Steißbeinschmerzen

Steißbeinschmerzen können das Sitzen sehr unangenehm oder sogar fast unmöglich machen. Häufig sind Verletzungen des Steißbeins für die Schmerzen verantwortlich. Mitunter lässt sich aber auch keine im Röntgenbild sichtbare Ursache diagnostizieren. Was hilft gegen Steißbeinschmerzen? Ist eine chirurgische Behandlung sinnvoll? Wie lange halten die Schmerzen an? Die Antworten auf diese und weitere Fragen lesen Sie hier.

Synonyme

Steißbeinneuralgie, Tiefe Rückenschmerzen, Coccygodynie, Kokzygodynie

Definition: Was sind Steißbeinschmerzen?

Steissbeinschmerzen

Steißbeinschmerzen (medizinisch Kokzygodynie) sind Schmerzen im Bereich des Steißbeins, die unter anderem beim Sitzen auftreten. Ärzte unterscheiden Steißbeinschmerzen ohne eindeutig erkennbare Ursache (idiopathisch) von verletzungsbedingten (traumatischen) Steißbeinschmerzen.

Was ist das Steißbein?

Das Steißbein (griechisch Kokkyx) ist der unterste Wirbelsäulenabschnitt. Der längliche, nach unten zugespitzte Knochen besteht aus drei bis fünf miteinander verwachsenen Wirbeln und ist durch ein Gelenk mit dem darüber liegenden Kreuzbein beweglich verbunden. Das Steißbein ist ein evolutionäres Überbleibsel der bei Wirbeltieren vorhandenen Schwanzwirbel und dient als Ansatzpunkt für Sehnen, Bänder und Muskeln der Hüftgelenke und des Beckenbodens. Das Steißbein ist von einer dünnen, schmerzempfindlichen Knochenhaut umgeben (Periost).

Steißbeinschmerzen im Überblick

Symptome: Steißbeinschmerzen sind ziehende oder stechende Schmerzen im Bereich des Steißbeins, die sich vor allem beim Sitzen, Hinsetzen oder Aufstehen, beim Stuhlgang und beim Geschlechtsverkehr verstärken.

Ursachen: Steißbeinschmerzen können durch einen Bruch des Steißbeins oder eine Verrenkung (Luxation) des Steißbein-Kreuzbein-Gelenks ausgelöst werden. Die Schmerzen stehen häufig im Zusammenhang mit Entzündungen der Knochenhaut oder Wirbelsäulenerkrankungen wie Morbus Bechterew, auch eine Steißbeinfistel kann die Schmerzen auslösen. Mitunter lässt sich auch keine eindeutige Ursache für die Beschwerden finden (idiopathische Steißbeinschmerzen).

Behandlung: Steißbeinschmerzen lassen sich sehr oft erfolgreich durch eine konservative Therapie heilen oder lindern. Ergonomische Sitzkissen sowie manuelle und physikalische Therapien erweisen sich häufig als ausreichend. Schmerzlindernde Medikamente in Form von Tabletten, Injektionen oder Infiltrationen sind eine weitere Option. Bringt die konservative Behandlung langfristig keine Besserung, kann es sinnvoll sein, das Steißbein chirurgisch entfernen zu lassen.

Prognose: Bei akuten Fehlbelastungen vergehen Steißbeinschmerzen oft sehr schnell, wenn der auslösende Reiz nicht mehr gegeben ist (Sitzen auf harten Stühlen beispielsweise). Bei anderen Ursachen verschwinden Steißbeinschmerzen in der Regel innerhalb einiger Wochen oder Monate. Nur selten werden die Schmerzen chronisch.

Was ist eine Steißbeinfistel?

Eine Steißbeinfistel ist eine krankhafte Veränderung des Gewebes im Bereich der Gesäßfalte (Pofalte). Wie alle Fisteln bestehen Steißbeinfisteln aus einem netzartigen Geflecht von Röhren oder Gängen. In gesundem Gewebe gibt es keine Fisteln. Sie bilden sich meist durch Erkrankungen oder Verletzungen. Im Fall der Steißbeinfistel wachsen meist Haare in die Haut der Pofalte ein und verursachen dabei einen entzündlichen Prozess. Ausführliche Informationen im Beitrag Steißbeinfisteln

Häufigkeit: Wie häufig sind Steißbeinschmerzen?

Anhaltende Steißbeinschmerzen treten selten auf. Die genaue Häufigkeit ist jedoch nicht bekannt. Aufgrund der Belastung des Steißbeins bei Schwangerschaften und Entbindungen sind Frauen jedoch etwa fünfmal häufiger betroffen als Männer.

