Syphilis
Syphilis (auch Lues oder harter Schanker) gilt als die klassische Geschlechtskrankheit. Unbehandelt verläuft die Infektion über vier Stadien, die außer der Haut auch das zentrale Nervensystem schwer schädigen können. Lesen Sie mehr über die Symptome, Ursachen, Therapie und Vorbeugung von Syphilis.
Synonyme
Lues, Lues venerea, harter Schanker, Franzosenkrankheit, Maladie Française
Definition
Syphilis ist eine der bekanntesten sexuell übertragbaren Infektionen. Die Geschlechtskrankheit hat viele Namen. Bekannt sind auch heute noch Lues, Lues venerea, harter Schanker oder Franzosenkrankheit (Maladie Française). Syphilis ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Treponema pallidum übertragen wird und in der Regel durch Antibiotika heilbar ist. Der Nachweis einer aktiven Infektion ist in Deutschland nach Infektionsschutzgesetz ohne Nennung des Namens meldepflichtig.
Syphilis verläuft in vier Stadien. Während die Erkrankung in den Stadien I und II ansteckend ist, nimmt die Infektiosität in den späteren Stadien deutlich ab. Syphilis ist durch Antibiotika, unter anderem Penicillin, heilbar.
Häufigkeit
Syphilis in Deutschland? Die sexuell übertragbare Erkrankung scheint veraltet und hierzulande weitestgehend verschwunden zu sein. Das ist ein großer Trugschluss, wie die Zahlen des Robert Koch Instituts (RKI) belegen. In den letzten Jahren sind die Fallzahlen rasant gestiegen und der Trend scheint sich fortzusetzen. Betroffen sind vor allem homosexuelle Männer in Großstädten.
Die Zahlen vom RKI sind alarmierend. Nach jüngster Auswertung stieg die Zahl an neu gemeldeten Syphilis-Diagnosen 2014 auf den Höchstwert von 5722. Das sind 14% mehr als im Jahr zuvor. Auch im ersten Halbjahr 2015 stieg die Zahl an Neuinfektionen unvermindert an. Rückblickend betrachtet kann der kontinuierliche Aufwärtstrend seit 2010 beobachtet werden. Vor allem homosexuelle Männer erkranken an der Infektionskrankheit. Bei heterosexuell aktiven Männern und Frauen ist hingegen kein Anstieg zu verzeichnen. Nach Angaben des RKI sollen 84% der Syphilis-Neuinfektionen auf den Kontakt zwischen Männern zurückgehen.
Syphilis gehört heutzutage leider nicht mehr zu den Außenseiter-Diagnosen. Vor allem in Großstädten sollte bei homosexuellen Männern mit Grippesymptomen auch die Möglichkeit einer Syphilis in Betracht gezogen werden. Berlin liegt mit seiner ausgeprägten Schwulenszene bei den Fallzahlen der Syphilis-Neuinfektion bundesweit klar vorn. 2014 erkrankten 31 Menschen pro 100.000 Einwohner an Syphilis. Nach der Hauptstadt folgt Hamburg mit 19,7 gemeldeten Neudiagnosen. Schuld daran sind vermutlich die zahlreichen offenen Schwulentreffs, sei es in Pornoclubs, Schwulenbars oder Schwulensaunen. Nach der Erfahrung einiger Mediziner sollen vermehrt Syphilisfälle bei HIV-positiven Männern auftreten. Das sei bis dato aber reine Spekulation – so die Deutsche AIDS-Hilfe. Syphilis ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit. Nach der Entwicklung des Penicillins gingen die Erkrankungszahlen im Verlauf des 20. Jahrhunderts deutlich zurück. Seit Ende der 1990er Jahre steigt die Verbreitung aber wieder deutlich an. 1999 traten weltweit etwa 12 Mio. Neuinfektionen auf, davon über 90 % in Entwicklungsländern. Insbesondere in Osteuropa steigt die Zahl der Krankheitsfälle rasch an, was sich durch Migrationsbewegungen auch in Westeuropa auswirkt. In Deutschland werden etwa 3000 bis 3500 Fälle pro Jahr gemeldet.
In Industrieländern liegen die Schwerpunkte in den Großstädten, insbesondere sind homosexuelle Männer betroffen. Der Anteil der Männer unter den Betroffenen ist von 60 % in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf über 85 % angestiegen. Die Anzahl der Fälle bei Frauen und heterosexuell infizierten Männer blieb hingegen stabil.
Symptome
Unbehandelt verläuft Syphilis (Harter Schanker oder Lues) über vier Stadien, die außer der Haut auch das zentrale Nervensystem schwer schädigen können. Das Erscheinungsbild der Krankheit ist vielfältig. Typisch für das erste Stadium der Syphilis ist ein Beginn mit schmerzlosen Schleimhautgeschwüren und Lymphknotenschwellungen. Bei einem Teil der Infizierten kommt es zu einem chronischen Verlauf, der durch vielfältigen Haut- und Organbefall gekennzeichnet ist. Im Endstadium wird das zentrale Nervensystem zerstört.
