PIMS – Pädiatrisches Hyperinflammationssyndrom

PIMS-Syndrom – was ist das? Wie häufig tritt die neuartige Folgeerkrankung einer Corona-Infektion bei Kindern und Jugendlichen auf? In welchem Alter ist das Risiko für PIMS am höchsten? Wie gefährlich ist die Erkrankung – und wie wird sie behandelt? Die Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema PIMS finden Sie hier.

Synonyme

Pediatric inflammatory multisystem syndrome, Multisystem inflammatory syndrome in children (MIS-C), Pädiatrisches Hyperinflammationssyndrom, Multisystemisches Entzündungssyndrom

PIMS: Pädiatrisches Hyperinflammationssyndrom im Überblick

PIMS

Definition: Als PIMS oder auch MIS-C bezeichnen Ärzte eine seltene schwere Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen, die 2020 im Rahmen der COVID-19-19-Pandemie erstmalig beschrieben wurde. PIMS ist die Abkürzung für Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (Multisystemisches Entzündungssyndrom bei Kindern). MIS-C hat die gleiche Bedeutung und steht für Multisystem Inflammatory Syndrome in Children. Die Erkrankung tritt in den Wochen nach einer COVID-19-Infektion auf.

Symptome: PIMS führt zu anhaltend hohem Fieber und ausgeprägten Entzündungssymptomen. Die am häufigsten betroffenen Organe sind der Magen-Darm-Trakt, das Herz-Kreislaufsystem sowie Haut und Schleimhäute. Typische PIMS-Symptome sind unter anderem Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Kreislaufprobleme, Lymphknotenschwellungen und Hautausschläge. Häufig ist eine intensivmedizinische Versorgung der erkrankten Kinder notwendig.

Ursache: Das PIMS-Syndrom wird durch eine unangemessen heftige (überschießende) Immunantwort verursacht, bei der die Abwehrreaktionen des Immunsystems körpereigenes Gewebe schädigen. Wie genau es zu dieser Entzündungsreaktion kommt und welche Rolle die COVID-19-Infektion dabei spielt, ist noch nicht genau bekannt.

Behandlung: PIMS wird mit Medikamenten behandelt, die die überschießende Reaktion der Immunabwehr dämpfen. Dazu gehören Immunglobuline, Acetylsalicylsäure, Kortison und andere Glukokortikoide sowie sogenannte Biologika. Darüber hinaus erfolgt eine unterstützende Behandlung der Symptome, beispielsweise durch intravenöse Flüssigkeitsgabe, Sauerstoff-Therapie und herzunterstützende Medikamente.

Prognose: Die meisten Kinder und Jugendlichen erholen sich vollständig von einer PIMS-Erkrankung. Folgeschäden sind selten. Todesfälle wegen PIMS wurden laut der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) bislang in Deutschland nicht gemeldet.

Häufigkeit

PIMS ist eine seltene Erkrankung. Mediziner schätzen, dass pro 1.000 bis 4.000 Corona-Infektionen ein Fall von PIMS auftritt. Von Anfang 2020 bis Oktober 2022 wurden an den PIMS-Survey der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie rund 900 PIMS-Fälle gemeldet. Am Survey nehmen jedoch nicht alle deutschen Krankenhäuser teil. Daher dürfte die tatsächliche Zahl etwas höher liegen.

Die an PIMS erkrankten Kinder und Jugendlichen waren zwischen ein und 17 Jahren alt. Das mittlere Erkrankungsalter lag ungefähr bei 7 Jahren. Jungen sind knapp doppelt so häufig betroffen wie Mädchen.

Gibt es das PIMS-Syndrom auch bei Erwachsenen?

Die medizinische Fachliteratur meldet vereinzelte Fälle eines dem PIMS-Syndrom vergleichbaren multisystemischen Entzündungssyndroms bei Erwachsenen. Die Erkrankung wird MIS-A (multisystem inflammatory syndrome in adults) genannt.

PIMS-Syndrom: Symptome

Die Symptome des PIMS-Syndroms beginnen im Mittel vier bis sechs Wochen nach einer meist mit nur milden Symptomen oder symptomfrei durchgemachten COVID-19-Infektion.

Die Erkrankung kann verschiedene Organe betreffen und daher auch zu einer Vielzahl von Symptomen führen. Am häufigsten sind Magen und Darm, Herz und Kreislauf sowie Haut und Schleimhäute betroffen. Etwas seltener sind Symptome in Lunge und oberen Atemwegen, blutbildendem System und Nervensystem. In etwa einem von fünf PIMS-Fällen sind Nieren oder Leber beteiligt.

