HWS-Syndrom
Der Begriff HWS-Syndrom steht für schmerzhafte Nacken- und Rückenbeschwerden im Bereich der Halswirbelsäule. Sie sind meist Folge von Verletzungen oder Erkrankungen der Wirbelsäule. Lesen Sie mehr über Ursachen, Dauer und Therapiemöglichkeiten.
Synonyme
Halswirbelsäulensyndrom, Zervikalsyndrom, Zervikalgie, Zervikobrachialsyndrom, zervikobrachiales Syndrom, zervikomedulläres Syndrom, zervikoenzephales Syndrom, HWS-Facettensyndrom
Definition: Was ist HWS-Syndrom?
Als HWS-Syndrom bezeichnen Mediziner Schmerzen, Verspannungen und weitere Beschwerden, die von der Halswirbelsäule (HWS) ausgehen. Oft strahlen HWS-Schmerzen vom Nacken in den Rücken, die Schultern sowie in die Arme und Hände aus. Die Symptome des HWS-Syndroms können vorübergehend sein oder auch dauerhaft zu starken Einschränkungen im Lebensalltag führen.
Die möglichen Ursachen für ein HWS-Syndrom sind vielfältig. Sie reichen von Wirbelblockaden durch Zugluft, körperlicher Überanstrengung und Unfallverletzungen (HWS-Schleudertrauma) über angeborene Fehlstellungen, alterungsbedingten Verschleiß (degenerative Veränderungen) bis hin zu krankhaften Abbau- und Entzündungsvorgängen an der Wirbelsäule.
Akutes HWS-Syndrom und chronisches HWS-Syndrom
Treten die Beschwerden an Nacken und Rücken plötzlich auf, zum Beispiel als Folge von Zugluft oder Verletzungen, spricht man von einem akuten HWS-Syndrom. Wenn sich die Symptome über einen längeren Zeitraum entwickeln, auf krankhaften Veränderungen der Wirbelsäule beruhen und länger als 3 Monate anhalten, sprechen Mediziner von einem chronischen HWS-Syndrom.
HWS-Syndrom Behandlung
Je nach Ursache und Ausprägung des HWS-Syndroms werden meist mehrere Behandlungsansätze kombiniert. Dazu gehören physikalische Therapien wie Wärmeanwendungen, manuelle Therapien, Massagen sowie Schmerzbehandlung und Krankengymnastik. In manchen Fällen, beispielsweise bei einem Bandscheibenvorfall oder bei fortgeschrittenen Verschleißerkrankungen wie einer Facettengelenksarthrose der Wirbelgelenke oder einer Spinalstenose (Verengung des Rückenmarkkanals) kann eine Operation notwendig sein.
Häufigkeit
Die Häufigkeit von HWS-Syndromen wird nicht erfasst. Experten schätzen, dass in Europa jährlich ein Viertel aller Erwachsenen von einem HWS-Syndrom betroffen ist. Bezogen auf die Lebenszeit geht man davon aus, dass jeder zweite Mensch mindestens einmal im Leben an Nackenschmerzen mit oder ohne „steifem Hals“ leidet. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Was sind typische HWS-Symptome?
Schmerzen im Nacken, Muskelverspannungen und Funktionseinschränkungen bis zum „steifen Hals“ zählen zu den häufigsten Symptomen des HWS-Syndroms. Die Schmerzen strahlen häufig in andere Körperteile aus und können so stark sein, dass jede Bewegung unmöglich wird. Die Lebensqualität ist mitunter extrem eingeschränkt.
HWS-Syndrom: Wo Schmerzen auftreten
Das HWS-Syndrom kann Schultern, Rücken, Arme und Hände in Mitleidenschaft ziehen, mit starken Schmerzen, Verspannungen und Bewegungseinschränkungen. Wo Kopfschmerzen beim HWS-Syndrom das Krankheitsbild bestimmen, gehen sie meist vom Hinterkopf aus (Spannungskopfschmerzen). Auch Sehstörungen und Ohrensausen (Tinnitus) können die Folge sein.
Weitere mögliche HWS-Syndrom-Symptome:
- Benommenheit und Schwindel
- Taubheitsgefühle, Kribbeln und „Ameisenlaufen“ in Schultern, Armen oder Fingern
- Lähmungserscheinungen
- Übelkeit
- Kieferschmerzen
- Schluckbeschwerden
- Schlafstörungen
Ursachen: Was verursacht ein HWS-Syndrom?
