Hochsensibilität

Ist Hochsensibilität eine Krankheit? Gibt es zuverlässige Tests? Wie entkommen hoch sensible Menschen dem Kreislauf von Reizüberflutung und Überforderung, damit sie nicht krank werden? Hier finden Sie die Antworten auf diese und andere Fragen.

Synonyme

Hypersensibilität, Hochsensitivität

Definition: Was ist Hochsensibilität?

Hochsensibilität

Hochsensibilität ist keine wissenschaftlich exakt abgrenzbare Definition. Geprägt wurde der Begriff Ende der 90-iger Jahre von der US-amerikanischen Psychologin Elaine N. Aron. Sie definiert Hochsensibilität als Kombination von „hoher Sensitivität für subtile Reize als auch leichter Übererregbarkeit“. Mit einfachen Worten: Hochsensible Menschen reagieren besonders stark auf Reize unterschiedlichster Art, empfinden diese Reize als belastend und reagieren darauf oft mit Stress. Nicht wenige Psychologen betrachten das Konzept der Hochsensibilität aber auch sehr kritisch.

Ist Hochsensibilität eine anerkannte Krankheit?

Hochsensibilität ist weder eine Krankheit noch eine psychische Störung. Vielmehr betrachten Psychologen Hochsensibilität zunächst einmal als Persönlichkeitsmerkmal wie viele andere individuelle Eigenschaften, beispielsweise ein ausgeprägtes Bewegungstalent oder Musikalität. Allerdings erleben hoch sensible Menschen ihre besondere Empfindsamkeit mitunter nicht als Bereicherung, sondern als belastend. Das kann zu Stress und zu stressbedingten Erkrankungen wie Burn-out, Angststörungen oder Depressionen führen. Auch Vermeidungsverhalten begünstigt mitunter Verhaltensweisen, die krank machen können. Insofern lässt sich sagen, dass Hochsensibilität krank machen kann.

Was ist der Unterschied zwischen Autismus und Hochsensibilität?

Autismus und Hochsensibilität werden mitunter in einem Topf geworfen oder in inhaltliche Nähe gerückt. Dafür gibt es aus medizinischer oder psychologischer Sicht keine belastbare Grundlage. Sicher ist: Hochsensible Menschen reagieren sehr empfindlich auf Reize. Und Menschen mit Erkrankungen aus dem Bereich der Autismus-Spektrum-Störungen wie Asperger-Syndrom tun das nicht selten auch. Die Reizempfindlichkeit führt mitunter auch zu ähnlichen Verhaltensweisen, beispielsweise zu einem sozialen Rückzug. Dennoch unterscheiden sich Autismus und Hochsensibilität deutlich: Autismus ist eine meist angeborene neurologische Störung. Hochsensibilität hingegen eine individuelle Eigenschaft ohne primären Krankheitswert.

Häufigkeit: Wie viele Menschen sind hochsensibel?

Zur Häufigkeit von Hochsensibilität gibt es keine verlässlichen Angaben. Verschiedene Studien geben an, dass zwischen zehn und 30 Prozent der Menschen in Deutschland als hochsensibel gelten. Da es aber keine verlässlichen Kriterien für Hochsensibilität gibt, handelt es sich bei den Häufigkeitsangaben eher um Schätzungen.

Die meisten Studien zur Hochsensibilität weisen deutlich mehr hochsensible Frauen als Männer aus. Die Ursachen dafür sind nicht ausreichend erforscht. Forschende vermuten, dass klassische Rollenbilder wie das der empathischen Frau und des „harten Mannes“ die Ergebnisse verzerren könnten.

Symptome: Wie äußert sich Hochsensibilität?

Die Symptome von Hochsensibilität können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Gemeinsam ist hochsensiblen Menschen, dass sie auf innere und äußere Reize besonders empfindsam reagieren. Diese erhöhte Reizbarkeit bezieht sich auf Sinneswahrnehmungen, also auf Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und den Tastsinn ebenso wie die auf die Wahrnehmung von inneren Reizen, also beispielsweise der Wahrnehmung des Herzschlages, oder emotionale Reaktionen wie Traurigkeit oder Schmerzen.

Hochsensible Menschen regieren nicht auf jeden Reiz gleich. Es kann beispielsweise durchaus sein, dass Lärm einen hochsensiblen Menschen nicht stört, eine starke Lichtquelle aber großen Stress und übersteigerte emotionale Reaktionen hervorruft. In Umfragen bei hochsensiblen Menschen zählen Licht und Lärm zu den meistgenannten Stressoren.

Um sich den sie belastenden Reizen nicht unnötig auszusetzen, neigen hoch sensible Menschen nicht selten zu sozialem Rückzug. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang von einer Verhaltenshemmung. Zudem brauchen hoch sensible Menschen in der Regel mehr Zeit als die meisten anderen Menschen, um sich nach einer belastenden Reizwahrnehmung zu erholen.

Komplikationen von Hochsensibilität

Wenn hochsensible Menschen sich den sie belastenden Reizen nicht ausreichend entziehen können, entsteht chronischer Stress. Und dieser Stress begünstigt psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Zudem erhöht die Stressbelastung das Risiko für Erkrankungen ohne erkennbare körperliche Ursache (psychosomatische oder somatoforme Erkrankungen, chronische Schmerzen).

