Testosteronmangel
Was passiert bei Testosteronmangel? Welche Symptome treten auf? Wann ist Testosteron zu niedrig? Und wie erhöht man den Testosteronspiegel bei Männern? Die Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema Testosteronmangel lesen Sie hier.
Synonyme
männlicher Hypogonadismus, primärer Hypogonadismus, sekundärer Hypogonadismus, funktioneller Hypogonadismus
Testosteronmangel im Überblick
Testosteron ist ein Sexualhormon, das bei Männern die Ausprägung der männlichen Geschlechtsmerkmale und die Produktion von Spermien anregt. Testosteron spielt außerdem eine wichtige Rolle für sexuelles Begehren (Libido), Potenz und Vitalität. Auch stimuliert das Hormon den Muskelaufbau, das Knochenwachstum und die Produktion der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff im Blut transportieren. Testosteronmangel bei Männern kann Gesundheit und Lebensqualität negativ beeinflussen.
Definition: Mediziner bezeichnen Testosteronmangel auch als männlichen Hypogonadismus. Männlicher Hypogonadismus wird diagnostiziert, wenn Symptome eines Testosteronmangels auftreten und Laboruntersuchungen des Blutes einen niedrigen Testosteronspiegel bestätigen.
Symptome: Testosteronmangel verringert Vitalität, Libido, Potenz und Fruchtbarkeit. Es kann zur Rückbildung der männlichen Geschlechtsmerkmale kommen. Männer mit Testosteronmangel verlieren oft an Muskelmasse, Knochendichte und Konzentration der roten Blutkörperchen. Tritt der Testosteronmangel bereits in der Kindheit auf, verzögert sich die Pubertät oder bleibt ganz aus.
Ursachen: Testosteronmangel kann auf eine angeborene Funktionsstörung der Hoden (primärer Hypogonadismus) oder auf eine Störung in der Regulation der Hormonproduktion (sekundärer Hypogonadismus) zurückzuführen sein, die ihre Ursache im Gehirn bzw. in der Hirnanhangsdrüse hat. In der Mehrzahl der Fälle ist der Hormonmangel jedoch die Folge von Übergewicht, Diabetes, Leberzirrhose und anderen chronischen Erkrankungen. Mediziner sprechen dann von funktionellem Hypogonadismus.
Behandlung: Ein laborchemisch bestätigter Testosteronmangel wird durch eine Testosteronersatztherapie (Substitutionstherapie) behandelt, also durch die medikamentöse Gabe von Testosteron. Bei funktionellem Hypogonadismus trägt oft auch Gewichtsreduktion wesentlich zur Normalisierung des Hormonspiegels bei.
Prognose: Die Testosteronersatzbehandlung kann Sexualprobleme sowie psychische und körperliche Symptome eines Testosteronmangels lindern. Befürchtungen, dass die Hormontherapie das Risiko von Prostatakrebs oder Herzinfarkten vergrößern könnte, haben sich bislang nicht bestätigt.
Häufigkeit
Testosteronmangel tritt bei bis zu 5,7 Prozent der 40- bis 79-jährigen Männer auf. In maximal 5 Prozent der Fälle handelt es sich um durch Funktionsstörungen von Hoden oder Gehirn ausgelösten primären oder sekundären Hypogonadismus. Mit Abstand am häufigsten ist funktioneller Hypogonadismus als Folge von Übergewicht (Adipositas) oder chronischen Grunderkrankungen.
Welche Symptome treten bei Testosteronmangel auf?
Bei Testosteronmangel können sexuelle, psychische und körperliche Symptome auftreten.
Sexuelle Symptome:
- Herabgesetzte Libido
- Erektionsstörungen
- Weniger nächtliche und morgendliche Erektionen
- Herabgesetzte Fruchtbarkeit
Psychische Symptome:
- Depressionen
- Müdigkeit, Antriebslosigkeit
- Schlafstörungen
- Verminderte geistige Leistungsfähigkeit
Körperliche Symptome:
- Rückbildung der primären und sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale: Verkleinerung der Hoden, Reduzierung der Körperbehaarung, Vergrößerung der Brust (Gynäkomastie)
- Abnahme der Muskelmasse
- Gewichtszunahme mit verstärkter Neigung zu Bauchfett
- Hitzewallungen
Wie wirkt sich ein Testosteronmangel beim Mann aus?