Ein großer Teil der HWS-Syndrome geht auf krankhafte Abbauvorgänge an den Gelenken zurück. Bei diesen sogenannten degenerativen Veränderungen handelt es sich meist um Verschleißerscheinungen wie Arthrose, krankhafte Knochenneubildungen (Knochensporn oder Ostephyten) sowie Bandscheibenvorfälle.
Angeborene Fehlstellungen der Wirbelsäule wie eine seitliche Verbiegung (Skoliose) können ein HWS-Syndrom auslösen. Entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, die rheumatische Autoimmunerkrankung Morbus Bechterew oder Infektionen der Wirbelsäule sind weitere mögliche Ursachen, ebenso Knochenschwund (Osteoporose) und Knochenerweichung (Rachitis).
HWS-Syndrom und Schleudertrauma
Eine häufige Ursache für das HWS-Syndrom ist das sogenannte Schleudertrauma nach einem Auffahrunfall, also eine plötzliche, ruckartige Kopfbewegung, verbunden mit Muskelzerrungen im Bereich der Halswirbelsäule. Solche ruckartigen Beschleunigungen treten mitunter auch bei anderen Unfällen wie Stürzen auf. Eine weitere beschleunigungsbedingte Ursache von HWS-Syndrom sind Belastungen bei Sportarten wie Fußball oder beim Boxen (und anderen Kampfsportarten). Neben Verletzungen kommen darüber hinaus auch Krebserkrankungen (Tumoren und Metastasen) als Ursache für das HWS-Syndrom infrage.
Spezifische und unspezifische HWS-Syndrome
Mediziner unterscheiden nach der Ursache in spezifische und unspezifische HWS-Syndrome:
Bei einer eindeutig sichtbaren Veränderung im Bereich der Halswirbelsäule sprechen Mediziner von einem spezifischen HWS-Syndrom. Wenn keine erkennbaren Veränderungen an Wirbeln, Wirbelgelenken oder Bandscheiben nachzuweisen sind, werden die Beschwerden als unspezifisches HWS-Syndrom bezeichnet.
Fehlhaltungen als Ursache von HWS-Syndrom
In vielen Fällen sind Fehlhaltungen der Grund für schmerzhafte Gelenkblockaden, Nackenbeschwerden, Schulterverspannungen und Nervenreizungen im Bereich der Halswirbelsäule. Als Ursachen kommen beispielsweise infrage: langes Sitzen am Computer, am Steuer oder vor dem Fernseher, falsches Liegen und plötzliche Bewegungen.
Aber auch übermäßige körperliche Belastungen und Zugluft können Auslöser für Beschwerden an der Halswirbelsäule sein. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor für das HWS-Syndrom sind Stress und psychische Probleme.
Untersuchung: Wie wird ein HWS-Syndrom festgestellt?
Im Rahmen der körperlichen Untersuchung prüfen Ärzte (meistens Orthopäden) die Beweglichkeit von Nacken, Schultern und Armen. Die Muskulatur wird auf Verspannungen und Verhärtungen untersucht. Röntgenaufnahmen, Magnetresonanztomografie (MRT) und neurologische Untersuchungen tragen bedarfsweise zur Diagnosestellung bei.
Bei der Untersuchung sollte die seltene, aber unter Umständen gefährliche Hirnhautentzündung (Meningitis) ausgeschlossen werden, die ebenfalls durch Nackensteifigkeit, Benommenheit und starke Kopfschmerzen gekennzeichnet ist.
Welche Möglichkeiten der HWS-Syndrom-Behandlung gibt es?
Die Therapie richtet sich nach den Ursachen der Beschwerden und deren Ausprägung. Meist umfasst sie eine Reihe nicht-operativer Maßnahmen, in manchen Fällen kann allerdings auch eine Operation notwendig sein.
Nicht-operative Therapien bei HWS-Syndrom
Zu gängigen nicht-operativen Behandlungsmethoden bei HWS-Syndromen zählen:
- Ruhigstellung
- Physikalische Therapien mit Wärmeanwendungen (Rotlicht, Fango) und Reizstrom
- Manuelle Therapie zur Lösung von Blockaden und Förderung der Gelenkbeweglichkeit
- Osteopathie
- Massagen
- Krankengymnastik
- Tragen einer Halskrause
- Injektion von schmerzstillenden Medikamenten in die Muskulatur oder in das Wirbelgelenk (Neuraltherapie, Mesotherapie)
- Einnahme von Schmerzmitteln mit Wirkstoffen wie Ibuprofen, Diclofenac und Metamizol oder Muskelrelaxantien wie Tolperison
- Auftragen von schmerzlindernden Salben und Pflastern
- Extensionsbehandlung (Streckung)
- Chiropraktik (Einrenken)
HWS-Syndrom: Wann operieren?