Ursachen: Woher kommt Hochsensibilität?

Die Ursachen von Hochsensibilität sind weitgehend ungeklärt. Als sicher gilt lediglich, dass die Neigung zur Hochsensibilität auch erblich (genetisch) ist. Dafür spricht, dass hochsensible Eltern überdurchschnittlich häufig Kinder mit Hochsensibilität zeugen.

Wie entsteht Hochsensibilität?

Reize aus der Umwelt werden über das Nervensystem als elektrische Impulse an das Gehirn gesendet – und erst dort in bewusste Wahrnehmung übersetzt. Hochsensibilität entsteht also, indem das Gehirn von hochsensiblen Menschen Reize aus dem Nervensystem anders verarbeitet als nicht-hochsensible Menschen. Hirnforschung und Psychologie bezeichnen das als „sensory processing sensitivity“. Was genau aber im Gehirn von Menschen mit Hochsensibilität geschieht, ist kaum erforscht.

Was man weiß: Im Gehirn gibt es zahlreiche Areale, die an der Reizverarbeitung beteiligt sind. Dazu gehören der Neokortex in der Großhirnrinde sowie Thalamus und Hypothalamus im Zwischenhirn. Die Forschung geht davon aus, dass diese Hirnareale bei hochsensiblen Menschen anders arbeiten und/oder miteinander kommunizieren.

Hochsensibilität: Diagnose und Untersuchungen

Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern eine individuelle Eigenschaft. Deshalb gibt es auch keine medizinischen Diagnosekriterien oder Untersuchungen.

Gibt es einen zuverlässigen Hochsensibilitäts-Test?

Es gibt eine ganze Reihe von Testverfahren für Hochsensibilität, aber keinen wissenschaftlich validen Test, der zuverlässig eindeutige Ergebnisse liefert. Vielmehr geht es meist um Selbsteinschätzungen. Die meisten Tests für Hochsensibilität, sogenannte HSP-Tests, basieren auf der Beantwortung von 27 Fragen, mit denen Elaine N. Aron die „Diagnose“ Hochsensibilität begründete. Hier finden Sie die englischsprachige Originalversion des Tests: „Are You Highly Sensitive?

Psychologen und Kliniken bieten weitere Tests auf Hochsensibilität. Dazu zählen beispielsweise der HSP-Test für Hochsensibilität (HSPT-L/K) von Dr. Lars Satow. Der Psychologe gilt als Experte für psychologische Testverfahren. Prof. Dr. Thilo Hinterberger vom Universitätsklinikum Regensburg hat das SV12-Inventar zur Erfassung von Sensibilität und deren Verarbeitungsproblematiken entwickelt. Online finden Sie den Test beispielsweise auf der Webseite der psychosomatischen Klinik Heiligenfeld.

Neben den seriösen Angeboten finden Sie im Internet viele Angebote für hochsensible Menschen, die mehr oder minder offensiv eigene Testverfahren und „Behandlungsmethoden“ bewerben.

Wann zum Arzt bei Hochsensibilität?

Hoch sensible Menschen tun gut daran, sich an einen Mediziner oder Psychologen zu wenden, wenn sie ihre besondere Empfindsamkeit als belastend erleben.

Behandlung: Was tun bei Hochsensibilität?

Hochsensibilität ist eine individuelle Form der Wahrnehmung, die sich nicht verändern lässt. Und es gibt in diesem Sinn keine Behandlung. Wenn hochsensible Menschen ihre Empfindsamkeit aber als belastend oder krankmachend erleben, ist dennoch Hilfe möglich. Die besteht vor allem darin, einen individuell passenden Umgang mit der persönlichen Wahrnehmung zu finden. Viele hochsensible Menschen berichten von sehr positiven Erfahrungen in Selbsthilfegruppen. Gespräche mit Psychologen sind eine weitere gute Möglichkeit.

Selbsthilfe: Was kann ich selbst bei Hochsensibilität tun?

Viele Menschen mit Hochsensibilität profitieren sehr von Entspannungsübungen. Yoga, autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Meditationsübungen helfen dabei, Stress abzubauen und insgesamt ausgeglichener zu werden.

Auch Bewegung trägt dazu, Anspannung abzubauen. Für hochsensible Menschen empfehlen sich vor allem sportliche Aktivitäten in eher reizarmen Umgebungen. Spazieren, Walking, Nordic Walking oder Radfahren in ruhiger Umgebung (Wald, Parks) sind dabei besser für die meisten geeignet als Kurse oder das Laufband im vollen Fitnessstudio.

Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)

Stand: 07.11.2025

Quelle:
  1. Psychologie heute: Hochsensibilität, zuletzt abgerufen am 27. November 2023
  2. HSP-Test für Hochsensibilität nach Dr.- Lars Satow, zuletzt abgerufen am 27. November 2023
  3. Pubmed: Der SV12: Entwicklung eines klinischen Inventars zur Erfassung von Sensibilität und deren Verarbeitungsproblematiken, zuletzt abgerufen am 27. November 2023
  4. Heiligenfeld Klinik: Fragebogen zur Sensibilität und Verarbeitung – SV12, zuletzt abgerufen am 27. November 2023
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