Nekrotisierende Fasziitis
Nekrotisierende Fasziitis ist eine bakterielle Infektion, die schnell zum Absterben von Gewebe führt. Nur eine schnelle medizinische Behandlung schützt vor schweren Folgeschäden. Ohne rechtzeitige Therapie endet die Erkrankung oft tödlich. Lesen Sie, welche Warnzeichen Sie kennen sollten – und wie nekrotisierende Fasziitis behandelt wird.
Synonyme
Fasciitis necroticans, NF
Definition: Was ist nekrotisierende Fasziitis?
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Nekrotisierende Fasziitis ist eine bakterielle Infektion, die schnell zum Absterben von Gewebe führt. Sie betrifft neben den Muskelfaszien auch die Haut (Cutis) und die Unterhaut (Subcutis) der infizierten Körperstellen. In seltenen Fällen ist auch der Muskel selbst infiziert.
Die nekrotisierende Fasziitis zählt zu den tiefen, bakteriell verursachten Infektionen des Muskel- oder Bindegewebes. Diese Infektionen werden auch als nekrotisierende Weichteilinfektionen (necrotizing skin and soft tissue infection, nSSTI) bezeichnet. Dazu gehören außerdem:
- Gasgangrän durch Infektion mit Bakterien der Gattung der Clostridien
- Gasbrand, verursacht durch das Bakterium Clostridium perfringens
- Toxisches Schocksyndrom (Streptococcal Toxic Shock Syndrome, STSS): eine Streptokokken-Infektion.
Vier Formen der nekrotisierenden Fasziitis
Grundsätzlich lassen sich vier verschiedene Typen der nekrotisierenden Fasziitis unterscheiden:
- Bei Typ 1 handelt es sich um eine Mischinfektion (polymikrobielle Infektion) mit mehr als vier aeroben (sauerstoffabhängigen) oder anaeroben (nicht sauerstoffabhängigen) Bakterien.
- Typ 2 bezeichnet alle Erkrankungen, die durch Streptokokken der Gruppe A oder durch besonders aggressive Staphylococcus aureus-Stämme ausgelöst werden (monomikrobielle Infektion). Typ 2 ist für 50 Prozent aller Fälle von toxischem Schocksyndrom verantwortlich und tritt eher bei jüngeren Menschen auf.
- Typ 3 wird durch Infektionen mit Bakterien der Gattungen Vibrio und Aeromonas ausgelöst und tritt vor allem nach dem Baden in verunreinigten Gewässern oder nach dem Verzehr von infizierten Meeresprodukten auf.
- Typ 4 bezeichnet schließlich Infektionen, die durch Verunreinigung der Wunde nach einer Verletzung entstehen. An einer nekrotisierenden Fasziitis vom Typ 4 sind neben Bakterien auch häufig Pilze beteiligt.
Außerdem existiert eine Sonderform der Erkrankung, die als Fournier-Gangrän bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine gewebezersetzende Infektion des Genital- oder des Dammbereichs, die zumeist bei Männern auftritt. Nach den auslösenden Bakterien lässt sich die Fournier-Gangrän dem Typ 1 der nekrotisierenden Fasziitis zuordnen.
Wie schnell breitet sich nekrotisierende Fasziitis aus?
Typischerweise entsteht nekrotisierende Fasziitis plötzlich und schreitet schnell voran. Einen solchen Krankheitsverlauf bezeichnen Mediziner als fulminant (schlagartig) oder foudroyant (blitzartig). Bei der nekrotisierenden Fasziitis handelt es sich immer um einen medizinischen Notfall. Eine umgehende chirurgische und intensivmedizinische Behandlung ist in jedem Fall notwendig.
Nekrotisierende Fasziitis im Überblick
Die nekrotisierende Fasziitis ist eine lebensbedrohliche, bakteriell verursachte Haut-Weichteil-Infektion. Sie betrifft vor allem die sogenannten Muskelfaszien (bindegewebige Hüllstrukturen der Muskeln). Die Infektion dieses Bindegewebes verursacht eine Entzündung, die Mediziner als Fasziitis bezeichnen. Bedrohlichste Folge der Infektion ist das Absterben von Gewebe (Nekrose). Daher die Bezeichnung nekrotisierende Fasziitis. Grundsätzlich können aller Faszienstrukturen des Körpers betroffen sein. Ohne rasche Behandlung sind die Überlebenschancen nur gering.