Neben den sichtbaren und spürbaren Symptomen kann Testosteronmangel auch zu einer Reihe von Problemen führen, die erst durch klinische Untersuchungen diagnostiziert werden. Dazu gehören:
- Mangel an roten Blutkörperchen (Anämie)
- Verringerte Knochendichte (Osteoporose)
- Insulinresistenz (eine Vorstufe des Diabetes)
Ursache: Wie kommt es zu Testosteronmangel?
Bei Testosteronmangel bildet der Körper nicht ausreichend Testosteron. Das männliche Sexualhormon wird in den Hoden und zu einem kleinen Teil in der Nebennierenrinde produziert. Die Störungen der Testosteronproduktion bei primärem, sekundärem und funktionalem Hypogonadismus haben unterschiedliche Ursachen.
Primärer Hypogonadismus: Ursache
Ein primärer Hypogonadismus wird durch eine angeborene oder erworbene Funktionsstörung der Hoden verursacht. Mögliche Ursachen sind:
- Klinefelter-Syndrom
- Hodenhochstand
- Hodenentzündung (Orchitis)
- Angeborene oder unfallbedingte Funktionsuntüchtigkeit beider Hoden
- Hodenkrebs
- Chemotherapie oder Strahlentherapie
Sekundärer Hypogonadismus: Ursache
Die Testosteronproduktion in den Hoden wird durch die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse gesteuert: Der Hypothalamus (eine Gehirnregion) schüttet das sogenannte Gonadotropin-Releasing Hormon (GnRH, Gonadotropin-freisetzendes Hormon) aus, das wiederum die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) zur Freisetzung von Gonadotropinen anregt. Zu diesen gehört das luteinisierende Hormon (LH), das beim Mann die Testosteronproduktion in den Hoden (Gonaden) stimuliert. Eine Störung in der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse kann auch bei intakten Hoden zu einem Testosteronmangel führen. Typische Ursachen für sekundären Hypogonadismus sind:
- Meist gutartige Tumoren der Hypophyse (Hypophysenadenome), die die Bildung von LH unterdrücken
- Unterfunktion der Hypophyse (Hypopituitarismus) durch Strahlentherapie, Verletzungen, Infektionen, Durchblutungsstörungen oder Überladung mit Eisen (Hämochromatose)
- Angeborene Störungen im Hypothalamus (eine Gehirnregion), die die Bildung von GnRH beeinträchtigen
- Schädigungen des Hypothalamus durch Medikamente, Toxine, Drogen oder systemische Erkrankungen
Funktioneller Hypogonadismus: Ursache
Die mit Abstand häufigste Ursache für funktionellen Testosteronmangel ist Übergewicht. Im Fettgewebe werden Botenstoffe gebildet, die unter anderem auch die Testosteronproduktion hemmen. Umgekehrt kann ein niedriger Testosteronspiegel das Abnehmen erschweren und Übergewicht verstärken. So entsteht ein oftmals kaum zu durchbrechender Teufelskreis.
Ein etwa 2,6-fach erhöhtes Risiko für Testosteronmangel haben Männer mit metabolischem Syndrom, einer Kombination aus Übergewicht (Adipositas), erhöhten Blutzuckerwerten (Diabetes), Bluthochdruck (Hypertonie) und erhöhten Cholesterinwerten (Hyperlipidämie).
Weitere mögliche Ursachen für funktionellen Hypogonadismus sind fortgeschrittenes Alter (Late-Onset-Hypogonadismus), Nierenschwäche (chronische Niereninsuffizienz), Leberzirrhose, Unterernährung und exzessiver Sport.
