Nierenstau
Viele Schwangere kennen Nierenstau als vorübergehende Begleiterscheinung der späten Schwangerschaft. Ein Nierenstau kann aber auch durch Nierensteine oder andere Blockaden verursacht werden. Wie macht sich ein Nierenstau bemerkbar, und was passiert, wenn eine Niere gestaut ist? Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie hier.
Synonyme
Hydronephrose, Harnstauungsniere
Definition: Was ist Nierenstau?
Zu Nierenstau kommt es, wenn der Urinabfluss aus der Niere blockiert ist. Mediziner bezeichnen Nierenstau als Hydronephrose. Durch die Stauung von Urin weiten sich das Nierenbecken und die Nierenkelche, die den Urin in das Nierenbecken leiten. Die Ausdehnung des Nierenbeckenkelchsystems wiederum engt das Nierengewebe ein. Wird das Hindernis für den Urinabfluss nicht beseitigt, nehmen die Nieren langfristig Schaden.
Wie viele Grade gibt es bei Nierenstau?
Mediziner teilen Nierenstau in vier Schweregrade ein. Ausschlaggebend für den Grad sind die im Ultraschallbefund erkennbaren Ausdehnungen von Nierenbecken und Nierenkelchsystem sowie die Dicke des umgebenden Nierengewebes.
- Grad 1: Erweiterung des Nierenbeckens ohne Erweiterung der Nierenkelche
- Grad 2: Erweiterung des Nierenbeckens und beginnende Erweiterung der Nierenkelche. Keine Verschmälerung des Nierengewebes.
- Grad 3: starke Erweiterung des Nierenbeckens und der Nierenkelche. Beginnende Verschmälerung des Nierengewebes.
- Grad 4: stark erweitertes Nierenbecken mit aufgehobenen Grenzen zwischen Nierenbecken und Kelchsystem. Stark verschmälertes Nierengewebe (sogenannte hydronephrotische Sackniere)
Was unterscheidet akuten und chronischen Nierenstau?
Mediziner unterscheiden akute und chronische Formen von Nierenstau. Während ein beispielsweise durch einen Nierenstein ausgelöster akuter Nierenstau häufig heftige Schmerzen verursacht, entwickelt sich ein chronischer Nierenstau oft schleichend und zunächst ohne merkliche Symptome.
Überblick: Was passiert, wenn eine Niere gestaut ist?
Symptome: Akuter Nierenstau verursacht meist starke Schmerzen im unteren seitlichen Rückenbereich. Im Unterschied dazu macht sich chronischer Nierenstau oft erst dann bemerkbar, wenn die Nierenfunktion bereits eingeschränkt ist. Dann treten Anzeichen von Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) auf wie Bluthochdruck und erhöhte Kreatinin- und Harnstoffwerte im Blut (siehe auch GFR-Wert).
Ursachen: Eine häufige Ursache von Nierenstau sind Schwangerschaften, wenn die wachsende Gebärmutter den Harnleiter einengt. Angeborene oder erworbene Verengungen der Harnwege, Nierensteine, Harnleitersteine oder Blasensteine, Tumoren und Vergrößerungen der Prostata sind weitere Ursachen von Nierenstau.
Behandlung: Das Ziel der Behandlung von Nierenstau ist, den freien Abfluss des Urins wieder zu ermöglichen. Das gelingt beispielsweise, indem Nierensteine oder andere Hindernisse beseitigt werden. Manchmal ist es erforderlich, eine sogenannte Harnleiterschiene zu legen oder einen Katheter zur Urinableitung durch die Haut in das Nierenbecken einzubringen. Ein Sonderfall ist Nierenstau in der Schwangerschaft: Wenn keine Beschwerden auftreten, ist hier keine Behandlung notwendig.
Prognose: Nierenstau in der Schwangerschaft verschwindet in der Regel nach der Entbindung. Andere Formen von Nierenstau haben eine günstige Prognose, wenn sie rechtzeitig diagnostiziert und erfolgreich behandelt werden. Gelingt das nicht, kann langfristig eine chronische Nierenschwäche (chronische Niereninsuffizienz) entstehen.
Nierenstau: Häufigkeit
In der Schwangerschaft ist Nierenstau sehr häufig und in der Regel unproblematisch: Die sogenannte Schwangerschaftshydronephrose tritt im letzten Schwangerschaftsdrittel bei bis zu 80 Prozent der Schwangeren auf.
Eine Hydronephrose kann im Rahmen der Ultraschall-Vorsorgeuntersuchungen auch beim ungeborenen Kind diagnostiziert werden. Das ist in einem bis zwei Prozent der Schwangerschaften der Fall. In etwa der Hälfte der Fälle bildet sich der Nierenstau beim Neugeborenen ohne weitere Behandlung nach einiger Zeit von selbst zurück.
