das West-Nil-Virus. Das bedeutet, Menschen können das Virus nicht weitergeben und somit auch niemanden anstecken. Seltene Übertragungswege für das West-Nil-Virus sind Bluttransfusionen und Organtransplantationen.
West-Nil-Fieber verläuft bei rund 80 Prozent der Betroffenen symptomlos. Nahezu 20 Prozent entwickeln milde, grippeähnliche Symptome. Weniger als ein Prozent der Infizierten erkrankt schwer an einer Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Gehirnentzündung (Enzephalitis).
Vor 2019 wurde West-Nil-Fieber in Deutschland ausschließlich bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten diagnostiziert. Mittlerweile registriert das Robert-Koch-Institut (RKI) jährlich einige Fälle von in Deutschland erworbenen Infektionen mit dem West-Nil-Virus.
Häufigkeit
West-Nil-Fieber: Häufigkeit in Deutschland
In Deutschland ist das West-Nil-Fieber aktuell (Stand Dezember 2021) eine sehr seltene Erkrankung. Die meisten Infektionen gehen auf Reisen in Risikogebiete zurück.
2019 wurden erstmals mutmaßlich durch Mückenstiche erworbene West-Nil-Fieber-Erkrankungen bei fünf deutschen Patienten ohne Reisehintergrund nachgewiesen. 2020 wurden 20 symptomatische und zwei symptomlose Infektionen festgestellt. Letztere fielen bei Screenings von Blutspenden auf. Ein älterer Mann verstarb. Im September 2021 wurden drei weitere symptomatische Fälle von West-Nil-Fieber publik.
Experten gehen davon aus, dass das Virus aufgrund der Klimaerwärmung mittlerweile nördlich der Alpen in Stechmücken überwintern kann. Daher sind auch in den kommenden Jahren Infektionen wahrscheinlich.
Bei Vögeln und Pferden wurde das West-Nil-Virus seit 2018 in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin sowie in Thüringen, Bayern Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg vereinzelt nachgewiesen.
Weltweite Verbreitung des West-Nil-Virus
Laut WHO wurden die weltweit größten Ausbrüche in Griechenland, Israel, Rumänien, Russland und den USA registriert. Dabei traten jeweils einige Hundert bis zu mehrere Tausend symptomatische Fälle auf.
Das West-Nil-Virus stammt ursprünglich aus Afrika. Es wurde 1937 in Uganda entdeckt. In vielen Regionen Afrikas, in Ägypten, Israel und weiteren Ländern des Nahen Ostens, im Mittleren Osten, in Pakistan, Indien und Indonesien ist das Virus sehr häufig. Viele Menschen erkranken dort bereits im Kindesalter und sind danach lebenslang immun gegen das West-Nil-Virus. Australien hat eine eigene Variante des West-Nil-Virus, das sogenannte Kunjin-Virus.
Beginnend mit einem Ausbruch in New York hat sich das Virus seit 1999 rasant in Nordamerika ausgebreitet. Nach Südeuropa wird das Virus regelmäßig saisonal durch Zugvögel eingeschleppt und ist daher in Südfrankreich, Italien, Griechenland, in der Türkei und in weiten Teilen des Balkans verbreitet. Auch Teile von Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Österreich und Russland sind seit einigen Jahren betroffen.
Symptome
80 Prozent aller Infektionen mit dem West-Nil-Virus bleiben symptomlos und daher in der Regel unbemerkt. Infizierte, die am West-Nil-Fieber erkranken, entwickeln zwei bis maximal 14 Tage nach der Infektion (Inkubationszeit) plötzlich einsetzende grippeähnliche Symptome. Dazu gehören Fieber, Lymphknotenschwellungen, Schüttelfrost, Schwindel, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit und Abgeschlagenheit, eventuell auch Übelkeit und Erbrechen. In etwa der Hälfte der symptomatischen Verläufe kommt es nach einigen Tagen zu einem nicht juckenden Hautausschlag an Brust, Rücken und Armen. West-Nil-Fieber dauert in der Regel drei bis sechs Tage.