Untersuchung
Nur ein kleiner Teil des Testosterons liegt im Blut in freier Form vor. Der Rest ist an ein Transporteiweiß gebunden, das sexualhormon-bindende Globulin (SHBG). Freie und gebundene Form des Testosterons ergeben zusammen den Gesamttestosteronspiegel. Für die Diagnose eines Testosteronmangels genügt zunächst eine Messung des Gesamttestosterons. Üblicherweise wird morgens zwischen 7 und 11 Uhr gemessen, da in diesem Zeitraum der Testosteronspiegel seinen Höchstwert erreicht. Ist das Gesamttestosteron erniedrigt, können weitere Messungen Hinweise auf die Ursache des Testosteronmangels geben. Interessant ist in diesem Zusammenhang unter anderem der Blutspiegel von luteinisierendem Hormon (LH): Bei primärem Hypogonadismus ist der LH-Wert erhöht, bei sekundärem Hypogonadismus erniedrigt und bei funktionellem Hypogonadismus normal.
Wie hoch ist der normale Testosteronwert?
Normale Werte für das Gesamttestosteron im Blut liegen im Bereich zwischen 12, 1 und 31,2 nm/l (Nanomol pro Liter) bzw. in einer anderen, ebenfalls üblichen Einheit ausgedrückt 3,5 bis 9,0 ng/ml (Nanogramm pro Milliliter).
Wann ist der Testosteronspiegel zu niedrig?
Gesamttestosteronwerte im Blut unterhalb von 8 nm/l (2,3 ng/ml) gelten als zu niedrig. Werte zwischen 8 und 12 nm/l sind tendenziell zu niedrig. In solchen Fällen wird zusätzlich das freie Testosteron bestimmt.
Behandlung: Was kann man tun gegen Testosteronmangel?
Testosteronmangel kann durch Gabe von Testosteron behandelt werden. Die medizinischen Leitlinien weisen explizit darauf hin, dass eine Testosteronbehandlung nur bei laborchemisch bestätigtem Testosteronmangel eingeleitet werden sollte.
Menschen mit primärem oder sekundärem Hypogonadismus sind klare Kandidaten für die Testosteronersatztherapie. Auch bei funktionellem Hypogonadismus kann eine Testosterontherapie angesetzt werden. Gleichzeitig sollte aber auch die zugrunde liegende Erkrankung behandelt werden. Studien belegen, dass eine Gewichtsreduktion bei Adipositas zuverlässig zu einer Normalisierung des Testosteronspiegels führt.
Was spricht gegen eine Testosteronersatztherapie?
In folgenden Fällen sollte eine Testosteronersatztherapie nicht oder nur unter genauer Abwägung der Risiken angesetzt werden:
- Bei aktivem Kinderwunsch: Die Zufuhr von Testosteron hemmt vorübergehend die Spermienbildung. Der Effekt klingt üblicherweise nach vier Monaten ab, kann im Einzelfall aber bis zu 36 Monate anhalten.
- Bei Prostatakrebs oder männlichem Brustkrebs bzw. bei Verdacht auf eine dieser Erkrankungen: Testosterongabe kann diese Krebsarten aggressiver wachsen lassen.
- Bei stark erhöhter Anzahl der roten Blutzellen (Polyglobulie): Testosteron kann zu einem weiteren Anstieg führen und damit das Risiko von Thrombosen, Schlaganfall und Herzinfarkt erhöhen.
Welche Medikamente gibt es bei Testosteronmangel?
Testosteronpräparate stehen als Tabletten, Injektionslösung und Gel zur Verfügung. Testosterontabletten werden allerdings kaum noch verschrieben, da das Testosteron aus Tabletten nur schlecht vom Körper aufgenommen wird (geringe Bioverfügbarkeit) und die Leber belastet.
Testosteron-Gel: Die angenehmste Behandlungsform für viele Menschen mit Testosteronmangel sind Gele, mit denen das Testosteron durch die Haut aufgenommen wird. Das Gel wird vormittags aufgetragen und sorgt für einen gleichmäßigen, im Laufe des Tages langsam abklingenden Testosteronspiegel – in etwa so, wie das auch bei der natürlichen Testosteronproduktion der Fall ist.
