Neurodermitis

Neurodermitis kann das Leben schwer machen. Das gilt nicht nur für den manchmal kaum auszuhaltenden Juckreiz und Wunden. Viele Menschen mit atopischem Ekzem sind durch die auffälligen Hautveränderungen verunsichert. Dazu kommen auch noch Vorurteile, wie Neurodermitis sei psychisch bedingt. Hier lesen Sie mehr über Ursachen, Symptome und Behandlung von Neurodermitis.

Synonyme

Atopisches Ekzem, atopische Dermatitis, konstitutionelles Ekzem, Prurigo Besnier

Definition: Was ist Neurodermitis?

Neurodermitis Ellenbeuge

Neurodermitis ist eine entzündliche Hauterkrankung, die mit Juckreiz und Hautausschlag einhergeht. Andere Bezeichnungen sind atopisches Ekzem, atopische Dermatitis, konstitutionelles Ekzem oder auch Prurigo Besnier.

Neurodermitis ist eine Krankheit, die der Medizin viele Rätsel aufgibt. Leider ist das atopische Ekzem trotz umfangreicher Forschung bislang nicht heilbar. Zudem gibt es keine Therapie, die bei allen Menschen gleich wirksam wäre. Was in einem Fall von Neurodermitis sehr gut hilft, kann bei anderen Patienten gar nicht anschlagen. Darum kann es sinnvoll sein, verschiedenste Therapieoptionen zu probieren. Für alle Neurodermitiker gilt: schubauslösende Faktoren meiden, Entzündungen schnellstmöglich behandeln und die Haut gut pflegen.

Häufigkeit von Neurodermitis

Etwa 15 bis 20 Prozent aller Kinder und 1 bis 3 Prozent der Erwachsenen aus industrialisierten Ländern leben mit Neurodermitis. In Deutschland sind es mehr als zwei Millionen Menschen. Und die Erkrankungshäufigkeit steigt an. Warum das so ist, ist bislang noch strittig. Mediziner diskutieren als Ursachen unter anderem verbesserte Lebensumstände mit umfänglicher Hygiene sowie die steigende Häufigkeit von Allergien.

Neurodermitis: Symptome

Im Gegensatz zu Psoriasis (Schuppenflechte), die sich häufig an den Streckseiten von Armen und Beinen zeigt, tritt Neurodermitis typischerweise an den Beugeseiten (vor allem an Armbeugen und Kniekehlen) sowie im Hals- und Gesichtsbereich auf. An den betroffenen Stellen ist die Haut extrem trocken, gerötet und entzündet. Sie juckt mitunter sehr stark. Das ist insbesondere für Kinder ein schwerwiegendes Problem. Ihnen fällt es verständlicherweise besonders schwer, sich das Kratzen zu verkneifen, wenn der Juckreiz wieder einmal überhandnimmt. Unglücklicherweise aber verschlimmert das Kratzen Neurodermitis, weil es so zu neuen Hautirritationen kommt. So entsteht ein sich selbst verstärkender Kreislauf von immer neuen Hautreizungen, Juckreiz und Kratzen. Diesen Kreislauf gilt es therapeutisch zu durchbrechen.

Knötchen und Pusteln als Symptome von Neurodermitis

Auch Hautverdickungen und -vergröberungen (sogenannte Lichenifikation), Knötchen und Pusteln sind charakteristische Symptome von Neurodermitis. Zudem ist die Haut oft empfindlich und anfällig für äußere Reize, wie zum Beispiel Schweiß, Waschmittel, Kleidung oder Nahrungsmittel. Zuweilen reagiert die Haut selbst auf hartes Wasser mit Rötungen und Ekzemen. Meist treten die Beschwerden in Schüben auf.

Weitere Anzeichen für Neurodermitis

Es gibt besondere Merkmale, die häufig auf Neurodermitis hinweisen. Hierzu zählen unter anderem:

  • Trockene Haut und Lippen (Sebostase)
  • Seitlich ausgedünnte Augenbrauen (Hertoghe-Zeichen)
  • Doppelte Unterlidfalte (Dennie-Morgan-Falte)
  • Häufige Bindehautentzündungen
  • Verstärkte Zeichnung der Handlinien
  • Häufige Hautekzeme oder Hautinfektionen
  • Entfärbung der Haut nach mechanischen Reizen (sogenannter weißer Dermographismus).

Neurodermitis-Symptome nach Alter

Je nach Alter können sich die Symptome von Neurodermitis unterscheiden.

