Hypochondrie - Die Angst vor Krankheiten

Hypochonder sind überzeugt, krank zu sein – immer wieder aufs Neue. Und Sie müssen sich stets ärztlich versichern lassen, nicht krank zu sein. Doch dieses beruhigende Gefühl hält nicht lange an. Schon kurz darauf beschleicht die Betroffenen wieder die Furcht, schlimm erkrankt zu sein.

Definition: Was ist Hypochondrie?

Hypochondrie ist die unbegründete, aber ausgeprägte, Angst, krank zu werden oder krank zu sein. Diese Befürchtung kann zwanghaft werden. Hypochondrie ist im medizinischen Sinn keine eigenständige Krankheit, sie wird – je nach Ausprägung – einer Zwangsstörung, einer Angsterkrankung, einer Schizophrenie oder einer Depression zugeordnet. Typisch für Hypochonder: Sie müssen sich immer wieder ärztlich bestätigen lassen, dass sie gesund sind. Doch auch das beruhigt sie nur von kurzer Dauer, schnell beherrschen wieder Unsicherheit und Panik das Denken. Eine Unterform der Hypochondrie ist die Cyberchondrie, sozusagen eine moderne Form der Hypochondrie. Hier gehen Betroffene nicht zum Arzt, sondern suchen fieberhaft im Internet nach ihrer befürchteten Erkrankung.

Weist dieser Muskelkrampf auf eine schwerwiegende Stoffwechselentgleisung hin? Klingt dieser Husten nicht gefährlich? War der Leberfleck nicht gestern noch eine Spur heller? Kommen die Kopfschmerzen von einer Tumorerkrankung im Gehirn oder sind meine Verdauungsstörungen auf Darmkrebs zurückzuführen? Diese und ähnliche Fragen kreisen dem Hypochonder fortwährend durch den Kopf. Erste Anzeichen tauchen in der Regel erst nach der Pubertät auf.

Hypochondrie ist eine ernste Erkrankung

Hypochonder werden oft nicht ernst genommen. Ihnen wird gerne unterstellt, sie seien Simulanten oder Jammerer. Experten verweisen jedoch darauf, dass es sich dabei um eine ernst zu nehmende, psychische Erkrankung handelt, die ärztlich behandelt werden muss. Es gilt: Hypochonder gehen nicht wegen eines Zipperleins zum Arzt, sondern weil ihre Seele leidet.

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht – so das Sprichwort. Darunter haben Hypochonder gelegentlich bei Ärzten zu leiden. Da Hypochonder auch bei nichtigen Beschwerden meinen, schwer erkrankt zu sein, werden manchmal Symptome einer echten ernsten Erkrankung vom Arzt falsch bewertet. Da kann es sogar geschehen, dass ein Hypochonder nicht entsprechend behandelt wird.

Häufigkeit von Hypochondrie

Über die Häufigkeit von Hypochondrie gibt es nur wenige und auch nur bedings aussagekräftige Studien. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 0,5 bis 1 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland die Kriterien für die Diagnose erfüllt. Bis zu 7 Prozent der Männer und Frauen sind demnach überdurchschnittlich besorgt oder ängstlich, dass es um ihre Gesundheit nicht gut stehe. Diese Sorgen und Ängste erfüllen aber nicht die Kritierien für Hypochondrie. Hypochondrie gilt als bei Frauen und Männern gleich häufig.

Hypochondrie: Symptome

Menschen mit Hypochondrie beobachten voller Misstrauen und Furcht ständig ihren Körper und ihre Reaktionen – sie sind ständig auf der Suche nach möglichen Krankheitszeichen. Jede Abweichung vom normalen gesundheitlichen Empfinden, also jedes Jucken, Husten oder Ziehen, wird als Anzeichen einer ernst zu nehmenden Erkrankung gewertet.

Die Befürchtungen können vage sein, sich aber auch sehr konkret auf Symptome oder – meist schwere - Krankheiten beziehen. Ärztliche Versicherungen der eigenen Gesundheit beruhigen die Betroffenen nur für sehr kurze Zeit. Hypochonder weigern sich, Diagnosen zu akzeptieren, die ihre befürchtete Erkrankung nicht bestätigen. Die angstfreien Phasen bis zum nächsten Arztbesuch werden immer kürzer.

Dauert die Hypochondrie längere Zeit an, drohen ernste Konsequenzen: Betroffene beginnen, sich von ihrer Umwelt zu isolieren, sich abzukapseln. Furcht und Niedergeschlagenheit dominieren ihre Empfindungen. Umgekehrt verlieren Freunde das Interesse am Kontakt mit Hypochondern, weil diese nur noch über ihre vermeintlichen Krankheiten reden. Die Betroffenen fühlen sich umgekehrt nicht mehr ernst genommen und im Stich gelassen.

Depressive Stimmungsschwankungen und wahnhaftes Verhalten können auftreten. In schweren Fällen drohen Probleme im privaten und beruflichen Umfeld sowie der soziale Abstieg.

Hypochondrie: Ursachen

Die Ursachen einer Hypochondrie können noch nicht zweifelsfrei benannt werden. Für eine erbliche Veranlagung gibt es keine schlüssigen Hinweise. Wissenschaftler diskutieren über eine möglicherweise veränderte Hirnfunktionen bei Menschen mit Hypochondrie. Holländische Forscher entdeckten nämlich, dass bestimmte Hirnbereiche, die das Gefühlserleben verarbeiten und die Aufmerksamkeit in bestimmte Richtungen lenken, bei Hypochondrie überaktiv und leicht von Kleinigkeiten beeinflussbar sind.

