Korsakow-Syndrom
Das Korsakow-Syndrom ist eine stark einschränkende Gedächtnisstörung, die in den meisten Fällen durch einen Mangel an Vitamin B1 (Thiamin) entsteht. Am häufigsten entsteht dieser Mangel durch starken langjährigen Alkoholmissbrauch. Was ist ein Korsakow-Syndrom genau? Und was ein Wernicke-Korsakow-Syndrom? Lesen Sie mehr über Symptome, Ursachen und Therapie dieser Amnesie.
Synonyme
Morbus Korsakow, amnestisches Psychosyndrom, Korsakow-Symptomenkomplex, Korsakow-Symptomenkreis
Definition
Was ist ein Korsakow-Syndrom?
Das Korsakow-Syndrom ist eine Erkrankung aus dem Formenkreis der Gedächtnisstörungen (Amnesien). Auslöser des Korsakow-Syndroms ist ein Mangel an Vitamin B1 (Thiamin), der wiederum häufig durch langen Alkoholmissbrauch entsteht. Menschen mit Korsakow-Syndrom haben Probleme, Gedächtnisinhalte korrekt abzurufen (retrograde Amnesie) oder neu Erlebtes und Erlerntes im Gedächtnis zu behalten (anterograde Amnesie). Die anterograde Amnesie ist bei den meisten Betroffenen deutlich stärker ausgeprägt.
Der Symptomkomplex des Korsakow-Syndroms ist mitunter auch Folge von Schlaganfällen, Schädel-Hirn-Traumata, Hirntumoren oder Vergiftungen. Bei vielen Betroffenen tritt das Krankheitsbild als Folge der sogenannten Wernicke-Enzephalopathie auf.
Was ist das Wernicke-Korsakow-Syndrom?
Die Wernicke-Enzephalopathie ist eine Gehirnerkrankung, die akut auftreten kann und die dem Korsakow-Syndrom oft vorangeht. Im Verlauf der Wernicke-Enzephalopathie kann das Korsakow-Syndrom auftreten: Dann sprechen Mediziner von einem Wernicke-Korsakow-Syndrom.
Ursache der Wernicke-Enzephalopathie ist ebenfalls Vitamin B1-Mangel, der durch Alkoholmissbrauch, Mangelernährung infolge von Essstörungen oder Darmerkrankungen entsteht.
Vitamin B1-Mangel schadet dem Gehirn
Thiamin (Vitamin B1) hat als Coenzym eine wichtige Funktion im Stoffwechsel. Ein Mangel an Thiamin kann zu schwerwiegenden Störungen von wichtigen Stoffwechselprozessen führen. Die Wernicke-Enzephalopathie tritt folglich in jenen Regionen des Gehirns auf, die einen besonders hohen Bedarf an Thiamin aufweisen. Es kommt dann zu kleinen Einblutungen und zum Verlust von Ganglienzellen in diesen Arealen. Das macht sich durch Symptome wie Bewusstseinsstörungen, Desorientiertheit, unwillkürlichen Augenbewegungen und einem unsicheren Gangbild bemerkbar.
Häufigkeit
Zur Häufigkeit des Korsakow-Syndroms in Deutschland existieren keine verlässlichen Daten. Für die Wernicke-Enzephalopathie geben Epidemiologen eine Gesamthäufigkeit von 0,3 bis 0,8 Prozent an. Diese Angaben beziehen sich jedoch auf Erkenntnisse, die im Rahmen von Leichenbeschauen gewonnen wurden. Bei Untersuchungen wird die Wernicke-Enzephalopathie noch seltener diagnostiziert. Möglicherweise werden wenig ausgeprägte Verlaufsformen von Korsakow-Syndrom und Wernicke-Enzephalopathie schlicht nur selten als solche erkannt.
Symptome
Was sind Symptome des Korsakow-Syndroms?
Leitsymptome des Korsakow-Syndroms sind Gedächtnisstörungen, die sowohl das Kurzzeit- als auch das Langzeitgedächtnis betreffen. Am häufigsten tritt dabei die anterograde („nach vorne gerichtete”) Amnesie auf: Wer darunter leidet, hat Schwierigkeiten, sich neue Bewusstseinsinhalte zu merken, auch wenn diese erst kurz zuvor erlebt oder erlernt wurden. Menschen mit Korsakow-Syndrom erwecken oft einen verwirrten, desorientierten Eindruck. Sie können etwa auf Fragen, die sich auf kurz zuvor geäußerte Sachverhalte beziehen, nicht korrekt antworten – jedoch nicht, weil sie die Inhalte nicht verstanden, sondern weil sie sie vergessen haben. Seltener besteht auch eine retrograde („rückwärts gerichtete”) Amnesie, bei der die Erinnerung an lang zurückliegende Ereignisse deutlich eingeschränkt ist.
