Harninkontinenz
Harninkontinenz oder Blasenschwäche geht oft mit einem Schamgefühl einher. Viele Betroffene reden nicht über Harninkontinenz - auch nicht mit ihrem Arzt. Ohne Behandlung können sich die Ursachen oft über Jahre weiter ausbreiten und die Harninkontinenz verstärken. Dabei ist Blasenschwäche in der Regel behandelbar. Hier lesen Sie mehr über die verschiedenen Formen von Inkontinenz und deren Symptome, Ursachen, Therapie und Selbsthilfe.
Synonyme
Blasenschwäche, Inkontinenz
Definition
Harninkontinenz bezeichnet das Unvermögen, den Harnabgang bewusst zu kontrollieren. Harninkontinenz wird auch als Blasenschwäche bezeichnet. Betroffene entwickeln häufig ein falsches Schamgefühl und ziehen sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Harninkontinenz ist jedoch eine Krankheit und kein "Fehlverhalten". Sie kann in jedem Lebensalter auftreten und es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen. Um eine Ausbreitung und Verstärkung der Inkontinenz entgegenzuwirken ist es wichtig, sich an einen Arzt zu wenden. Er wird Ihnen in aller Regel helfen können!
Symptome
Wie das Wort es sagt, ist bei Harninkontinenz die Fähigkeit eingeschränkt oder verloren gegangen, das Wasserlassen zu kontrollieren. In der Regel beginnt Harninkontinenz mit dem tröpfchenweisen ungewollten Abgang von Harn. Es gibt jedoch verschiedene Formen der Harninkontinenz, die sich unterschiedlich bemerkbar machen.
Die Formen der Blasenschwäche
- Belastungsinkontinenz: Wie der Name schon vermuten lässt, kommt es nach Belastungen – wie Druck im Bauchraum – zu unwillkürlichem Urinabgang. Auslöser dafür sind Heben schwerer Gegenstände, aber auch Lachen, Husten oder Niesen. Dabei kann der Urin tröpfeln oder im Strahl abgehen. Früher nannte man die Belastungsinkontinenz auch Stressinkontinenz.
- Dranginkontinenz: Bei dieser Inkontinenzform besteht ein plötzlicher, sehr starker Harndrang, obwohl die Blase nur unzureichend gefüllt ist. Betroffene schaffen es häufig nicht mehr zur Toilette und verlieren – zum Teil schwallartig – Urin.
- Mischinkontinenz: Betroffene haben Symptome der Belastungs- als auch der Dranginkontinenz.
- Reflexinkontinenz: Bei der Reflexinkontinenz verspüren Betroffene eine volle Blase nicht mehr. Mitunter können sie auch die Entleerung der Blase nicht mehr willentlich steuern, sodass sich die Blase wiederholt - aber unvollständig - von selbst leert.
- Überlaufinkontinenz: Bei der Überlaufinkontinenz läuft eine volle Blase über. Es tröpfelt also ständig Urin aus der gefüllten Blase. Zudem verspüren die Patienten einen ständigen Harnreiz.
- Extraurethrale Inkontinenz: Liegt die Ursache der Inkontinenz außerhalb der Harnwege, sprechen Mediziner von extraurethraler Inkontinenz. Häufig geht dabei über eine Fistel unwillkürliches Urin über den After oder die Scheide verloren.
- Nächtliches Einnässen: Nächtliches Einnässen ist bis zum 4. bis 5. Lebensjahr normal. Nässen ältere Kinder und Jugendliche, oder auch Erwachsenen regelmäßig nachts ein, heißt die medizinische Bezeichnung Enuresis nocturna. Dafür gibt es die vielfältigsten Ursachen. Beim nächtlichen Einnässen werden während des Schlafes große Mengen Urin verloren. Das Bett sei „patschnass" oder „schwimme" so die Eltern. Dies kann täglich oder auch mit „trockenen Phasen" geschehen. Betroffene und Angehörige sollten sich bei nächtlichem Einnässen vertrauensvoll an ihren Arzt wenden. Zudem finden Sie unter Bettnässen ausführliche Informationen zu kindlicher Harninkontinenz.
Ursachen
Die Ursachen von Harninkontinenz sind überaus vielfältig. Häufig handelt es sich um eine Kombination von Ursachen.
- Ursachen bei Männern: Harninkontinenz bei Männern geht häufig auf eine Prostatavergrößerung zurück. In diesen Fällen drückt die Vorsteherdrüse auf die Blase und schränkt gleichzeitig die Funktion des Schließmuskels der Harnröhre ein.