Symptome: akuter Beginn mit sehr starken Schmerzen, akute Entzündung, Ödeme, Verfärbung der Haut, allgemeines Krankheitsgefühl und Fieber
Ursachen: Meist Infektion mit mehreren Bakterien, seltener Infektion mit einem einzelnen Bakterium oder in Kombination mit einer Pilzinfektion; die Erreger gelangen über Hautverletzungen, Abszesse, intramuskuläre Injektionen oder chirurgische Eingriffe in den Körper.
Behandlung: gezielte antibiotische Therapie, chirurgisches Abtragen des abgestorbenen Gewebes, Wundsäuberung und professionelle Wundversorgung, manchmal Amputation notwendig.
Prognose: Nur bei rascher Behandlung besteht die Aussicht auf vollständige Heilung. Vor allem bei verzögertem Behandlungsbeginn ist die Überlebenschance gering.
Wie häufig ist nekrotisierende Fasziitis?
Nekrotisierende Fasziitis ist eine sehr seltene Erkrankung. Epidemiologische Schätzungen gehen für Deutschland davon aus, dass von 100.000 Einwohnern jährlich 0,4 bis 1 an nekrotisierender Fasziitis erkrankt. Besonders häufig betroffen sind Menschen mit schlecht eingestelltem fortgeschrittenem Diabetes und Durchblutungsstörungen.
Symptome: Wie erkennt man nekrotisierende Fasziitis?
In der Regel verursacht nekrotisierende Fasziitis schon früh sehr starke Schmerzen im Bereich der infizierten Körperstelle. Es kommt zu einer Flüssigkeitsansammlung (Ödeme) im Gewebe, die von Erwärmung und Rötung (diffuses Erythema) des betroffenen Hautareals begleitet ist. An der Oberfläche der infizierten Stelle bilden sich oft Blasen. Die Symptome der akuten Entzündung sind oft von allgemeinem Krankheitsgefühl und hohem Fieber begleitet. In der Regel verschlimmern sich die Symptome schnell, meistens schon nach Stunden. Nur selten kommt es zu einem schleichenden Verlauf, der sich über Tage oder Wochen dahinzieht.
Wie sieht nekrotisierende Fasziitis aus?
Um den Infektionsherd herum verfärbt sich die Haut zunächst rötlich-violett, im weiteren Verlauf bläulich-grau. Oft nur Stunden später beginnt das entzündete Gewebe abzusterben (Nekrose). Nekrotisches Gewebe bildet eine gelbliche, braune oder schwarze Oberfläche. Meistens ist die Nekrose unterhalb der Oberhaut deutlich weiter ausgebreitet als von außen zu erkennen ist.
Warum oft keine Schmerzen bei Nekrose?
Mit Fortschreiten der Gewebezersetzung sterben zunehmend auch Nervenzellen ab. Dadurch reduziert sich das Schmerzempfinden, zunächst intensiv empfundener Schmerz lässt nach. Deshalb gehen Betroffene und Angehörige oft irrtümlich von einer Besserung der Beschwerden aus. Hier ist besondere Vorsicht geboten: Die Krankheit kann sich rasch ausbreiten, ohne dass Erkrankte es wahrnehmen. Symptome, die auf eine nekrotisierende Fasziitis hinweisen, sollten deshalb immer so schnell wie möglich fachärztlich abgeklärt werden.
Komplikationen von nekrotisierender Fasziitis
Mögliche Komplikationen bzw. Folgen einer nicht rechtzeitigen Behandlung sind unter anderem:
- Amputationen
- Blutvergiftung (Sepsis) mit tödlichem Multiorganversagen
- Blutdruckabfall (Hypotonie)
- Herzrasen (Tachykardie)
- Übersäuerung (Azidose)
- Verwirrung (Desorientiertheit)
Ursachen: Wie entsteht eine nekrotisierende Fasziitis?
