Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)
Herzklopfen, Zittern und Schlaflosigkeit sind drei typische Symptome von Schilddrüsenüberfunktion. Die Unruhe kann so weit gehen, dass das Herz Schaden nimmt. Überdies kann in seltenen Fällen der Stoffwechsel lebensgefährlich entgleisen. Lesen Sie mehr über die Symptome, Ursachen, Therapie und Vorbeugung von Schilddrüsenüberfunktion.
Synonyme
Hyperthyreose
Definition von Schilddrüsenüberfunktion
Die Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) ist eine häufige Fehlfunktion, bei der die Schilddrüse zu viel Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) ausschüttet. Diese beiden Schilddrüsenhormone steigern die Aktivität des Stoffwechsels. Dadurch läuft der Organismus auf Hochtouren, ohne tatsächlich belastet zu sein. Die Patienten erleben Schilddrüsenüberfunktion vordergründig vor allem durch Unruhe, Zittern, Herzklopfen oder Schlaflosigkeit.
Das Krankheitsbild bei Schilddrüsenüberfunktion ist das Gegenbild zur Schilddrüsenunterfunktion. Gemeinsam ist beiden Erkrankungen, dass sie mit einem Kropf (Struma) einhergehen können, aber nicht müssen.
Hervortretende Augäpfel: Basedow-Krankheit (Morbus Basedow)
Eine bestimmte Form der Schilddrüsenüberfunktion ist die autoimmune Hyperthyreose vom Typ Morbus Basedow. Basedow geht insbesondere einher mit Kropfbildung, schnellem Puls und einem charakteristischen Hervortreten der Augäpfel. Hinzu kommen Einschränkungen der Augenbeweglichkeit und der Sehfunktion (häufiges Sehen von Doppelbildern). Zudem sind Lichtscheue, vermehrter Tränenfluss, ein Druck- oder Fremdkörpergefühl sowie eine gerötete Augenbindehaut typisch. Des Weiteren ist bei vielen Betroffenen die Haut am Unterschenkel teigig geschwollen. Die Basedow-Krankheit betrifft Frauen wesentlich häufiger als Männer und tritt oft in den Wechseljahren, der Pubertät oder während einer Schwangerschaft auf.
Häufigkeit
Immunhyperthyreosen sind vor allem bei Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr weitverbreitet. Sie erkranken etwa 5 Mal häufiger als Männer. Schilddrüsenüberfunktionen vom Autoimmun-Typ machen etwa 40 Prozent der Erkrankungsfälle aus.
Schilddrüsenüberfunktion: Symptome
Die Symptome der Schilddrüsenüberfunktion werden von vielen Patienten als sehr unangenehm und belastend empfunden. Da der Stoffwechsel durch den hohen Ausstoß an Schilddrüsenhormonen immer wieder angekurbelt wird, erhöhen sich beispielsweise die Körpertemperatur und Herzfrequenz. Herzklopfen, Reizbarkeit, Nervosität, Unrast, Schlaflosigkeit, Schlafstörungen, Schwitzen, Zittern, Muskelschwäche, Durchfall und gesteigerter Appetit ohne Gewichtszunahme sind einige der Folgen. Weiterhin sind trockene Haut und Schweißausbrüche typische Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion. Wärme wird nur sehr schlecht vertragen, kalte Örtlichkeiten bevorzugt. Viele Betroffene leiden zudem an Haarausfall und brüchigen Nägeln. Mitunter treten Zyklusstörungen, sexuelle Unlust oder Potenzstörungen auf.
Bei längerer Dauer der Schilddrüsenüberfunktion kann der Herzmuskel Schaden nehmen und es kommt zu einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz).
Schilddrüsenüberfunktion bei Kindern und Jugendlichen verursacht in der Regel gesteigertes Wachstum.
Schilddrüsenschwellung – der Kropf
Schluckbeschwerden und Heiserkeit sind typische Symptome einer Schilddrüsenschwellung, die in der Umgangssprache als Kropf bezeichnet wird. Werden Kragen von Pullovern oder Blusen/Hemden als immer enger empfunden, könnte das auf eine Schilddrüsenschwellung und damit auf eine Schilddrüsenüberfunktion hinweisen. Sichtbare Schwellungen am Hals und vergrößerte Schilddrüsenlymphknoten sprechen ebenfalls für eine Schilddrüsenerkrankung und sollten ärztlich untersucht werden.