Schwere Verläufe
Ältere Menschen und Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder geschwächtem Immunsystem tragen ein erhöhtes Risiko für einen langwierigen und schweren Verlauf von West-Nil-Fieber.
In weniger als einem Prozent der Fälle kommt es zu einer zweiten Phase der Erkrankung, bei der das Virus die Blut-Hirn-Schranke überwindet und eine Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Gehirnentzündung (Enzephalitis) hervorruft. Erste Warnzeichen dafür sind anhaltendes hohes Fieber, starke Kopfschmerzen, Schwindel, Lichtempfindlichkeit, Verwirrtheit und Nackensteifigkeit.
Insbesondere die durch das West-Nil-Virus hervorgerufene Gehirnentzündung ist eine sehr schwere Erkrankung. Sie kann zu Komplikationen wie mentalen Veränderungen, Muskelschwäche, schlaffen Lähmungen, Koordinations- und Bewegungsstörungen, epileptischen Anfällen und verschiedenen Formen von Nervenentzündungen führen.
Seltene Komplikationen im Zusammenhang mit West-Nil-Fieber sind Entzündungen des Herzmuskels (Myokarditis) und anderer Organe.
Ursachen
Ursache des West-Nil-Fiebers ist eine Infektion mit dem West-Nil-Virus. Das Virus wird von Stechmückenarten übertragen, die sowohl Vögel als auch Menschen stechen. Überträger sind unter anderem auch in Deutschland heimische Arten der Gattung Culex, darunter die sehr häufige Gemeine Stechmücke (Culex pipiens).
Da Mücken in Deutschland im Winter und Frühjahr nicht aktiv sind, sind Infektionen ohne Reisehintergrund nur in der Zeit zwischen Juni und November möglich.
Andere Übertragungswege
Die direkte Übertragung des West-Nil-Virus von Mensch zu Mensch ist nicht möglich, ebenso wenig die Übertragung durch Mücken, die einen infizierten Menschen gestochen haben. Schwangere können das Virus allerdings auf ihr ungeborenes Kind übertragen. Auch eine Infektion über die Muttermilch ist möglich.
Weiterhin kann das Virus über Blut- und Plasmaspenden sowie Organspenden übertragen werden. Seit 2020 sind die deutschen Blutspendedienste verpflichtet, Maßnahmen zur Ausschaltung dieses Risikos zu ergreifen. Das kann die routinemäßige Testung der Spenden auf das West-Nil-Virus sein oder die Zurückstellung potenzieller Spender, die sich in Risikogebieten aufgehalten haben.
Diagnose
Die Diagnose des West-Nil-Fiebers ist nur anhand einer Laboruntersuchung von Blut oder Liquor (Nervenflüssigkeit aus dem unteren Rückenmarkskanal) möglich. Solche Tests können Viren (PCR-Test) oder Antikörper (ELISA-Test) nachweisen. Viruserbgut lässt sich auch in Urinproben finden.
Infektionen mit verwandten Viren können zu falsch positiven Ergebnissen der Bluttests führen, ebenso Impfungen gegen diese Erreger. Das West-Nil-Virus ist unter anderem mit den Erregern von Gelbfieber, Dengue-Fieber, Japanischer Enzephalitis und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) verwandt. Letzte Sicherheit schaffen hochspezifische Tests, die nur in Speziallabors möglich sind.
Symptomlose Infektionen werden nur im Zusammenhang mit Blutspenden erkannt. Und auch die unproblematischen Verläufe des West-Nil-Fiebers werden wohl selten diagnostiziert, da sie einer milden Grippe sehr ähneln.
Verdachtsmomente sind zurückliegende Reisen in Risikogebiete, Auftreten im Sommer, Mückenkontakt sowie der Hautausschlag, der sich allerdings nicht bei allen Erkrankten zeigt.
Auch bei Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Gehirnentzündung (Enzephalitis) denken Ärzte meist zunächst an andere Viren oder Bakterien als Ursache. Der Verdacht auf West-Nil-Fieber kommt in der Regel erst auf, wenn sich keiner dieser Erreger nachweisen lässt.