Bei chronischen und wiederkehrenden HWS-Syndromen, die auf krankhafte Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule zurückgehen, kann eine operative Behandlung erwogen werden. So können verschleißbedingte (arthrotische) Veränderungen der Wirbelsäule zu einer Verengung des sogenannten Spinalkanals führen, also des Kanals innerhalb der Wirbelkörper, in dem das Rückenmark verläuft. Durch diese Verengung (Spinalkanalstenose) können die sogenannten Spinalnerven Schaden nehmen, was Schmerzen und Lähmungen verursachen kann. Wenn nicht-operative (konservative) Behandlungsmethoden keinen Erfolg zeigen, wird häufig zur Operation geraten. Dasselbe gilt für einen schmerzhaften Bandscheibenvorfall, der durch den Druck auf die Nerven zu Taubheitsgefühlen, Kribbeln und Lähmungserscheinungen führt.
Bei Verletzungen und Brüchen muss meist operiert werden, um die Wirbelsäule zu stabilisieren und das Rückenmark vor Schädigungen zu bewahren.
Prognose: Wie lange dauert ein HWS-Syndrom?
Wie lange ein HWS-Syndrom andauert, hängt von der jeweiligen Ursache und Ausprägung der Beschwerden ab. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie kann die Dauer der Erkrankung verkürzen.
Ein „akutes HWS-Syndrom“ klingt in der Regel innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen ab. Unter einem „subakuten HWS-Syndrom“ versteht man eine Erkrankungsdauer von 4 bis 12 Wochen. Ab einer Dauer von 3 Monaten spricht man von einer chronischen Erkrankung der Halswirbelsäule. Es gibt auch Verläufe, bei denen die Beschwerden verschwinden und wiederkehren. Dies wird als „rezidivierendes HWS-Syndrom“ bezeichnet.
Bei einem chronischen Verlauf aufgrund von Verschleiß- und Abbauprozessen oder entzündlichen Vorgängen der Halswirbelsäule muss mit starken Einschränkungen der Beweglichkeit und Lebensqualität gerechnet werden. Eine Operation kann in vielen Fällen die Beschwerden lindern. Manchmal ist es allerdings nicht möglich, die Symptome vollständig zu beseitigen.
Vorbeugung: Was schützt vor HWS-Syndrom?
Eine Vorbeugung von unfall- und verletzungsbedingten Formen des HWS-Syndroms ist kaum möglich. Bei verschleißbedingten und rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen kehren die Symptome meist wieder. Generell ist es ratsam, die Beweglichkeit der Nackenwirbelsäule zu trainieren und die Rückenmuskulatur zu stärken. Zusätzlich empfehlen Experten Maßnahmen wie:
- Aufrechte Körperhaltung
- Nutzung von orthopädischen Kissen
- Ergonomische Sitzmöbel
- Vermeiden von Stress
- Erlernen von Entspannungstechniken wie Autogenes Training und Progressive Muskelentspannung nach Jakobson (PME)
- Regelmäßige Nackenmassagen
Können bei HWS-Syndrom Übungen helfen?
Wer Nacken- und Schulterverspannungen vorbeugen will, sollte mit speziellen Übungen seinen Rücken stärken, die Beweglichkeit steigern und rückenschonende Bewegungsabläufe trainieren. Die Übungen können in einer Rückenschule erlernt werden. Bei chronischem oder wiederkehrendem HWS-Syndrom ist es notwendig, im Vorfeld medizinisch abzuklären, ob das Übungsprogramm für den Einzelfall geeignet ist.
Autor: Natasa Miokovic-Lutze, fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)
Stand: 31.01.2022
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- Kubosch DC, Gelenk-Klinik: HWS-Syndrom: Schmerzen in der Halswirbelsäule
- Mader FH, Brückner T (2019), Programmierte Diagnostik in der Allgemeinmedizin. Berlin: Springer
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- Sieler-Schulz A, Schmid R, (2010), Notfälle und Sofortmaßnahmen für Heilpraktiker. Isernhagen: ML-Verlag.