Zur Häufigkeit von Nierenstau in der Allgemeinbevölkerung fehlen genaue Daten. Aufgrund des Zusammenhangs mit Schwangerschaften und gynäkologischen Erkrankungen tritt Nierenstau im mittleren Lebensalter häufiger bei Frauen auf. Etwa ab dem 50. Lebensjahr sind Männer häufiger betroffen, da in diesem Alter verstärkt gutartige Prostatavergrößerungen auftreten.
Symptome: Wie macht sich Nierenstau bemerkbar?
Symptome von akutem Nierenstau
Akuter Nierenstau verursacht in der Regel einen dumpfen Dauerschmerz im Bereich der Flanken (seitlicher unterer Rücken). Zeitweise können starke, kolikartige Schmerzen hinzukommen. Weitere Symptome sind Übelkeit und Erbrechen, verstärkter Harndrang (Pollakisurie), Schmerzen und Schwierigkeiten beim Urinieren oder Harnverhalt (Unfähigkeit zu urinieren).
Symptome von chronischem Nierenstau
Chronischer Nierenstau bleibt häufig für lange Zeit weitgehend beschwerdefrei. Erste Symptome zeigen sich oft erst, wenn die Funktion der Niere bereits eingeschränkt ist. Dann kann es zu Bluthochdruck und erhöhten Blutspiegeln von Harnsäure und Kreatinin kommen, die Unwohlsein, Übelkeit und Juckreiz verursachen können.
Komplikationen: Wie gefährlich ist Nierenstau?
Anhaltender oder wiederholter Nierenstau erhöht das Risiko für Harnwegsinfekte und Nierenbeckenentzündungen. Auch das Risiko, dass Bakterien aus den Harnwegen ins Blut gelangen und eine sogenannte Urosepsis (eine Form der Blutvergiftung) auslösen, ist erhöht. Zudem verringert die Druckerhöhung in den Hohlräumen der Nieren die Filtrationsleistung. Hält der hohe Druck langfristig an, nimmt das Nierengewebe Schaden.
Ursachen: Was verursacht Nierenstau?
Zu einem Nierenstau kommt es immer dann, wenn der Abfluss von Urin aus den Nieren gestört ist. Ursache des Urinstaus sind Hindernisse, die Nierenausgang, Harnleiter oder Blasenabfluss blockieren oder einengen. Am häufigsten ist Hydronephrose in der Schwangerschaft, wenn die wachsende Gebärmutter auf den Harnleiter drückt.
Weitere Ursachen für Nierenstau sind:
- Nierensteine, Harnleitersteine oder Blasensteine (Harnsteine), die den Ausgang der Niere, den Harnleiter oder den Abfluss der Harnblase verlegen
- Blutgerinnsel, die die Harnwege blockieren
- Angeborene Verengungen im Bereich der Harnwege
- Verengungen der Harnwege durch Narbenbildung infolge von Infektionen, Operationen oder medizinischen Prozeduren (zum Beispiel kleine Verletzungen beim Einbringen eines Katheters oder Endoskops)
- Tumoren der Harnwege
- Bei Männern: Abflussstörung der Harnblase infolge einer auf die Harnröhre drückenden vergrößerten Prostata (siehe gutartige Prostatavergrößerung)
- Bei Frauen: Endometriose, Gebärmutterhalskrebs, Vorfall (Prolaps) der Beckenorgane (Gebärmutter, Blase, Harnröhre, Darm)
In den Harnwegen festsitzende Harnsteine blockieren den Urinabfluss meist plötzlich und erzeugen so einen akuten Nierenstau. Angeborene oder erworbene Verengungen der Harnwege lassen dagegen in der Regel etwas Urin passieren, erhöhen aber den Druck im Nierenbecken und führen zu einem chronischen Nierenstau.
Diagnose und Untersuchungen: Wie wird Nierenstau festgestellt?
Die wichtigste Methode zur Diagnose und Beurteilung von Nierenstau ist die Ultraschalluntersuchung (Sonografie) von Unterleib, Harnwegen, Blase und Genitalorganen. Zur Diagnostik gehören außerdem Urin- und Blutuntersuchungen. Zur weiteren Abklärung können Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) erforderlich sein. Die endoskopische Untersuchung von Blase und Harnleiter (Urethrozystoskopie) ist eine weitere diagnostische Möglichkeit.
Behandlung: Was tun bei Nierenstau?
Was hilft bei Nierenstau in der Schwangerschaft?
Nierenstau in der Schwangerschaft muss nicht zwangsläufig behandelt werden. Starke Schmerzen lassen sich durch Schmerzmedikamente, beispielsweise Ibuprofen oder Paracetamol, und krampflösende Medikamente wie Butylscopolamin (Buscopan) lindern. Bei besonders starken Beschwerden überweisen Gynäkologen oder Urologen ins Krankenhaus, wo Schmerzmittel intravenös gegeben werden können. Manchmal wird auch zeitweise eine Harnleiterschiene eingesetzt. Das ist ein dünner Kunststoffschlauch im Harnleiter, der den Urinabfluss wieder ermöglicht.