Milchschorf bei Babys: Neurodermitis im Babyalter wird auch als Säuglingsekzem bezeichnet. Man spricht auch von Milchschorf, weil dieser Schorf wie getrocknete Milch aussieht. Es tritt von Geburt an bis zum 2. Lebensjahr auf. Die Haut des Säuglings/Kleinkindes ist gerötet und schuppt sich. Dabei sind vor allem die Kopfhaut und die Wangen betroffen. Die erkrankten Stellen können dunkelrot verfärbt sein und nässen. Später trocknen die nässenden Stellen aus und es bildet sich ein Schorf. Oft bildet sich dieser Milchschorf von alleine zurück. Mit zunehmendem Alter können jedoch auch andere Körperteile wie zum Beispiel der Windelbereich betroffen sein.

Neurodermitis bei Kindern und Jugendlichen: Vom 3. bis 18. Lebensjahr kommt es zum typischen Erscheinungsbild der Neurodermitis (siehe Symptome), bei dem vor allem die Ellenbeugen und Kniekehlen betroffen sind. Dabei ist der Juckreiz insbesondere für Kinder belastend. Vor allem in der Nacht stört er den ruhigen und erholsamen Schlaf. Daraus resultieren häufig Schlafstörungen im Kindesalter. Tagsüber sind Konzentrationsmangel und andauernde Müdigkeit die Folge. Zudem kommt es häufig zu familiären Anspannungen und psychischen Belastungen. Diese wiederum verschlechtern die Hautsymptome von Neurodermitis. Nicht selten entsteht auch so ein sich verstärkender Kreislauf.

Wie im Säuglingsalter kann Neurodermitis auch in dieser Phase nachlassen und von selbst verschwinden. Leider ist aber auch das Gegenteil möglich und die betroffenen Stellen breiten sich weiter aus und betreffen zusätzlich das Gesicht, den Hals, die Hand- und Fußgelenke sowie die Handrücken.

Neurodermitis bei Erwachsenen: Verschwindet die Krankheit in der Kindheit nicht von selbst, kann man von einer lebenslangen Neurodermitis ausgehen. Selten tritt Neurodermitis auch erst im Erwachsenenalter erstmalig auf. Dann sind meist die Hände, Ohren, der Hals und das Gesicht von den juckenden Hautsymptomen betroffen.

Neurodermitis: Ursachen

Die genauen Ursachen von Neurodermitis sind bislang nicht bekannt. Nach modernen Erkenntnissen ist es wohl ein Zusammenspiel aus genetischer Veranlagung, immunologischer Veränderung und äußeren Einflüssen (sogenannte Triggerfaktoren). Neuesten Forschungsergebnissen zufolge könnte auch ein von Hausstaubmilben produziertes Enzym (Phospholipase) Neurodermitis fördern. Das Enzym verändert bestimmte Fette (Phospholipide) der menschlichen Haut. Diese Lipide mobilisieren dann Abwehrzellen (T-Zellen) des körpereigenen Immunsystems, die wiederum Entzündungsreaktionen der Haut fördern.

Genetische Faktoren

In jüngster Zeit haben Wissenschaftler bestimmte Gene entdeckt, die bei der Entstehung von Neurodermitis eine Rolle spielen. Aufgrund der Gendefekte ist die normale Barrierefunktion beeinträchtig. Es fehlen bestimmte Proteine (Eiweiße), sodass die Haut ihre Hornschicht nur unzureichend bilden kann und deshalb leicht austrocknet.

Immunologische Faktoren

Trockene Haut wiederum ist anfälliger für Irritationen jeder Art, zum Beispiel das Eindringen von Krankheitserregern und Allergenen. Kratzen verschärft die Situation zusätzlich, Entzündungen sind die Folge. Das Immunsystem reagiert nunmehr dauerhaft mit der Bildung von Antikörpern, auch gegen an sich ungefährliche Antigene wie Pollen, den Kot von Hausstaubmilben oder Tierhaaren.

Äußere Einflüsse

Die erbliche Veranlagung und die Reaktion des Immunsystems alleine führen aber nicht unbedingt zu Neurodermitis. Erst wenn mehrere Faktoren zusammenspielen, bricht das atopische Ekzem aus. Zu diesen Faktoren zählen äußere Einflüsse wie:

  • Hautaustrocknende Faktoren (vor allem häufiges Baden oder Duschen)
  • Hautirritierende Stoffe (wie Wollkleidung, Konservierungsmittel in Kosmetika und Reinigungsmittel)
  • Erhöhte Allergenbelastung
  • Hautbesiedlung von Krankheitskeimen (Bakterien, Viren und Pilze)
  • Klimafaktoren und Umwelteinflüsse (wie extreme Kälte oder Hitze, Abgase oder Tabakrauch)
  • Seelische Belastungen und Stress.