Anterograde Amnesie
Die anterograde Amnesie ist eine Gedächtnisstörung, bei der neue Inhalte auch kurzfristig nicht im Gedächtnis bleiben. Im Gespräch mit Betroffenen entsteht der Eindruck zeitlicher und/oder örtlicher Desorientierung und Verwirrtheit: Zum Beispiel sind Korsakow-Erkrankte oft nicht mehr in der Lage, ihren Aufenthaltsort zu benennen. Auch verwechseln sie Namen aktueller Gesprächspartner mit jenen von Verwandten oder Freunden oder finden Gegenstände nicht, die sie kurz zuvor noch in der Hand hielten.
Retrograde Amnesie
Zuweilen haben Korsakow-Erkrankte große Schwierigkeiten, länger zurückliegende Erinnerungen abzurufen, selbst wenn diese für sie von großer Bedeutung waren. Diese retrograde Amnesie bezieht sich zum Beispiel auf Angaben zu wichtigen biografischen Details. Auch verwechseln die Erkrankten nahestehende Personen mit Fremden oder ersetzen fehlende Erinnerung unbewusst durch frei erfundene Inhalte (Konfabulation).
Weitere Symptome
Das Korsakow-Syndrom ist mitunter begleitet von weiteren psychiatrischen Symptomen wie Antriebsarmut, depressiver Verstimmung, Abgeschlagenheit, leichter Ermüdbarkeit, Aggressivität oder Stimmungsschwankungen. Neben diesen Symptomen sind auch Schädigungen peripherer Nerven sowie des autonomen Nervensystems häufig. Als Folge dieser Schädigungen entstehen sogenannte Polyneuropathien. Typische Anzeichen dafür sind Störungen der Motorik und Sensibilität (vor allem in den Beinen), Hautblässe und verstärkte Kälteempfindlichkeit.
Wie verläuft das Korsakow-Syndrom?
Zu Beginn zeigen sich die Symptome des Korsakow-Syndroms oft nur in geringem Ausmaß. Betroffene sind noch in der Lage, logisch sinnvolle Gespräche zu führen oder komplexe Tätigkeiten auszuführen. Gleichzeitig zeigen sie erkennbare Schwierigkeiten, sich neue Informationen zu merken. Im weiteren Verlauf der Erkrankung vertiefen sich die Gedächtnisstörungen. Orientierungsschwierigkeiten kommen hinzu und einige Erkrankte beginnen, ihre Gedächtnislücken unbewusst mit Konfabulationen auszufüllen.
Unbehandelt kann die Krankheit zu einer so starken Beeinträchtigung führen, dass ein selbstständiges Leben nicht mehr möglich ist. Betroffene sind dann dauerhaft auf Betreuung angewiesen.
Ursachen
Was sind die Ursachen des Korsakow-Syndroms?
Zu den Hauptrisiken für das Entstehen eines Korsakow-Syndroms zählt ein lange andauernder, chronischer Alkoholmissbrauch. Wer regelmäßig große Mengen Alkohol zu sich nimmt, leidet häufig an Mangelernährung und damit auch an einem Mangel an Thiamin (Vitamin B1). Sei es, weil zu wenig vitaminreiche Nahrungsmittel aufgenommen werden oder weil die aufgenommene Nahrung nicht mehr entsprechend verwertet werden kann.
Ein Mangel an Vitamin B1 entsteht auch bei Essstörungen wie der Ess-Brech-Sucht (Bulimie) oder der Magersucht (Anorexie) sowie bei Störungen der Nährstoffaufnahme im Bereich des Dünndarms (Zöliakie, Morbus Whipple, Kurzdarmsyndrom).
Weitere mögliche Ursachen für die Entstehung eines Korsakow-Syndroms sind:
- Hirnblutungen
- Hirntumoren
- Schädel-Hirn-Trauma
- Infektionen (Borreliose, Enzephalitis, Meningitis, Typhus und weitere)
- Vergiftungen (z. B. durch Kohlenstoffmonoxid)
- Sauerstoffmangel
Eine genetische Veranlagung (Disposition) dürfte bei der Entstehung des Korsakow-Syndroms ebenfalls eine Rolle spielen.
Untersuchung
Die Diagnose Korsakow-Syndrom stellen Ärzte zumeist anhand der wahrnehmbaren Symptome. Als erster Hinweis dient chronischer Alkoholmissbrauch in der Krankengeschichte. Vitamin B1-Mangel lässt sich mit einer Blutuntersuchung feststellen.