Testosteroninjektionen: Testosteroninjektionen werden vom Arzt alle zwei bis drei Wochen in den Gesäßmuskel verabreicht. Bei Injektion kurzfristig wirksamer Testosteronpräparate entstehen so starke Schwankungen des Testosteronspiegels. Eine Alternative sind langfristig wirksame Depot-Präparate, die nur alle 10 bis 14 Wochen gespritzt werden und den Testosteronspiegel weitgehend konstant halten. Diese Präparate sind allerdings beim Auftreten von Nebenwirkungen problematisch, da sich das Testosteron dann nicht schnell absetzen lässt.
In anderen Ländern gibt es auch Testosteronpflaster und Testosteron-Implantate. Diese Darreichungsformen sind zur Zeit in Deutschland nicht erhältlich.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei Testosterontherapie
Während einer Testosterontherapie müssen Sie etwa alle drei Monate zu einem Kontrolltermin, bei dem der Arzt Ihre Prostata untersucht und Blut abnimmt. Die Blutprobe wird im Labor auf den Testosteronspiegel, den Hämatokrit-Wert (ein Maß für die Menge der roten Blutkörperchen) und den PSA-Wert (ein Marker zur Früherkennung von Prostatakrebs) untersucht. Gegebenenfalls muss die Testosterondosis angepasst oder die Therapie abgebrochen werden.
Zeigt die Behandlung keine deutliche Wirkung, wird sie ebenfalls beendet.
Prognose
Ein verringerter Testosteronspiegel könnte Studien zufolge das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöhen. Sicher ist das aber nicht. Da Testosteronmangel oft im Zusammenhang mit anderen die Lebenserwartung verkürzenden Faktoren wie Übergewicht und Diabetes auftritt, ist es schwierig, den Einfluss des verringerten Testosteronspiegels zu isolieren.
Erfolg der Testosteronbehandlung
Bei Männern mit primärem und sekundärem Hypogonadismus beseitigt die Testosteronersatztherapie die Symptome eines Testosteronmangels in der Regel sehr wirksam.
Bei Männern mit funktionellem Hypogonadismus ergeben sich die besten Effekte der Behandlung hinsichtlich eines verbesserten Sexuallebens. Die Wirkung auf psychische und körperliche Symptome ist häufig weniger ausgeprägt.
Risiken der Testosteronbehandlung
Da die Hormonersatztherapie bei Frauen in den Wechseljahren das Risiko von Schlaganfällen, Thrombosen und Brustkrebs erhöht, gab es Befürchtungen, dass auch die Testosteronersatzbehandlung problematisch sein könnte. Kleinere Studien wiesen auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko von Prostatakrebs und Herzinfarkten hin. Größere Untersuchungen konnten diese Befürchtungen aber nicht bestätigen. Jedoch fehlt es noch an Daten zu langfristigen Risiken der Behandlung. Deshalb sollten Risiko und Nutzen der Testosterongabe bei Risikofaktoren wie vergrößerter Prostata oder Herzproblemen gut abgewogen und regelmäßig kontrolliert werden.
Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit
Stand: 18.07.2024
- Europäische Gesellschaft für Urologie: EAU-Leitlinie Männlicher Hypogonadismus (2019)
- S. Diederich: Differenzialdiagnostik und -therapie des männlichen Hypogonadismus. Arzneiverordnung in der Praxis (2021)
- R. Leinmüller: Andrologie: Bauchumfang korreliert mit Testosteronspiegel. Deutsches Ärzteblatt (2006)
- J.M. Hamilton-Reeves et al.: Clinical studies show no effects of soy protein or isoflavones on reproductive hormones in men: results of a meta-analysis. Fertility and Sterility (2010)
- P. Grant, S. Ramasamy: An Update on Plant Derived Anti-Androgens. International Journal of Endocrinology and Metabolism (2012)
- S.V. Pompe et al.: Arzneimittel kontra Kinderwunsch. Pharmazeutische Zeitung (2014)
- B.B. Yeap et al.: In Older Men an Optimal Plasma Testosterone Is Associated With Reduced All-Cause Mortality and Higher Dihydrotestosterone With Reduced Ischemic Heart Disease Mortality, While Estradiol Levels Do Not Predict Mortality. Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism (2014)