In allen Fällen tritt anhaltendes hohes Fieber auf. Dazu kommen – je nach Organbeteiligung – einige oder mehrere der folgenden Symptome:

  • Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum (Aszites)
  • Niedriger Blutdruck (Hypotonie), Herzrhythmusstörungen (Extrasystolen), Herzrasen, (Tachykardie), kardiogener Schock, Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel (Perikarderguss)
  • Husten, Halsschmerzen, Luftnot, zu geringe Sauerstoffsättigung des Blutes, Lungenentzündung (Pneumonie), Flüssigkeitsansammlung in der Brusthöhle (Pleuraerguss)
  • Hautausschläge (Ekzeme)
  • Bindehautentzündung (Konjunktivitis)
  • Kopfschmerzen, Nackenschmerzen oder -steife, Sehstörungen
  • Verstärkte Gerinnungsneigung des Bluts
  • Vorübergehendes akutes Nierenversagen (akute Niereninsuffizienz)
  • Muskelschmerzen

Überschießende Entzündungsreaktionen (Hyperinflammationssyndrome) waren bereits vor COVID-19 bekannt. Die Symptome von PIMS ähneln dem Kawasaki-Syndrom. Diese Erkrankung betrifft allerdings überwiegend Kleinkinder.

PIMS-Syndrom: Ursachen

Das pädiatrische Hyperinflammationssyndrom tritt in engem zeitlichen Zusammenhang mit COVID-19-Infektionen auf. Wie genau die Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus die spätere PIMS-Erkrankung verursacht, ist nicht bekannt.

Zytokinsturm und PIMS

Eine Hypothese ist, dass PIMS einer verzögerten Variante des sogenannten Zytokinsturms entspricht, der bei schweren COVID-19-Verläufen auftritt: Bei einem Zytokin-Sturm kommt es zur überschießenden Bildung entzündungsfördernder Botenstoffe (Zytokine). Das bewirkt, dass die Entzündungsreaktion auch nach der Eliminierung des auslösenden Erregers nicht abklingt. Stattdessen schreitet die Entzündung im schlechtesten Fall immer weiter fort und schädigt den Organismus schwer. Bei besonders schweren Verläufen endet der Zytokinsturm oft mit Multiorganversagen, Schock und Tod.

Möglicherweise wird PIMS auch durch eine genetische Veranlagung begünstigt, die das Entstehen eines Zytokin-Sturms nach einer COVID-19-Infektion bei bestimmten Menschen wahrscheinlicher machen könnte.

Untersuchung: Diagnose von PIMS

Die Diagnose von PIMS wird gestellt, wenn bei Kindern oder Jugendlichen Symptome eines Hyperinflammationssyndroms auftreten, positiv auf COVID-19 getestet werden oder Antikörper gegen das SARS-CoV-2-Virus im Blut haben. Zur Diagnostik gehören:

  • COVID-19-Schnelltest, PCR-Test, Antikörper-Suchtest
  • Umfangreiche Bluttests, bei denen unter anderem nach bestimmten Entzündungsmarkern, Störungen der Gerinnungsfähigkeit des Blutes und Anzeichen für eine Schwächung von Herz, Niere oder Leber gesucht wird.
  • Untersuchungen des Herzens: Ultraschall, Elektrokardiogramm (EKG), eventuell Magnetresonanztomografie (MRT)
  • Untersuchung der Lunge: Röntgenaufnahme oder Computertomogramm (CT) des Brustraums
  • Untersuchung des Bauchraums und der Niere: Ultraschall
  • Untersuchung des Nervensystems: Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit (Lumbalpunktion)

PIMS-Behandlung

Warum bekommen Kinder mit PIMS Antibiotika?

Einige bakterielle Infektionen verursachen ähnliche Symptome wie PIMS. Dazu zählen beispielsweise Blutvergiftungen (Sepsis), das Toxic-Shock-Syndrom bei Staphylokokken-Infektionen oder Blinddarmentzündungen. Weil diese Infektionen lebensbedrohend sein können, erfolgt in der Regel eine sofortige medikamentöse Behandlung mit Antibiotika. Die antibakteriellen Wirkstoffe helfen aber weder gegen das SARS-CoV-2-Virus noch gegen die Symptome der Hyperinflammation. Sobald eine bakterielle Infektion ausgeschlossen ist und die Diagnose PIMS feststeht, werden die Antibiotika daher wieder abgesetzt.