Steißbeinschmerzen: Symptome

Typische Symptome von Steißbeinschmerzen sind ziehende, stechende oder brennende Schmerzen im Bereich des Steißbeins, die kurz, Tage, Wochen oder Monate anhalten können. Situationen, in denen Steißbeinschmerzen insbesondere auftreten oder sich verstärken, sind:

  • Langes Sitzen
  • Nach hinten gelehntes Sitzen
  • Hinsetzen oder Aufstehen
  • Treppensteigen
  • Langes Stehen
  • Radfahren
  • Beim Stuhlgang
  • Beim Geschlechtsverkehr

Die Schmerzen können in den Anus, ins Becken sowie in die Lenden und Hüften ausstrahlen.

Ursachen: Was verursacht Steißbeinschmerzen?

Ursachen traumatischer Steißbeinschmerzen

Die häufigste Ursache von Steißbeinschmerzen sind Verletzungen des Steißbeins. Brüche, Prellungen oder Verrenkungen des Steißbeins entstehen unter anderem durch:

  • Stürze oder Schläge auf das Gesäß
  • Entbindungen (häufiger bei komplizierten Entbindungen, bei denen eine Geburtszange oder Saugglocke zum Einsatz gekommen ist)
  • Wiederholtes oder langes Sitzen auf harten, schmalen Oberflächen (beispielsweise auf einem Fahrradsattel oder einer Ruderbank)

Verletzungen des Steißbeins sind in der Regel durch bildgebende Verfahren wie Röntgenbild oder Magnetresonanztomografie (MRT) nachweisbar.

Ursachen idiopathischer Steißbeinschmerzen

Sind mit einem bildgebenden Verfahren keine Verletzungen des Steißbeins erkennbar, sprechen Ärzte von idiopathischer Kokzygodynie. Auch hier gibt es eine Reihe möglicher Ursachen. Dazu gehören:

  • Angeborene Formabweichungen oder abnorme Beweglichkeit des Steißbeins
  • Entzündungen der Knochenhaut infolge bakterieller Infektionen
  • Verspannungen von Muskeln infolge von Fehlbelastungen oder längere Zeit zurückliegender Verletzungen
  • Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, insbesondere Morbus Bechterew
  • Knochentumoren (Chordome) am Steißbein
  • Depressionen und psychosomatische Störungen

Steißbeinschmerzen: Diagnose und Untersuchungen

Um Steißbeinschmerzen zu diagnostizieren, suchen Mediziner bei einer Tastuntersuchung nach dem Ausgangspunkt der Schmerzen. Dazu kann auch eine rektale manuelle Untersuchung des Steißbeins vom Mastdarm aus gehören. Die Suche nach dem Ursprungsort der Schmerzen ist auch deshalb wichtig, weil Steißbeinschmerzen Symptom anderer Erkrankungen sein kann. Dazu zählen beispielsweise gynäkologische Erkrankungen wie Endometriose oder urologische Krankheitsbilder wie Prostatakrebs sowie Erkrankungen des Enddarms und des Afters (Analabszess).

Um die Diagnose zu sichern, wird in der Regel ein Röntgenbild von Steißbein, Kreuzbein und Becken erstellt. Noch detailliertere Informationen liefern Magnetresonanztomografien (MRT) oder Computertomogramme (CT).

Wie aussagekräftig sind bildgebende Verfahren bei Steißbeinschmerzen?

Bei Rücken- und Wirbelsäulenbeschwerden gibt es oft keinen klaren Zusammenhang vom Ausmaß sichtbarer Schäden oder Veränderungen und Stärke der Schmerzen: Menschen mit im Röntgenbild deutlich sichtbaren Veränderungen können schmerzfrei sein. Andererseits haben Menschen nicht selten starke Schmerzen, ohne dass auf den Bildern eine Ursache erkennbar wäre. Dieses Phänomen ist auch aus der Behandlung von Rückenbeschwerden wie beispielsweise Bandscheibenvorfällen bekannt.

Behandlung: Was tun, wenn das Steißbein weh tut?

Welcher Arzt bei Steißbeinschmerzen?

Steißbeinschmerzen können chronisch werden. Um das zu vermeiden, sollten Sie rechtzeitig ärztliche Hilfe suchen. Erste Ansprechpartner sind Hausärzte, die gegebenenfalls an Spezialisten (Orthopäden) überweisen. Gut aufgehoben sind Sie auch bei Fachärzten für physikalische Medizin sowie bei Spezialisten für Osteopathie oder manuelle Medizin.

Wie werden Steißbeinschmerzen behandelt?