Komplikationen: thyreotoxische Krise
Eine gefürchtete Komplikation von Schilddrüsenüberfunktion ist die thyreotoxische Krise, bei der sich die Schilddrüsenaktivität lebensbedrohlich erhöht. Betroffene bekommen Fieber und sind sehr schwach. Schlimmstenfalls drohen Bewusstseinsverlust (Koma) sowie Herz- und Leberschäden. Ohne schnelle medizinische Hilfe besteht akute Lebensgefahr.
Ursachen von Schilddrüsenüberfunktion
Schilddrüsenüberfunktionen werden vor allem durch eine bislang nicht erklärbare Autoimmunreaktion oder durch sogenannte autonome Zellen verursacht.
Schilddrüsenwachstum durch autonome Zellen
Bei einem lang anhaltenden Jodmangel kann sich eine bestimmte Art von Schilddrüsenzellen immer weiter vermehren. Diese Zellen reagieren nicht mehr auf den natürlichen Regelmechanismus für die Produktion der Schilddrüsenhormone. Deshalb werden sie als autonome Zellen bezeichnet. Bei anhaltendem Jodmangel bilden die autonomen Zellen Knoten in und auf der Schilddrüse, die unkontrolliert Schilddrüsenhormone ausschütten.
Diese Form der autonomen Schilddrüsenüberfunktion ist vor allem bei Menschen ab dem 50. Lebensjahr verbreitet. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der autonomen Hyperthyreosen deutlich an.
Autoimmunerkrankungen wie Morbus Basedow
Oft wird eine Schilddrüsenüberfunktion durch sogenannte autoimmune Prozesse verursacht. Dabei produziert das körpereigene Abwehrsystem aus bislang ungeklärter Ursache Stoffe (Antikörper), wodurch die Schilddrüse zum Wachstum (Schwellung bis zur Kropfbildung) und zur Hormonproduktion angeregt wird. Am häufigsten ist Morbus Basedow (auch Basedowsche Krankheit).
Ursachen der thyreotoxischen Krise
In der Regel wird eine thyreotoxische Krise durch eine übermäßige Jodzufuhr verursacht. Am häufigsten sind jodhaltige Medikamente und Kontrastmittel Auslöser dieser Stoffwechselentgleisung. Durch den Verzehr jodhaltiger Nahrungsmittel besteht üblicherweise keine Gefahr.
Mitunter können auch Verletzungen, Operationen und Infektionen eine thyreotoxische Krise auslösen. Auch bei schlecht eingestelltem Diabetes, in der Schwangerschaft, in den Wehen sowie in Stresssituationen besteht die Gefahr dieser Stoffwechselentgleisung. Werden Schilddrüsenmedikamente eigenmächtig und in Selbstregie abgesetzt, kann als Gegenregulation ebenfalls eine thyreotoxische Krise entstehen.
In seltenen Fällen kann sich die Schilddrüse, beispielsweise durch eine Infektion mit Viren oder Bakterien oder infolge autoimmunologischer Prozesse, entzünden und eine Schilddrüsenüberfunktion auslösen.
Untersuchung
Häufigstes Instrument bei der Diagnose von Schilddrüsenüberfunktion ist die Bestimmung der Schilddrüsenhormonkonzentration im Blut. Außerdem betrachtet man in der Regel die Schilddrüse durch eine Untersuchung mit Ultraschall oder durch eine sogenannte Szintigrafie. Dabei werden schwach radioaktive Substanzen verabreicht und anschließend mithilfe besonderer bildgebender Verfahren in einem Szintigramm dargestellt.
Schilddrüsenüberfunktion: Behandlung
Medikamentöse Behandlung von Schilddrüsenüberfunktion
In der Therapie von Schilddrüsenüberfunktion werden vor allem Thyreostatika eingesetzt. Das sind Medikamente, die die Produktion von Schilddrüsenhormonen bremsen. Typische Wirkstoffe sind beispielsweise Carbimazol, Thiamazol und Natriumperchlorat.
Neue Anwendungseinschränkungen für Carbimazol und Thiamazol: Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat im Februar 2019 einen Rote-Hand-Brief zu Medikamenten mit Carbimazol und Thiamazol veröffentlicht. Demnach verursachen die Wirkstoffe mitunter Bauchspeicheldrüsenentzündungen (akute Pankreatitis). Für diesen Fall müssen Carbimazol und Thiamazol laut AkdÄ umgehend abgesetzt werden. Für Patientinnen und Patienten mit Bauchspeicheldrüsenentzündungen in der Vorgeschichte dürfen die Wirkstoffe nicht mehr verordnet werden.