Ursache von nekrotisierender Fasziitis ist immer eine bakterielle Infektion. Die verursachenden Bakterien geben Giftstoffe (Exotoxine) ab, die in der Lage sind, Gewebe zu zerstören. In der Regel dringen sie durch kleinste Hautverletzungen in den Körper ein. Typische Eintrittspforten entstehen durch:
- Hautinfektionen (Abszesse)
- Intramuskuläre Injektionen
- Chirurgische Eingriffe, vor allem bei Fournier-Gangrän
- Kratzer
- Insektenstiche
- Tierbisse
- Unzureichend desinfizierte Einstichstellen (etwa bei intravenösem Drogengebrauch)
Auch bei stumpfen Verletzungen wie Prellungen, Zerrungen und Quetschungen können unbemerkt kleinste Verletzungen entstehen, durch die Bakterien in die Haut eindringen können.
Erreger: Welche Bakterien verursachen nekrotisierende Fasziitis?
Hauptverursacher für nekrotisierende Fasziitis sind Bakterien, die natürlicherweise auf der Hautoberfläche oder im menschlichen Darm vorkommen. Die wichtigsten Erreger sind:
- A-Streptokokken
- Staphylococcus aureus
- Escherichia Coli (E. coli)
- Clostridien
- Klebsiellen
- Enterokokken
- Proteus-Bakterien
Infektionen mit Bakterien aus der Umwelt führen nur sehr selten zu nekrotisierender Fasziitis. In diesen Fällen kommen die vor allem in wärmeren Gewässern beheimateten Bakteriengattungen Vibrio und Aeromonas als Hauptverursacher in Frage.
An einigen Infektionen, die zu nekrotisierender Fasziitis führen, sind auch Pilze beteiligt. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Candida-Pilze (Hautpilz) oder Zygomyzeten.
Übertragung: Ist nekrotisierende Fasziitis ansteckend?
Die Erreger, die nekrotisierende Fasziitis auslösen, kommen typischerweise auf der menschlichen Haut vor und können auch auf andere Menschen übertragen werden. In der Regel ist der Kontakt mit Erkrankten für Menschen mit intakter Haut aber nicht ansteckend. Angehörige und medizinisches Personal schützen sich in der Regel ausreichend, wenn sie die für die Wundversorgung empfohlenen Hygienemaßnahmen einhalten.
Nekrotisierende Fasziitis: Diagnose und Untersuchungen
Die Diagnose der nekrotisierenden Fasziitis wird anhand der Gesamtheit der Symptome und der Ergebnisse der körperlichen Untersuchung (klinisches Bild) gestellt. Laborparameter, die auf eine Entzündung hinwiesen, ergänzen die Verdachtsdiagnose, sind aber nicht spezifisch. Dazu zählen etwa erhöhten Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und eine starke Erhöhung der Anzahl von Leukozyten (weiße Blutkörperchen).
Zusätzlich erheben die behandelnden Ärzte mikrobiologische Befunde, um die krankheitsauslösenden Bakterien zu bestimmen und gezielt zu behandeln. Dazu punktieren sie Blasen oder setzen kleine Hautschnitte, um Gewebeproben für die Untersuchung zu gewinnen (Biopsie).
Lässt sich der Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis nicht eindeutig erhärten, kommen bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) zum Einsatz.
Differenzialdiagnosen
Die frühen Symptome einer nekrotisierenden Fasziitis ähneln mitunter denen anderer Hauterkrankungen. Diese Erkrankungen müssen bei der Differenzialdiagnose ausgeschlossen werden. Beispiele dafür sind:
- Erysipel
- Kompartmentsyndrom
- Phlegmone
- Gasbrand
- Thrombosen
- Pyoderma gangraenosum
Wann zum Arzt?
Um die fatalen Konsequenzen einer verzögerten Therapie zu meiden, sollte die Diagnose so schnell wie möglich gestellt werden. Erste Ansprechpartner sind Hausärzte, die bei einem Verdacht auf nekrotische Fasziitis sofort zur stationären Behandlung in Krankenhaus überweisen werden. Bei begründetem Verdacht ist es sinnvoll, auch direkt einen Notarzt zu verständigen.
Behandlung: Was hilft bei nekrotisierender Fasziitis?