Bei Steißbeinschmerzen raten Ärzte in der Regel, normale Aktivitäten nach Möglichkeit fortzuführen, dabei aber das Steißbein zu schonen (zum Beispiel durch spezielle Sitzkissen). Auch ein Bruch des Steißbeins wird nicht speziell therapiert, sondern heilt von alleine aus. Zwei bis drei Tage Bettruhe können hier sinnvoll sein; längeres Liegen wird nicht empfohlen.

Folgende Behandlungsmethoden dienen der Schmerzlinderung bei akuten Steißbeinschmerzen:

  • Nichtsteroidale Antirheumatika (z.B. Ibuprofen oder Diclofenac) in Form von Tabletten oder lokal anzuwendenden Salben und Gels
  • Treten, meist verstopfungsbedingte (Obstipation), Schmerzen beim Stuhlgang auf, können eine geeignete ballaststoffreiche Ernährung, viel Flüssigkeit und gegebenenfalls auch Abführmittel den Stuhl weicher machen und die Beschwerden lindern.

Halten die Beschwerden länger an, stehen weitere Verfahren zur Verfügung:

  • Injektion von Lokalanästhetika und Kortison in den schmerzenden Bereich
  • Radiofrequenztherapie: Verödung lokaler schmerzempfindlicher Nerven durch Radiowellen

Weiterhin gibt es ein Spektrum physikalischer Behandlungen. Dazu gehören:

  • Bäder und Packungen
  • Wärme- und Kälteanwendungen
  • Akupunktur
  • Manuelle Therapie
  • Massagen
  • Heilgymnastische Übungen (z.B. Beckenbodentraining) und Haltungstraining
  • Biofeedbacktherapie bei Verspannungen der Beckenbodenmuskulatur
  • Elektrotherapie

Mitunter haben Steißbeinschmerzen psychosomatische Ursachen und sind beispielsweise durch eine verdeckte Depression ausgelöst. In solchen Fällen sind Psychotherapie und die medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva sinnvolle Behandlungsmöglichkeiten.

Welche Position entlastet das Steißbein?

Beim Sitzen empfehlen Ärzte zur Druckentlastung in der Regel ein ringförmiges, U-förmiges oder im Steißbeinbereich keilförmig ausgeschnittenes ergonomisches Sitzkissen. Ergonomisch geformte Stühle oder Hocker sind harten, geraden Sitzoberflächen vorzuziehen. Beim Sitzen sollten Sie zudem öfter die Position wechseln oder es mit dem Arbeiten an einem Stehpult versuchen.

Schlafen Sie bevorzugt auf der Seite: So wird das Steißbein weniger belastet als in Rückenlage.

Operation bei Steißbeinschmerzen: Was ist Kokzygektomie?

Wenn alle konservativen Behandlungsmethoden über längere Zeit erfolglos bleiben, kann eine Operation in Betracht kommen. Dabei wird das Steißbein oder ein Teil davon chirurgisch entfernt. Mediziner bezeichnen diesen Eingriff als Kokzygektomie.

Steißbeinschmerzen: Prognose

Die Prognose für Steißbeinschmerzen ist in aller Regel sehr gut. Die meisten Betroffenen werden mit konservativen Behandlungsmaßnahmen früher oder später schmerzfrei. Manchmal allerdings bleibt die Behandlung erfolglos - und die Steißbeinschmerzen werden chronisch.

Wie lange dauert es, bis ein Steißbeinbruch geheilt ist?

Sehr feine Steißbeinbrüche (Haarriss-Frakturen) heilen in der Regel innerhalb von etwa drei Wochen aus. Bei komplizierteren Brüchen beträgt die Heilungsphase nicht selten drei bis vier Monate. Die Schmerzen halten mitunter noch an, wenn der Steißbeinknochen längst verheilt ist.

Prognose nach chirurgischer Behandlung

Die partielle oder vollständige Amputation des Steißbeins (Kokzygektomie) hat eine mittlere Erfolgsrate von etwa 84 Prozent. Etwa 16 Prozent der operierten Patienten erreichen durch die Operation keine anhaltende Schmerzfreiheit.

Komplikationen bei Kokzygektomie: Aufgrund der hygienischen Besonderheiten im Analbereich kommt es relativ häufig zu Infektionen der Operationswunde: Das ist bei im Mittel etwa 10 Prozent der Patienten der Fall. In der Regel lassen sich diese Infektionen mit Antibiotika jedoch gut unter Kontrolle bringen.

Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)

Stand: 27.07.2024

Quelle:
  1. Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie: Leitlinie Kokzygodynie (2002)
  2. E.M. Uher: Diagnose und Therapie von Coccygodynie. Ärzte Exklusiv
  3. A. Mabrouk et al. : Coccyx Pain. StatPearls [Internet] (2023)
  4. H.D Kwon et al.: Coccygodynia and Coccygectomy. Korean Journal of Spine (2012)
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