Behandlung
Eine spezifische antivirale Therapie gegen das West-Nil-Virus gibt es bislang nicht. Die Behandlung muss sich daher darauf beschränken, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden.
Milde Verläufe heilen auch ohne Medikamente aus. Bettruhe ist sinnvoll. Fieber, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen können durch rezeptfreie Schmerzmittel gelindert werden, beispielsweise durch Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen oder Metamizol.
Schwere Verläufe von West-Nil-Fieber werden im Krankenhaus behandelt. Zur symptomlindernden Therapie zählen beispielsweise Infusionen zum Ausgleich eines Flüssigkeitsdefizites oder die medikamentöse Behandlung mit Antibiotika, um Sekundärinfektionen zu bekämpfen oder zu vermeiden. Patienten mit schwerer Enzephalitis werden meist auf einer neurologischen Intensivstation behandelt.
Prognose
Von milden Verläufen des West-Nil-Fiebers erholen sich Menschen ohne Vorerkrankungen in aller Regel rasch und vollständig. Bei älteren oder immungeschwächten Menschen sowie bei mit Vorerkrankungen kann sich die Heilung verzögern.
Mit steigendem Lebensalter wächst das Risiko, dass sich West-Nil-Fieber auf Gehirn und Nervensystem ausbreitet oder Entzündungen des Herzens und anderer Organe hervorruft. Solche schweren Verläufe werden fast nur bei Patienten ab dem 50. Lebensjahr beobachtet. Rund die Hälfte der Enzephalitis-Patienten behält Spätfolgen der Erkrankung zurück. Etwa fünf bis zehn Prozent der Betroffenen sterben an den Folgen der Gehirnentzündung durch das West-Nil-Virus.
Vorbeugung
Eine Impfung gegen das West-Nil-Virus für den Menschen gibt es bislang noch nicht. Für Pferde steht bereits eine Impfung zur Verfügung.
Vor allem für ältere Menschen und Angehörige von Risikogruppen empfiehlt sich beim Aufenthalt in Risikogebieten ein wirksamer Mückenschutz. Dazu gehören: mückenfeste lange Kleidung, Insektenspray, kein Aufenthalt im Freien während der aktivsten Zeiten der Mücken (in den Abendstunden). Wohnräume sollten durch Mückengitter geschützt werden und das Schlafen unter einem Moskitonetz ist dringend zu empfehlen.
Autor: Ulrike Laitko, fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit
Stand: 06.12.2021
- West-Nil-Fieber im Überblick. Robert-Koch-Institut
- Arzneimitteltherapie: Unabhängige Information zu Pharmakotherapie
- Fact Sheet West Nile Virus. WHO
- J.J. Sejwar: West Nile Virus: An Historical Overview. Ochsner Journal 2003 5(3): 6-10
- Erste durch Mücken übertragene West-Nil-Virus-Erkrankung beim Menschen in Deutschland. Gemeinsame Pressemitteilung von RKI, FLI und BNITM 26.9.2019
- Auch 2021 Mückenübertragungen von West-Nil-Virus in Deutschland zu erwarten. Epidemiologisches Bulletin 23/2021 (10.6.2021) S. 40
- Erste Fälle von West-Nil-Virus in Deutschland in diesem Jahr. Ärzteblatt 9.9.2021
- Muss uns das West-Nil-Virus Sorgen machen? SPIEGEL 8.9.2021
- Uwe Zettl, Jörn Sieb (Hrsg.): Diagnostik und Therapie neurologischer Erkrankungen: State of the Art 2022. Elsevier (2022)
- Bekanntmachung über die Zulassung von Arzneimitteln – Anordnung von Maßnahmen, die das Risiko der Übertragung einer in Deutschland erworbenen West-Nil-Virus (WNV)-Infektion durch Blutkomponenten zur Transfusion (zelluläre Blutzubereitungen und therapeutische Frischplasmen) und durch Stammzellzubereitungen zur hämatopoetischen Rekonstitution minimieren können. Paul-Ehrlich-Institut 18.3.2020