Neurodermitis nicht psychisch bedingt

Hartnäckig hält sich der Mythos, Neurodermitis sei psychisch bedingt - und gewissermaßen eine Sache des Kopfes. In diesem Zusammenhang ist dann von einem gestörten Eltern-Kind-Verhältnis oder einer vermeintlichen „Neurodermitis-Persönlichkeiten“ als Ursache der Erkrankung die Rede. Diese Einschätzungen stammen aus dem vergangenen Jahrhundert und sind längst überholt. Die Experten sind sich einig, dass Neurodermitis in diesem Sinne nicht psychisch bedingt ist. Die Psyche spielt aber eine Rolle, wenn Schübe durch seelische Belastungen oder Stress ausgelöst werden oder sich verstärken.

Behandlung: Was hilft bei Neurodermitis?

Medikamentöse Neurodermitis-Therapie: Kortisonhaltige Salben und Tabletten

Die medikamentöse Therapie von Neurodermitis ist für viele Patienten ein wichtiger Pfeiler der Behandlung. Dabei werden häufig sogenannte Glukokortikoide wie Amcinoid, Betamethason, Dexamethason, Prednisolon und Prednicarbat in Form von Salbe oder Cremes eingesetzt. Bei der Behandlung mit diesen Kortisonsalben sind wiederkehrende Pausen empfehlenswert, da sonst mit einem Wirkungsverlust des Kortisons zu rechnen ist.

Schwere Neurodermitisschübe müssen mitunter auch mit Tabletten behandelt werden. In diesem Fall helfen das Immunsystem unterdrückende Medikamente (sogenannte Immunsuppressiva) wie Glukokortikoide und Ciclosporin. Bakterielle Infektionen werden zuweilen mit Antibiotika wie Clindamycin und Gentamycin behandelt. Entzündungshemmend sind auch Schüttelmixturen mit Zink sowie Teerverbindungen und Schieferöle. Desinfizierend wirken Antiseptika wie Chlorhexiditin und Triclosan.

Zwei weitere Wirkstoffe sind die Calcineurin-Inhibitoren Pimecrolimus und Tacrolimus. Diese zielen auf bestimmte Abwehrzellen (T-Zell-Lymphozyten), wodurch die Entzündung zum Stillstand kommt.

Klimatherapie und UV-Bestrahlung

Klimatherapien im Hochgebirge und an der See sowie Strahlentherapien mit UVA- und UVB-Licht können die Abheilung von Neurodermatitis unterstützen. Sind Allergien ein Triggerfaktor, müssen diese therapiert werden.

Selbsthilfe bei Neurodermitis

Neurodermitis zeigt sich auf vielfältige Weise – und individuell sehr unterschiedlich. Das zeigt sich bei den klassischen Behandlungsmethoden, gilt aber auch für die Selbsthilfe. Sie werden also mitunter eine Weile experimentieren müssen, bis Sie wissen, was Ihnen gegen die Symptome des atopischen Ekzems hilft.

Triggerfaktoren und Stress meiden

Unstrittig ist unter Experten und Betroffenen, dass bestimmte Triggerfaktoren Schübe von Neurodermitis begünstigen. Allergien zählen zu den weitverbreiteten Triggerfaktoren. Daher ist das Meiden von Allergen einer der Stützpfeiler bei sehr vielen Fällen von Neurodermitis.

Neurodermitis ist – im Widerspruch zu manch kursierenden Informationen – keine psychische Erkrankung. Die zuweilen beschriebene Neurodermitis-Persönlichkeit gibt es nicht. Dennoch können psychische Faktoren den Ausbruch der Krankheit oder eine Verschlimmerung begünstigen. Insofern ist es nicht überraschend, dass viele Neurodermitiker mit Strategien gegen Stress den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können.

Ernährung bei Neurodermitis

Die Ernährung kann einen Beitrag zum besseren Leben mit Neurodermitis leisten. Denn Lebensmittel können Trigger (Auslöser) für Neurodermitis-Schübe sein. Es gibt aber keine allgemeingültigen Empfehlungen für die Ernährung bei Neurodermitis. Vielmehr kommt es immer darauf an herauszufinden, ob sich die Symptomatik durch eine individuell angepasste Ernährung überhaupt lindern lässt. Die Empfehlungen dazu lesen Sie hier: Ernährung bei Neurodermitis

Hautpflege anpassen

Die stark irritierte Haut bei atopischem Ekzem braucht besondere Pflege. Achten Sie auf eine regelmäßige Hautpflege. Empfehlenswert sind Cremes, Lotionen und rückfettende Ölbäder mit Mandel-, Soja-, Nachtkerzen- und Erdnussöl, dünnflüssigem Paraffin und ungesättigten Fettsäuren.