PIMS: Behandlung der überschießenden Immunreaktion

Die überschießende Immunreaktion beim PIMS-Syndrom kann mit Medikamenten behandelt werden, die das Immunsystem hemmen bzw. regulieren. Mediziner sprechen von immunsupprimierender bzw. immunmodulatorischer Therapie. Für die Behandlung der überschießenden Immunreaktion geeignete Medikamente sind:

  • Acetylsalicylsäure (ASS) – ein fiebersenkendes und entzündungshemmendes Medikament, das auch die Gerinnungsneigung des Blutes herabsetzt
  • Intravenöse Kortikosteroide (Kortison, Dexamethason oder Methylprednisolon) – wirken entzündungshemmend und unterdrücken das Immunsystem
  • Intravenöse Immunglobuline: Immunglobuline sind Eiweiße, die zum Immunsystem gehören. Sie wirken bei Autoimmunerkrankungen, der Wirkmechanismus ist ungeklärt
  • Bei schwerem Verlauf: sogenannte Biologika (Anakinra, Tocilizumab) – die Wirkstoffe blockieren Zytokin-Rezeptoren und können so die durch den Zytokinsturm ausgelöste überschießende Immunantwort bremsen.

Behandlung der Begleitsymptome

Die überschießende Immunreaktion schädigt den Körper auf unterschiedlichste Weise (siehe Symptome). Diese verschiedenen Organsymptome werden gezielt behandelt. Zu den häufig notwendigen Behandlungen der Begleitsymptome gehören Gerinnungshemmer sowie Medikamente, die den Blutdruck erhöhen und die Kontraktionskraft des Herzens steigern.

Sind die Atemwege betroffen, benötigen erkrankte Kinder ähnlich wie bei einer schwer verlaufenden COVID-19-Infektion zudem Unterstützung beim Atmen. Bei niedriger Sauerstoffsättigung des Blutes wird zunächst über einen Nasenschlauch zusätzlicher Sauerstoff zugeführt. Auch eine künstliche Beatmung kann erforderlich sein. In seltenen Fällen (etwa 1 Prozent) wird bei PIMS die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), also der Gasaustausch mittels einer künstlichen Lunge, notwendig.

Prognose: Wie lange dauert PIMS?

PIMS ist eine schwere Erkrankung – aber mit guter Prognose. Die Behandlung mit Immunsuppressiva und Immunglobulinen zeigt in der Regel eine rasche und umfassende Wirkung. Der Krankenhausaufenthalt bei einer PIMS-Erkrankung dauert im Mittel etwa acht Tage. Die überwiegende Mehrheit (96 Prozent) der Kinder wird symptomfrei entlassen.

Wie gefährlich ist das PIMS-Syndrom?

Unbehandelt ist PIMS eine akut lebensbedrohliche Erkrankung. Eine Auswertung der 2021 aufgetretenen PIMS-Fälle in Deutschland ergab, dass 23 Prozent der erkrankten Kinder intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Internationale Studien sprechen allerdings von bis zu 70 Prozent. Der PIMS-Survey der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) gibt an, dass bei 3,4 Prozent der Erkrankten Folgeschäden – überwiegend Störungen der Herzfunktion – zurückblieben. Eine engmaschige medizinische Nachsorge (Kontrolluntersuchungen) ist für mehrere Monate erforderlich.

Laut DGPI wurden in Deutschland bislang keine Todesfälle wegen PIMS gemeldet. Die 2022 im Fachjournal „Infection“ veröffentlichte Auswertung der 2021 in Deutschland aufgetretenen PIMS-Fälle spricht jedoch von 3 mit PIMS verstorbenen Kindern (bei insgesamt 1.006 in deutschen Krankenhäusern behandelten Fällen).

PIMS-Syndrom und neue Virusvarianten

Die Omikron-Variante des COVID-19-Virus löst deutlich seltener PIMS aus als das ursprüngliche Virus, die Alpha-Variante oder die 2021 dominierende Delta-Variante. Das Risiko, an PIMS zu erkranken, ist daher im Vergleich zu 2020 und 2021 gesunken.

Kann eine Impfung gegen Covid-19 dem PIMS-Syndrom vorbeugen?

PIMS-Fälle treten wesentlich häufiger bei ungeimpften als bei geimpften Kindern und Jugendlichen auf. Mediziner gehen daher davon aus, dass die Corona-Schutzimpfung nicht nur schweren Corona-Verläufen verbeugt, sondern auch dem multisystemischen Entzündungssyndrom. Allerdings gibt es auch eine geringe Anzahl von Fallberichten, in denen PIMS offenbar ohne vorangegangene COVID-19-Infektion als Folge der Impfung auftrat.

Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)

Stand: 07.04.2023

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