Carbimazol und Thiamazol in der Schwangerschaft: Gleichzeitig wurden die Warnhinweise für die Verwendung von Carbimazol und Thiamazol bei schwangeren Frauen verschärft. Demnach stehen insbesondere hohe Dosierungen der Wirkstoffe während des ersten Schwangerschaftsdrittels im Verdacht, Fehlbildungen des Kindes zu verursachen. Daher sollten Frauen im gebärfähigen Alter unbedingt verhüten, wenn Sie Carbimazol oder Thiamazol einnehmen. Zudem dürfen die Wirkstoffe in der Schwangerschaft nur nach strenger individueller Nutzen-Risiko-Bewertung und in der niedrigsten wirksamen Dosis ohne zusätzliche Verabreichung von Schilddrüsenhormonen angewendet werden.
Radiojodtherapie bei Schilddrüsenüberfunktion
Eine weitere Behandlungsmethode bei Schilddrüsenüberfunktion ist die sogenannte Radiojodtherapie (RJT). Dabei wird radioaktives Jod in Kapselform oder als wässrige Lösung geschluckt (selten auch injiziert). Das Jod gelangt über den Verdauungstrakt ins Blut und von dort zur Schilddrüse, in der es gespeichert wird. Durch die nun leicht radioaktive Bestrahlung der Schilddrüsenzellen wird Schilddrüsengewebe zerstört und die Schilddrüsenfunktion herabgesetzt. Eine Radiojodtherapie erfolgt ausschließlich stationär, also in einer Klinik.
Operative Entfernung der Schilddrüse
In seltenen Fällen ist eine operative Behandlung bei Schilddrüsenüberfunktion notwendig. In der Regel wird dann ein Teil der Schilddrüse, selten auch die ganze Schilddrüse, entfernt. In der Folge reguliert sich die Hormonproduktion meistens auf Normalniveau. Eine eventuelle Unterdosierung wird billigend in Kauf genommen. Nach einer Operation müssen Betroffene oft Schilddrüsenhormone und Jodid einnehmen.
Medikamentöse Therapie von Schilddrüsenentzündungen
Bei Schilddrüsenentzündungen werden Antibiotika (oft Breitbandantibiotika) und/oder entzündungshemmende Medikamente (zum Beispiel Glukokortikoide) verschrieben.
Selbsthilfe bei Schilddrüsenüberfunktion
Eine effektive Selbsthilfe bei Schilddrüsenüberfunktion besteht zunächst darin, die vom Arzt verordneten Medikamente einzunehmen und regelmäßige Kontrollbesuche wahrzunehmen. Außerdem ist es hilfreich, wenn Sie nicht unnötigerweise Jod zu sich nehmen, da Jod Bestandteil der Schilddrüsenhormone ist. Jod ist beispielsweise in Meeresfisch enthalten, aber auch in einigen Desinfektionsmitteln. Auch das Schwimmen in jodhaltigem Wasser sollten Sie daher vermeiden.
Ausgedehnte Sonnenbäder und Saunabesuche sind nicht empfehlenswert, weil durch Wärme die Beschwerden in der Regel verschlimmert werden. Die meisten Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion meiden aber von sich aus Wärme und ziehen kalte Örtlichkeiten vor.
Gegen Unruhe und Nervosität oder Schlafstörungen helfen Entspannungsübungen wie Meditationen und Autogenes Training. In Absprache mit dem behandelnden Arzt können auch leichte pflanzliche Beruhigungsmittel auf Basis von Baldrian, Hopfen, Melisse oder Passionsblumenkraut eingenommen werden.
Schilddrüsenüberfunktion: Prognose
Abhängig von der Ursache kann die Schilddrüsenüberfunktion in etwa der Hälfte der Fälle binnen eines Jahres mit medikamentöser Behandlung geheilt werden.
Schilddrüsenüberfunktion: Vorbeugung
Eine Vorbeugung von Schilddrüsenüberfunktion ist nach gegenwärtigem Forschungsstand nicht möglich. Um einer lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisung (thyreotoxische Krise) vorzubeugen, sollten Sie dem Arzt und medizinischem Personal vor diagnostischen Untersuchungen ihre Kontrastmitteln mitteilen, wenn Sie an einer Schilddrüsenüberfunktion leiden.
Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur)
Stand: 14.11.2022