Der Umgang mit Krankheiten wird in der Kindheit geprägt

Warum viele Hypochonder nicht angemessen mit dem Thema Gesundheit umgehen können, sehen Mediziner zum Teil in deren Kindheit begründet. Dazu gehören:

  • übervorsichtige Eltern, die ständig eine Erkrankung des Kindes befürchten und deswegen auch häufig mit dem Kind zum Arzt gehen oder einen Rettungswagen rufen
  • wirkliche, eigene schwere Krankheiten im Kindesalter (wie akute Leukämie oder andere Krebsformen)
  • ernste Erkrankungen oder auch der Tod von nahen Familienmitgliedern im Kindesalter.

Auslöser von Hypochondrie bei Erwachsenen

Auslöser der zwanghaften Ängste bei Hypochondrie als Erwachsene können sein:

  • Traumatische Erlebnisse (etwa Tod eines geliebten Menschen)
  • Lebensphasen mit viel Stress
  • Schwerwiegende Diagnosen (wie Krebs), die sich als falsch herausstellen (sogenannte Fehldiagnosen).

Hypochondrie im Medizinstudium

Viele Medizinstudenten fürchten im Laufe ihres Studiums, an den Erkrankungen zu leiden, die gerade Thema sind. Das gilt ebenso für Heilpraktikeranwärter oder Pflegepersonal. Im Allgemeinen ist diese Hypochondrie aber nur von kurzer Dauer und geht vorüber.

Hypochondrie: Behandlung

Die Behandlung der Hypochondrie ist vor allem deswegen schwierig, weil es Symptom der Krankheit ist, dass die Betroffenen sich krank wähnen – aber eben nicht an Hypochondrie erkrankt. Vielmehr glauben die Patienten fest an die jeweils aktuell eingebildete Krankheit. Wenn der Arzt beispielsweise die eingebildete Krebserkrankung aus der Sicht des Patienten einfach nur nicht wahrhaben will, fühlen sich die Patienten häufig missverstanden und verlieren das Vertrauen in den behandelnden Arzt. Angesichts dieses Wechselspiels ist es also die erste Herausforderung für den diagnostizierenden Arzt, den Patienten zu einer Hypochondrie-Behandlung zu bewegen. Oft besteht diese Behandlung aus einer Kombination von psychotherapeutischen Maßnahmen und der Gabe von Medikamenten. Ein allseits anerkanntes therapeutisches Konzept gegen Hypochondrie gibt es jedoch nicht. Die besten Heilungschancen bietet die Therapie in speziellen psychosomatischen Zentren sowie bei Psychiatern oder einem Psychotherapeuten.

Psychotherapie gegen Hypochondrie

Das Mittel der Wahl in der Therapie der Hypochondrie ist die Psychotherapie. Dabei geht es vor allem darum, das Vertrauen des Kranken in den eigenen Körper wieder zu stärken und ihm seine Ängste zu nehmen. Eine Studie aus Frankfurt am Main zeigte, dass eine sogenannte kognitive Verhaltenstherapie (eigene körperliche Empfindungen kritisch hinterfragen) in Kombination mit einer Konfrontationstherapie (sich seinen Befürchtungen stellen und dadurch seine Ängste wieder kontrollieren) die besten Erfolgsaussichten hat. Diese Therapie bei Hypochondrie wird vor allem in spezialisierten psychosomatischen Kliniken zur Behandlung von Gesundheitsängsten angewendet.

Psychosensorische Verfahren

Bei der Behandlung von Ängsten, also auch der Angst vor Krankheiten, werden mit zunehmendem Erfolg sogenannte psychosensorische Techniken eingesetzt. im Rahmen von psychotherapeutischen Verfahren wird der Patient beispielsweise mittels Licht, Farben, Musik und Wärme in einen Zustand tiefer Entspannung, Geborgenheit und Harmonie geführt. Bekannte psychosensorische Techniken sind EMDR nach Shapiro, TFT nach Callahan, EFT nach Craig, OEI nach Bradshaw und Kollegen oder „Havening“ nach Ruden.

Medikamentöse Therapie von Hypochondrie

Bei ernsten Verläufen mit depressiven Verstimmungen werden teilweise Antidepressiva verordnet. Wirkstoffe sind beispielsweise Amitriptylin, Clomipramin, Desipramin, Doxepin. Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin und Paroxetin.

Bei schwerer schizophrener Symptomatik bzw. hypochondrischem Wahn sind Nervendämpfungsmittel (Neuroleptika) Mittel der Wahl. Typische Wirkstoffe aus dieser Gruppe sind Amisulpirid, Clozapin, Melperon, Pipamperon oder Risperidon.

Selbsthilfe gegen Hypochondrie

Lassen Sie nicht zu, dass Ihre Ängste überhandnehmen. Wenn mehrere Ärzte versichern, dass Sie gesund sind: Vertrauen Sie ihnen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum alle Mediziner Ihnen die Unwahrheit sagen sollten.

Nehmen Sie die Möglichkeiten zur Gesundheitsvorsorge wahr. Damit spannen Sie ein gutes Sicherheitsnetz. Und: Sprechen Sie mit Angehörigen und Freunden über Ihre Ängstlichkeit. Manches löst sich dann schnell in Rauch auf. Das ist allemal besser, als sich im stillen Kämmerlein unnötig Sorgen zu machen und sich in etwas hineinzusteigern.

Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur)

Stand: 23.05.2023

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