- Ursache Schwangerschaft: Bei schwangeren Frauen drückt das Kind mit zunehmender Größe häufig auf die Blase und provoziert so eine Harninkontinenz. Gleichzeitig ist bei Schwangeren die Muskulatur des Beckenbodens besonders beansprucht. Das kann das Verschließen der Harnröhre erschweren. Mit nahender Geburt schließlich erschlafft die Beckenbodenmuskulatur weiter, um die Geburt zu erleichtern. Unter Umständen fördert das eine Harninkontinenz weiter. Nach der Entbindung verschwindet die Harninkontinenz für gewöhnlich wieder.
Häufige Ursachen der Blasenschwäche im Überblick
bei Frauen:
- Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur durch Schwangerschaft oder Übergewicht
- Hormonmangel in den Wechseljahren
- altersbedingte Schließmuskelschwäche.
bei Männern:
- Prostatavergrößerung.
bei älteren Menschen:
- Schwäche des Blasenschließmuskels
- mangelnde Konzentrationsfähigkeit, zum Beispiel bei Demenz oder Alzheimer.
Allgemein:
- Blasenentzündungen
- Rückenmarks- oder Nervenerkrankungen
- Tumore
- Diabetes
- Multiple Sklerose
- Folge von Operationen, Unfällen
- angeborene Fehlbildungen
- Übergewicht und Bewegungsmangel
- Medikamente, wie Betablocker gegen zu hohen Blutdruck und Cholinesterase-Hemmer gegen Symptome von Alzheimer; Entwässerungsmittel (sogenannte Diuretika) verschlechtern mitunter eine Harninkontinenz.
Jede Form von unkontrolliertem Abgang von Urin sollten Sie schnellstmöglich mit Ihrem Arzt besprechen. Er kann die Diagnose stellen und gemeinsam mit Ihnen die Behandlung von Harninkontinenz einleiten.
Untersuchung
Zur Diagnose von Harninkontinenz gehören neben dem ausführlichen Gespräch über die Symptome, auch verschiedene Untersuchungen, um die Ursache der Harninkontinenz zu finden. So kann der Nachweis von Bakterien im Urin Hinweise auf eine Blasenentzündung oder Harnröhrenentzündung geben. Eine Ultraschalluntersuchung dient dazu, mögliche organische Veränderungen als Ursache von Harninkontinenz zu erkennen. Reichen diese Methoden nicht aus, kann der Facharzt den Blasendruck messen oder bei einer Blasenspiegelung nach auffälligen Veränderungen von Blase, Harnwegen oder Prostata suchen.
Behandlung
Bei der Therapie von Harninkontinenz gibt es unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten, die sich nach der Ursache der Symptome richten. Dazu zählen unter anderem eine medikamentöse und eine operative Behandlungen.
Medikamentöse Behandlung von Harninkontinenz
Je nach Ursache der Harninkontinenz eignen sich verschiedene Wirkstoffe zur medikamentösen Behandlung. Bei der sogenannten Dranginkontinenz ist es sinnvoll, die Blasenmuskulatur zu hemmen. Zu diesem Zweck können sogenannte Anticholinergika wie Oxybutinin, Propiverin, Tolterodin oder Trospiumchlorid eingesetzt werden. Allerdings sind diese Wirkstoffe nicht für alle Patienten geeignet, da sie zum einen häufig Nebenwirkungen haben und zum anderen mit manchen Medikamenten nicht kombiniert werden dürfen. Eine überaktive Blase wird zuweilen auch mit dem Botulinumtoxin (bekannt aus der Faltenbehandlung) gehemmt.
Bei Frauen mit Belastungsinkontinenz wirkt der antidepressive Wirkstoff Duloxetin gegen unfreiwilligen Urinabgang.
Ist ein Hormonmangel die Ursache der Harninkontinenz, schaffen pflanzliche oder chemische Östrogene Abhilfe. Östrogene wie Östriol können lokal als Zäpfchen oder Salbe in der Scheide angewendet werden.
Operative Behandlung von Harninkontinenz
Unter den operativen Verfahren gegen Harninkontinenz gelten – je nach Ursache – die Schlingen-Operation oder ein künstlicher Schließmuskel für die Harnröhre als die besterprobten und meistverwendeten Verfahren.
- Schlingenoperation: Bei der Schlingenoperation, die bei Männern und Frauen angewendet wird, legt der Chirurg eine Art Schlinge um den Schließmuskel der Harnröhre. Dadurch kann in vielen Fällen die Kontrolle über das Wasserlassen wieder gewonnen werden. Die Schlingenoperation erfolgt in der Regel ambulant bei einem endoskopischen Eingriff.