Alkoholismus und Vitamin B-Mangel sind nicht die einzigen möglichen Ursachen für demenzielle Symptome wie beim Korsakow-Syndrom und der Wernicke-Enzephalopathie. Um beispielsweise Alzheimer, Hirntumoren oder andere Erkrankungen auszuschließen, erfordert es häufig weitere fachmedizinische Untersuchungen. Auch bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT). Messungen der Hirnströme (EEG) und Untersuchungen von Blut oder durch eine Lumbalpunktion gewonnene Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) liefern mitunter weitere Anhaltspunkte für die zuverlässige Diagnose.
Behandlung
Was tun bei Korsakow-Syndrom?
Die Therapie des Korsakow-Syndroms richtet sich nach der Ursache der Erkrankung und nach ihrer Ausprägung. Einmal entstandene Schäden sind nicht mehr umkehrbar. Da es sich um einen chronischen Verlauf handelt, ist eine Heilung nicht möglich. Therapeutisches Ziel ist es deshalb, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern oder hinauszuzögern und Symptome zu lindern.
Bei alkoholbedingtem Vitamin B1-Mangel als Ursache der Erkrankung umfasst die Therapie zwei Maßnahmen: nämlich die Gabe von Vitamin B1 und den absoluten Verzicht auf Alkohol. Je früher dies erfolgt, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Das gilt vor allem für die häufig als Vorstufe des Korsakow-Syndrom auftretende Wernicke-Enzephalopathie.
Bei Mangelernährung als Ursache kann es notwendig sein, auch weitere Mineralstoffe, Elektrolyte (Kalium, Natrium, Magnesium) und Vitamine zu ersetzen sowie die auslösende Erkrankung (beispielsweise Essstörungen oder Darmkrankheiten) zu behandeln.
Bei einigen Menschen mit Korsakow-Syndrom lässt sich die Gedächtnisleistung mit gezielten Rehabilitationsmaßnahmen günstig beeinflussen. So profitieren Betroffene beispielsweise von Übungen, die das Kurzzeitgedächtnis trainieren, von Bewegungsspielen und gemeinschaftlichem Singen und Musizieren.
Um die Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten, bieten sich auch unterstützende Therapien aus den Fachbereichen Psychiatrie, Psychotherapie, Neuropsychiatrie, Neurologie, Ernährungsberatung und Sozialarbeit an.
Prognose
Das Korsakow-Syndrom ist grundsätzlich nicht heilbar. Durch die Erkrankung verursachte Beeinträchtigungen lassen sich nicht umkehren.
Da dem Korsakow-Syndrom in den meisten Fällen eine Wernicke-Enzephalopathie vorausgeht, ist die rasche Behandlung des Vitamin B1-Mangels auch für die Prognose von Bedeutung. Sowohl für das Korsakow- als auch für das Wernicke-Korsakow-Syndrom gilt: Die Aussichten auf einen wenig beeinträchtigenden Verlauf sind umso besser, je früher auf Alkohol verzichtet wird. Beim nicht alkoholbedingten Korsakow-Syndrom hängt der weitere Verlauf von der Behandlung der Grunderkrankung ab.
Ein bereits stark ausgeprägtes Korsakow-Syndrom bildet sich auch bei optimaler Behandlung nicht mehr zurück. Durch therapeutische Maßnahmen, eine geeignete Ernährungsform und den Verzicht auf Alkohol lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung jedoch positiv beeinflussen.
Vorbeugung
Größter Risikofaktor für die Entwicklung eines Korsakow-Syndroms ist langjährige Alkoholabhängigkeit. Der weitgehende Verzicht auf Alkohol ist daher das wichtigste Mittel, um einem Korsakow-Syndrom vorzubeugen.
Eine gesunde Ernährungsweise mit einer ausreichenden Zufuhr von wichtigen Nährstoffen und Vitaminen trägt dazu bei, Mangelernährung vorzubeugen – und damit auch einer Wernicke-Enzephalopathie.
Lässt sich Mangelernährung durch eine ausgewogene Ernährungsweise nicht ausschließen (beispielsweise wegen Darmerkrankungen), kann es sinnvoll sein, Vitamin B1 in Form von Tabletten einzunehmen. Das sollte dann aber immer mit den behandelnden Ärzten abgestimmt werden.
Um dem Auftreten eines Korsakow-Syndroms als Folge einer Wernicke-Enzephalopathie vorzubeugen, ist es auch möglich, eine gewisse Zeit lang Vitamin B als Infusion zu verabreichen. Ob das im Einzelfall sinnvoll ist, muss mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden.
Autor: Charly Kahle, fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)
Stand: 31.01.2022