Nierenstau: Welche Hausmittel in der Schwangerschaft?
Da Nierenstau in der Schwangerschaft häufig nur auf der rechten Seite auftritt, kann es entlastend wirken, auf der linken Seite zu liegen. Auch der Vierfüßlerstand fördert den Urinabfluss. Wärme entkrampft die Muskulatur der Harnwege, und reichlich trinken spült die Nieren gut durch.
Behandlung bei Nierensteinen (Harnsteinen/Blasensteinen)
Bei Nierensteinen als Ursache von Nierenstau wird oft zunächst abgewartet, ob die Steine mit reichlich Flüssigkeitszufuhr und krampflösenden Medikamenten spontan abgehen. Passiert das nicht, können kleinere Steine in einem endoskopischen Eingriff entfernt werden. Große Steine werden in der Regel mit Stoßwellen von außen zertrümmert. Eventuell kann auch eine Operation notwendig werden. Näheres lesen Sie in unserem Beitrag über Nierensteine.
Behandlung bei Verengungen der Harnwege
Blutgerinnsel in den Harnwegen lassen sich in der Regel endoskopisch entfernen. Bei angeborenen oder erworbenen Verengungen der Harnwege kann eine Operation erforderlich sein, um die Verengung zu beseitigen.
Ist die Operation nicht oder nicht zeitnah möglich, kann bei Blockaden des Harnleiters eine Harnleiterschiene Abhilfe schaffen. Längerfristig benötigte Schienen müssen viertel- bis halbjährlich gewechselt werden. Bei Blockaden der Harnröhre kann ein Harnröhrenkatheter zur Entleerung der Blase eingesetzt werden. Schiene und Katheter sind jedoch in der Regel keine dauerhaften Lösungen.
Behandlung bei gutartiger Prostatavergrößerung
Bei Urinstau infolge einer Prostatavergrößerung kann eine medikamentöse Behandlung mit sogenannten Alphablockern oder 5-Alpha-Reduktasehemmern sinnvoll sein. Näheres dazu lesen Sie in unserem Beitrag über gutartige Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie). Lässt sich der Nierenstau so nicht beseitigen, können Teile der Prostata chirurgisch entfernt werden. Das geschieht in der Regel in einem endoskopischen Eingriff durch die Harnröhre (transurethrale Prostataresektion).
Was ist eine Nephrostomie?
Als Nephrostomie bezeichnen Mediziner einen operativen Eingriff zur Druckentlastung der Nieren. Wenn eine schnelle Entlastung der Nieren erforderlich ist und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zeitnah umsetzbar sind, kann die sogenannte perkutane Nephrostomie Abhilfe schaffen. Dabei wird ein Katheter zur Ableitung des Urins durch die Haut in das Nierenbecken geschoben. Der Urin fließt dann durch den Katheter in einen Auffangbeutel.
Wie lange dauert eine Nephrostomie? Das Legen des Katheters bei einer Nephrostomie ist ein minimal-invasiver Eingriff. Der Eingriff erfolgt meist unter lokaler Betäubung und dauert etwa eine Stunde.
In den meisten Fällen müssen Betroffene etwa zwei Tage für Voruntersuchungen, Eingriff und Nachbeobachtung im Krankenhaus bleiben.
Wie lange bleibt man bei Nierenstau im Krankenhaus?
Die Länge des Krankenhausaufenthaltes bei Nierenstau lässt sich nicht generell vorhersagen, weil Art und Dauer der Behandlung wesentlich von der Ursache und dem Gesundheitszustand abhängen.
Prognose: Wie lange dauert Nierenstau?
Nierenstau in der Schwangerschaft verschwindet in der Regel nach der Entbindung von selbst (spontan) und hinterlässt keinerlei Komplikationen.
Können sich die Nieren wieder erholen?
Akuter Nierenstau wird wegen der charakteristischen Schmerzen in der Regel rasch diagnostiziert und behandelt und die Prognose ist günstig: Die Nieren erholen sich meist innerhalb kurzer Zeit.
Bei chronischem Nierenstau hängt die Prognose von der rechtzeitigen Diagnose und Therapie ab. Bereits entstandene Nierenschäden sind nicht wieder rückgängig zu machen und können zu Niereninsuffizienz führen.
Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)
Stand: 18.07.2024
- R. Thotakura & F. Anjum: Hydronephrosis and Hydroureter. StatPearls [Internet] (2023)
- J. Oswald & B. Haid: Kindliche Hydronephrose. Österreichische Ärztezeitung (2014)