- Künstlicher Schließmuskel: Kann der Blasenschließmuskel durch eine Schlingenoperation nicht ausreichend stabilisiert werden oder ist diese Operation nicht möglich, so kann ein künstlicher Schließmuskel implantiert werden. Dabei platziert man eine Manschette um die Harnröhre, die über eine Pumpe von außen verschlossen oder geöffnet werden kann. Bei Männern wird die Pumpe häufig in den Hodensack implantiert. Nachteil der künstlichen Schließmuskel: Sie verursachen in der Regel eine Reihe von Komplikationen wie Harnwegsentzündungen. Außerdem müssen die Bauteile des Schließmuskels häufig gewechselt werden.
- Prostataoperationen: Bei Männern kann eine Prostataoperation dazu beitragen, Harninkontinenz zu beheben – oder leider auch – zu verursachen. Näheres dazu lesen Sie im Kranheitsbild Prostatavergrößerung.
Selbsthilfe bei Harninkontinenz
Selbsthilfe bei Harninkontinenz kann wesentlich dazu beitragen, den Erfolg einer medikamentösen Behandlung zu unterstützen oder sogar zu vermeiden.
- Beckenbodentraining: Ob bei Schwangerschaft, alterungsbedingt oder hormonell verursacht: Insbesondere Frauen profitieren bei Harninkontinenz von einem Beckenbodentraining. Die einfachste Form des Beckenbodentrainings: Unterbrechen Sie während des Wasserlassens den Harnstrahl durch muskuläre Anspannung. Sie können diese Übung aber auch jenseits der Toilette machen. Dann tun Sie einfach so, als wollten Sie einen Harnstrahl unterbrechen. Eine besondere Form des Beckenbodentrainings sind die sogenannten Kegelübungen. Fragen Sie Ihren Arzt und Ihre Hebamme nach entsprechenden Anleitungen. Auch Fitnessstudios und Volkshochschulen bieten häufig entsprechende Kurse an.
- Blase regelmäßig leeren: Auch die Blase lässt sich trainieren. Das geht am besten, wenn Sie Ihre Blase regelmäßig zu bestimmten Zeiten entleeren. Diese festen Rhythmen werden schnell zur Gewohnheit und helfen, starken Harndrang mit der Gefahr des ungewollten Harnverlustes zuvor zu kommen. Dieses Blasentraining sollte jedoch nur in Zusammenarbeit mit einem Arzt probiert werden.
- Geeignete Inkontinenzmaterialien verwenden: Die modernen Inkontinenzmaterialien sind vielfältig und speziell auf Frauen und Männer zugeschnitten. Sie reichen von ultradünnen, aber saugfähigen Einlagen über Inkontinenzslips- bzw. Badebekleidung und Kondom-Urinale. Lassen Sie sich am besten im Sanitätshaus oder einer Apotheke beraten. Normale Monatsbinden sind im Übrigen nicht bei Harninkontinenz geeignet.
- Katheterismus: Bei einigen Formen von Harninkontinenz, vor allem bei der Reflexinkontinenz, kann die Selbstkatheterisierung helfen. Dabei wird der Urin vom Betroffenen selbst über einen dünnen Kunststoffschlauch (dem Katheter) abgeleitet. Lassen Sie sich am besten von Ihrem Arzt beraten, ob diese Möglichkeit für Sie infrage kommt.
Abnehmen und weniger trinken
Achten Sie auf eine ausgewogene und frische Ernährung und vor allem auf eine ausreichende Trinkmenge.
- Reduzieren Sie keinesfalls die Flüssigkeitsaufnahme, um einem unwillkürlichen Urinverlust entgegenzuwirken. Das würde mehr Probleme verursachen als Nutzen bringen.
- Meiden Sie blasenreizende Stoffe wie scharfe Gewürze und Kaffee sowie blähende Lebensmittel wie Zwiebeln, Kohl und Hülsenfrüchte.
- Sinnvoll ist der Verzehr von geruchshemmenden Speisen. Dazu gehören vor allem Preiselbeeren, Naturjoghurt, Spinat, grüner Salat und Petersilie.
- Übergewicht fördert Harninkontinenz. Daher tun Sie gut daran, überflüssige Pfunde abzuspecken. Anregungen dazu finden Sie hier: Abnehmen & Diät
Vorbeugung
- Besonders nach einer Schwangerschaft sollten Sie den Beckenboden trainieren.
- Vermeiden Sie starkes Übergewicht.
- Hören Sie mit dem Rauchen auf. Vor allem Raucherhusten beansprucht durch eine permanente Druckerhöhung den Bauchraum und belastet so die Bauch- und Beckenbodenmuskulatur, was wiederum zu Inkontinenzproblemen führen kann. Informationen, um mit dem Rauchen aufzuhören, bekommen sie bei Ihrem Hausarzt, in Gesundheitszentren oder bei Ihrer Krankenkasse.
- Nehmen Sie spätestens ab dem 50. Lebensjahr Kontrolluntersuchungen beim Urologen und/oder Frauenarzt wahr.
Autor: Charly Kahle
Stand: 25.02.2021