Je früher die Therapie beginnt, umso höher ist die Chance, die Erkrankung zu überleben und Amputationen zu vermeiden. Die Behandlung von nekrotisierender Fasziitis erfolgt immer auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Die Therapie besteht aus einer sofortigen gezielten Antibiose (medikamentöse Therapie mit Antibiotika) in Kombination mit einer chirurgischen Abtragung des geschädigten Gewebes mit anschließendem Wundverschluss.
Welche Antibiotika werden zur Behandlung der nekrotisierende Fasziitis eingesetzt?
Um die krankheitsauslösenden Keime abzutöten, setzen Mediziner zunächst eine sogenannte kalkulierte systemische Antibiotikatherapie ein. Für diese Antibiose werden in der Regel Antibiotika aus den Gruppen der Penicilline (in Kombination mit einem Betalaktamasehemmer), Betalaktame, Carbapeneme und Lincosamide eingesetzt. Die Antibiotika werden mehrmals täglich als intravenöse Infusionen verabreicht.
Sobald ein exakter Erregernachweis vorliegt (Antibiogramm), kann die medikamentöse Therapie angepasst werden (Umstellung der Antibiotikatherapie).
Operation bei nekrotisierender Fasziitis: Was ist ein Débridement?
Um das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen, muss das nekrotische Gewebe so schnell wie möglich operativ vollständig entfernt werden. Das bezeichnen Chirurgen als radikales Débridement. Oft ist ein einzelner Eingriff nicht ausreichend, um das infizierte Gewebe komplett abzutragen. Das Débridement muss dann – meist mehrmals – wiederholt werden (Redebridement).
Manchmal kann das geschädigte Gewebe nicht vollständig entfernt werden. Als lebensrettende Maßnahme bleibt dann nur die Amputation der geschädigten Gliedmaßen.
Ist nekrotisierende Fasziitis heilbar?
Durch rechtzeitige antibiotische Therapie und chirurgische Sanierung kann nekrotisierende Fasziitis komplett ausheilen. Häufig bleiben jedoch Hautschäden in Form von Vernarbungen und Verfärbungen zurück. Die Chancen auf eine vollständige Genesung sind am größten, je schneller die Diagnose gestellt wird und je früher eine auf die verursachenden Erreger abgestimmte Antibiotikatherapie begonnen wird.
Prognose: Wie gefährlich ist nekrotisierende Fasziitis?
Auch bei schnellem Beginn einer geeigneten Behandlung verläuft nekrotisierende Fasziitis häufig tödlich. Insgesamt versterben zwischen fünfzehn und dreißig Prozent der Erkrankten. Besonders häufig tödlich sind Infektionen, die sich im Bereich des Oberkörpers (Rumpfes) ausbreiten.
Ein erhöhtes Risiko für einen schlechten Verlauf von nekrotisierender Fasziitis haben Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. Dazu zählen beispielsweise:
- Schlecht eingestellter Diabetes
- Geschwächtes Immunsystem (als Folge einer Erkrankung oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr abschwächen)
- Durchblutungsstörungen, vor allem der Beine wie periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK)
- Störungen des Lymphabflusses unterschiedlichster Ursache
- Vaskulitis (Entzündung der Blutgefäße)
Kann die nekrotisierende Fasziitis zurückkehren?
Nekrotisierende Fasziitis kann zurückkehren, in Form einer erneuten Infektion. Das geschieht vor allem bei Menschen mit Risikofaktoren wie Durchblutungsstörungen oder Immunschwäche.
Nekrotisierende Fasziitis: Vorbeugung
Zur Vorbeugung der nekrotisierenden Fasziitis ist es wichtig, Risikofaktoren so gut wie möglich zu reduzieren. Dazu zählen vor allem die konsequente Behandlung von Erkrankungen, die das Risiko für Wundinfektionen erhöhen (vor allem Diabetes und Durchblutungsstörungen).
Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)
Stand: 22.11.2023
- Springer-Medizin: Haut- und Weichteilinfektionen
- MSD Manuals: Nekrotisierende Weichteilinfektionen
- Deximed Hausarztwissen Online: Nekrotisierende Weichteilinfektionen