Juckreizlindernd wirken äußerlich aufzutragende Zubereitungen mit Harnstoff und Polidocanol, Anaesthesulf und Tannolact. Zum Einnehmen kommen – in Absprache mir dem Arzt - Medikamente mit H1-Antihistaminika wie Ceterizin und Loratadin in Betracht.

Freiverkäufliche Salben mit Hydrocortison und Dexamethason hemmen (vorübergehend eingesetzt) Entzündungsreaktionen und helfen, Ekzeme abzuheilen. Entzündungslindernd wirkt ebenfalls der Wirkstoff Bufexamab.

Heilpflanzen gegen Neurodermitis

Bei leichten Hautveränderungen hilft es, die betroffenen Partien mit Salbe aus Ringelblumen einzureiben. Sie können auch versuchen, entzündete (nicht eitrige!) Haut mit Johanniskrautöl einzureiben. Auch Umschläge mit Rote-Beete-Saft sollen Erfolge bringen.

Eichenrinde wirkt zusammenziehend (adstringierend). Übergießen Sie dafür 10 Gramm Eichenrinde mit 1/4 Liter Wasser und lassen dies aufkochen. Nach dem Abkühlen und Abseihen befeuchten Sie Tücher mit dem Sud und legen diese auf betroffene Hautpartien auf.

Einige Betroffene berichten von guten Erfolgen mit einer Teemischung aus gleichen Teilen Ackerschachtelhalm, Birkenblätter, Brennnessel und Schafgarbe. Kochen Sie von dieser Mischung einen Teelöffel mit 1/4 Liter Wasser auf und trinken Sie den Tee langsam und in kleinen Schlucken.

Weitere Tipps zur Selbsthilfe

  • Salzbäder mit Totem Meer Salz zweimal die Woche sind ebenfalls empfehlenswert bei Neurodermitis. Oder machen Sie es wie Cleopatra und geben Sie Ihrem Badewasser 1/4 Liter Milch (oder Sahne) und 1 Esslöffel Olivenöl hinzu.
  • Viele Patienten schwören auf die Eigenurintherapie.
  • Benutzen Sie Kleidung aus Naturfasern (besonders bei direktem Hautkontakt), verzichten Sie auf Wolle und stark kratzende Stoffe.
  • Kratzen Sie möglichst nicht. Babys und Kleinkindern helfen übergezogene Fäustlinge und kurz geschnittene Fingernägel, um ein Aufkratzen der Haut zu verhindern.
  • Starken Juckreiz können Sie vorübergehend mit Crush-Eis (in einem Plastikbeutel) lindern.
  • Neurodermitis-Selbsthilfegruppen helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen. Der Austausch mit anderen Betroffenen wird von vielen Patienten als hilfreich empfunden.

Homöopathie bei Neurodermitis

Bei Neurodermitis ist das von Homöopathen wohl meist verordnete Homöopathikum Sulfur. Zudem werden folgende homöopathische Arzneien eingesetzt:

  • Arsenicum (bei trockener und mehliger Haut)
  • Calcium carbonicum (auch bei Milchschorf und wenn die Haut mit Pusteln übersät ist)
  • Graphitis (bei trockenen, juckenden und brennenden Ekzemen)
  • Petroleum (bei rissiger Haut und Ekzemen hinter den Ohren)
  • Rhus toxiconn (vor allem bei Hautveränderungen an den Händen und Handgelenken)
  • Silicea (vor allem bei wunder Kopfhaut und schwitzenden Menschen).

Vorbeugung von Neurodermitis

Neurodermitis kann nicht ursächlich vorgebeugt werden. Sind beide Eltern Neurodermitiker, sollte das Baby bereits frühzeitig einem Allergologen vorgestellt werden. Die Erbanlagen der Eltern, Passivrauchen und überbordende Hygiene erhöhen das Allergierisiko bei Kindern.

Es gibt Hinweise darauf, dass konsequentes sechsmonatiges Stillen helfen kann, das Ausbruchsrisiko von Neurodermitis zu verringern. Wirklich aussagekräftig belegt ist diese Annahme aber nicht. Ist Stillen nicht möglich, empfehlen viele Experten hypoallergene Säuglingsnahrungen (sogenannte H.A.-Nahrung).

Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur)

Stand: 16.08.2023

  • Auf Whatsapp teilenTeilen
  • Auf Facebook teilen Teilen
  • Auf Twitter teilenTeilen
  • DruckenDrucken
  • SendenSenden
Newsletter
Newsletter

Unser Newsletter informiert Sie wöchentlich zu News und Infos rund um die Gesundheit.