Syphilis-Symptome im Primärstadium Lues I
Im Primärstadium von Syphilis (Lues I) erscheint drei bis vier Wochen nach der Ansteckung an der Stelle, an der die Bakterien in die Haut oder Schleimhaut eingedrungen sind, ein schmerzloses oder schmerzarmes Geschwür, dessen Randbereich verhärtet ist. Deshalb wird das Geschwür auch als harter Schanker (Ulcus durum) bezeichnet. Es handelt sich zunächst also um eine Lokalinfektion. Das Geschwür entsteht bei vaginalem Geschlechtsverkehr am Penis, an den Schamlippen oder in der Vagina. Bei Oralverkehr findet man es auch im Mund oder Rachen und bei Analverkehr im Enddarm. Das Geschwür ist gerötet und sondert eine farblose Flüssigkeit ab. Diese enthält viele Erreger, ist also äußerst ansteckend. Eine bis zwei Wochen später schwellen die benachbarten Lymphknoten an. Von diesem Zeitpunkt an kann die Krankheit im Blut nachgewiesen werden. Auch unbehandelt heilen die Geschwüre von selbst nach ca. 4 bis 6 Wochen ab, weshalb Syphilis oft ignoriert oder nicht erkannt wird.
Syphilis-Symptome im Sekundärstadium Lues II
Acht Wochen nach der Ansteckung kommt es im Sekundärstadium von Syphilis oft zu grippeartigen Beschwerden wie Fieber, Abgeschlagenheit sowie Kopf- und Gliederschmerzen und geschwollenen Lymphknoten am ganzen Körper. Die Erkrankung ist nun in ein generalisiertes Stadium, also ein den ganzen Körper betreffendes Stadium, übergegangen.
Als noch keine Antibiotika zur Verfügung standen, galt vor allem das zweite Stadium der Syphilis unter Hautärzten als „Affe unter den Hautkrankheiten“, weil sie wie alle bekannten Arten von Hautausschlägen aussehen konnte. Bei einem klassischen Verlauf erscheint etwa zehn Wochen nach der Infektion ein Hautausschlag (Exanthem). Zunächst sind es nur schwach rosa gefärbte Flecken, die sich in kupferfarbene Knötchen (Papeln) verwandeln. Breite Papeln, die besonders in Hautfalten auftreten, nennt man Condylomata lata. Wenn diese aufgehen und nässen, ist die austretende Flüssigkeit hoch infektiös. Seltener treten im Sekundärstadium auch Mundschleimhautentzündungen und Schleimhautentzündungen an den Genitalien auf. Manchen Patienten fallen die Haare aus.
Hautsymptome vergehen ohne Juckreiz
Alle Hauterscheinungen (Syphilide) heilen nach ungefähr vier Monaten ab, sodass manche Patienten von einer überstandenen Infektion ausgehen. Unbehandelt kommen sie aber innerhalb verschiedener Zeitabstände wieder. Typischerweise tritt bei allen Hauterscheinungen der Syphilis wenig bis kein Juckreiz auf.
Für viele Erkrankte kann die Syphilis zur Ruhe kommen, die Erreger verbleiben jedoch noch im Körper des Betroffenen. So kann sich nach Monaten oder Jahren eine Spätsyphilis entwickeln. Der Infizierte ist weiterhin ansteckend, auch wenn diese Gefahr sinkt, je länger der Patient beschwerdefrei bleibt.
Syphilis-Symptome im Tertiärstadium Lues III
Drei bis fünf Jahre nach der Infektion mit Syphilis sind im Tertiärstadium nicht nur Eintrittspforte, Lymphknoten und Haut befallen. Die Erreger haben sich im ganzen Körper ausgebreitet und auch innere Organe, wie Blutwege, Luftwege, Rachen, Speiseröhre, Magen, Leber, Knochen und Muskeln befallen. Es bilden sich Knoten, die oft gummiartig verhärtet sind (Gummen, in der Einzahl Gumma). Auf der Haut bilden sie mitunter große Geschwüre, die auch Knochen, beispielsweise den Gaumen, durchbrechen können.
Syphilis-Symptome im Quartärstadium Lues IV (Neuro-Lues)
Bei etwa 20 % der Betroffenen treten zehn bis zwanzig Jahre nach Beginn der Erkrankung schwere neurologische Syphilis-Symptome des Quartärstadiums auf. Ein Viertel der unbehandelten Patienten erkranken an chronischer Hirnentzündung (Syphilis cerebrospinalis), die zu Demenz führt. Zuweilen wird auch von einer erheblichen kurzzeitigen Steigerung der kognitiven mentalen Fähigkeiten der Infizierten berichtet.
Die sogenannte Progressive Paralyse des Neuro-Lues äußert sich durch den zunehmenden Abbau der intellektuellen Fähigkeiten, eine Ataxie und Sprachstörungen. Weiter werden das Rückenmark und seine austretenden Nerven so geschädigt, dass die Patienten zunächst Schmerzen haben, im Verlauf Schmerz und Temperatur aber nicht mehr wahrnehmen können (Tabes dorsalis). Das Gehen und die Kontrolle über Blase und Darm sind gestört. Am Ende sind die Patienten gelähmt. Es kann auch zu einer Beteiligung des Sehnerves mit folgender Sehverschlechterung bis zur Erblindung kommen. Weiterhin treten Kreislauf-, Knochen- und Gelenkschäden (Charcot-Gelenke) auf. Dieser Verlauf der Syphilis wird in den westlichen Ländern dank ausreichender Therapie mit Antibiotika nur noch selten beobachtet.
Ursachen
Ursache von Syphilis ist das Bakterium Treponema pallidum. Der einzige Wirt des Erregers ist der Mensch. Treponema pallidum überlebt außerhalb des Körpers nur kurze Zeit. Das Bakterium wird über direkte Kontakte übertragen. Es dringt dabei durch kleinste Verletzungen der vaginalen, oralen oder analen Schleimhaut oder Haut in den Körper ein.
Übertragung von Syphilis beim Sex
Die Syphilis wird hauptsächlich beim Sex durch Schleimhautkontakt und ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen (STD, sexual transmitted disease). Auch eine Übertragung der Syphilis beim Oralverkehr ist möglich. Während der Schwangerschaft und bei der Geburt kann eine erkrankte Mutter die Infektion auf ihr Kind übertragen (Syphilis connata).
Angeborene Syphilis (Lues connata)
Bei der angeborenen Syphilis infizieren die Bakterien das ungeborene Kind (Fötus) schon im Mutterleib. Die Syphilis-Erreger können etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche durch den Mutterkuchen (Plazenta) auf das Kind übertragen werden. Als Folge hiervon kann es entweder zur Fehl- oder Frühgeburt kommen, oder aber das Kind wird mit einer angeborenen Syphilis, der Lues connata geboren.
Untersuchung
Bei Verdacht auf Syphilis muss zunächst der Syphilis-Erreger nachgewiesen werden. Dieser Nachweis kann entweder aus den Sekreten der Hautausschläge, aus dem Hirnwasser (Liquor cerebrospinalis) oder auch aus dem Blut erfolgen. Zudem gibt es den Nachweis von Antikörpern. Ein bekannter Test dafür ist der TPHA (Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Assay), für den Blutserum untersucht wird. Der TPHA-Test ist jedoch erst frühesten vier bis sechs Wochen nach der Infektion positiv – nämlich dann, wenn der Körper Antikörper gebildet hat.
Behandlung
Auch nach 60 Jahren im Einsatz wirken die Antibiotika aus der Wirkstoffgruppe der Penicilline immer noch gut gegen den Syphilis-Erreger Treponema pallidum. Daher sind Penicilline, vor allem Penicillin G, das erste Mittel der Wahl zu Behandlung der Syphilis in allen Krankheitsstadien.
Da sich die Syphilis-Erreger nur langsam vermehren und Penicillin nur im Vermehrungsstadium die Bakterien abtöten kann, ist eine Behandlungsdauer von mindestens 10 bis 14 Tagen notwendig. In späten Stadien und bei Neuro-Lues sind 14 bis 21 Tage die Regel. Im Primär- und Sekundärstadium ist alternativ auch eine einmalige hochdosierte Penicillin-Injektion möglich, die dann in der Regel in den Muskel gespritzt wird.
Normalerweise steht der Penicillin-Therapie auch in der Schwangerschaft und bei HIV-Infektionen nichts entgegen.
Alternativen zur Penicillin-Therapie
Kann bei einem Patienten Penicillin nicht eingesetzt werden, beispielsweise wegen einer Allergie gegen diese Wirkstoffgruppe, stehen alternativ weitere Antibiotika-Gruppen wie Tetrazykline, Cephalosporine oder Makrolide zur Verfügung.
Syphilis-Therapie kontrollieren
Der Therapieerfolg muss regelmäßig überprüft werden - nicht zuletzt, um dem Patienten die Gewissheit zu geben, dass er nicht mehr ansteckend ist. Funktioniert die Behandlung der Syphilis, sind immer weniger Antikörper gegen den Erreger im Blut mittels TPHA-Test nachweisbar. Therapiekontrollen sollten nach Ende der Behandlung vierteljährlich, später jährlich erfolgen.
Vorbeugung
Kondome beim Geschlechtsverkehr verringern die Übertragungswahrscheinlichkeit der Syphilis und anderer Geschlechtskrankheiten wesentlich. Besonders Menschen, die Sex mit wechselnden Partnern haben, sollten regelmäßig ihr Blut auf Syphilis-Erreger untersuchen lassen, da in Deutschland die Anzahl der Syphilisfälle seit dem Jahr 2004 deutlich ansteigt.
Autor: Charly Kahle, Mitarbei: Angelika Ramm-Fischer (Ärztin)
Stand: 01.03.2013