Gasbrand
Gasbrand ist eine besonders lebensgefährliche bakterielle Wundinfektion. Gasbrand tritt vor allem nach Unfällen oder Operationen auf, aber auch Diabetiker oder Menschen mit Arteriosklerose haben ein erhöhtes Risiko. Alle Informationen von Symptomen bis Vorbeugung im Ratgeber Gasbrand.
Synonyme
Gasödem, malignes Ödem, Gasphlegmone, Clostridium-Myositis, Clostridium-Cellulitis, clostridiale Myonekrose, Gasgangrän
Definition

Gasbrand ist eine besonders schwere Form der Wundinfektion, die durch eine bestimmte Bakterienart, die Clostridien der Gasbrand-Gruppe, verursacht wird. Mediziner bezeichnen die Erkrankung als Clostridium-Myositis oder clostridiale Myonekrose.
Gasbrand ist immer ein ernster medizinischer Notfall, der umgehend chirurgisch und medikamentös behandelt werden muss. Die rechtzeitige Diagnose entscheidet über Leben und Tod. Wird Gasbrand bei den ersten Symptomen erkannt und eine intensivmedizinische Behandlung eingeleitet, sind die Überlebenschancen gut. Beginnt die Therapie nur Stunden nach dem Auftreten erster Symptome, sinkt die Überlebensrate erheblich. Mindestens die Hälfte der Betroffenen erlebt eine akute Gasbrandinfektion nicht.
Gasbrand hat seinen Namen, weil die auslösenden Clostridien in verletztem Weichteilgewebe Gase bilden, die zu einer Blasenbildung in den infizierten Wunden führen. Gleichzeitig produzieren die Clostridien Gifte. Diese Exotoxine sind überaus giftig. Sie verursachen schwerwiegende Störungen der Blutgerinnung und führen darüber hinaus häufig zu einer tödlich verlaufenden Blutvergiftung (ausführliche Informationen über Sepsis) mit anschließendem Multiorganversagen (Schock).
Mediziner unterscheiden die exogene und endogene Form des Gasbrands. Bei der exogenen Form gelangen die Clostridien von außen in den Körper. Typisch dafür sind Verletzungen. Bei der endogenen Form gelangen die Bakterien meistens aus dem Darm in die Blutbahn. Die endogene Form des Gasbrands betrifft vor allem Menschen mit ausgeprägter Immunschwäche.
Häufigkeit
Gasbrand ist eine sehr seltene Wundinfektion. In Deutschland werden pro Jahr etwa 50 Fälle gezählt. Noch im 1. Weltkrieg war Gasbrand einer der häufigsten Todesursachen, weil Verletzte damals noch mit nicht sterilisiertem OP-Besteck behandelt wurden.
Symptome
Die ersten Symptome von Gasbrand zeigen sich nach einer Inkubationszeit (Zeitraum zwischen der Ansteckung und dem Auftreten von Symptomen) von 5 bis 48 Stunden. Danach entwickelt sich die Wundinfektion überaus schnell.
Typischerweise beginnt Gasbrand mit einer schnell zunehmenden und sehr schmerzhaften rötlich-überwärmten Schwellung des infizierten Wundbereichs (Wundödem). Die Wundumgebung verfärbt sich zusehends von bräunlich-gelb wie bei einer eitrigen Entzündung nach bläulich schwarz. In der Regel nässt die Wunde stark und schaumig. Das Sekret ist trüb braun und riecht süßlich-faulig stark nach Verwesung. In diesem Stadium bilden sich unter der Haut flüssigkeitsgefüllte dunkle Blasen, in denen sich das von den Bakterien produzierte Gas (vor allem Kohlendioxid) weiter sammelt. Bei Berührung knistert die Haut hör- und fühlbar im Bereich der Blasen. Mediziner sprechen von Hautkrepitation.
Je länger der Gasbrand anhält, umso mehr Gewebe stirbt ab. Die Nekrose beginnt im direkten Wundbereich. Sie greift aber schnell auf das umliegende oberflächliche Gewebe sowie in tiefere Gewebeschichten wie die Muskulatur über. Die betroffene Muskulatur färbt sich graurot und nimmt die Farbe von gekochtem Rindfleisch an.
Symptome des septischen Schocks
Erste typische Symptome für einen septischen Schock durch die Exotoxine der Bakterien sind ein rapider Blutdruckabfall und eine Beschleunigung des Herzschlages (Tachykardie). Diese ohnehin schon lebensbedrohliche Symptomatik wird verschärft, weil die Bakteriengifte auch die Blutgerinnung stören. Und das gleich auf zweierlei Weise: Zunächst verstärken die Gifte die Blutgerinnung. Dadurch bilden sich Blutgerinnsel. Diese Thromben erhöhen das Risiko für Gefäßverschlüsse. Zudem verursachen die Thromben indirekt einen allgemeinen Mangel an Blutplättchen und Blutgerinnungsfaktoren. Mediziner sprechen von einer Verbrauchskoagulopathie. Wegen der fehlenden Blutplättchen und Gerinnungsfaktoren nimmt die Blutgerinnung dramatisch ab. Erste sichtbare Zeichen sind sternförmige Einblutungen in die Haut und die Schleimhäute, sogenannte Petechien. Viel schwerer wiegen Blutungen in den Organen, die letztlich zum tödlichen Schock führen.
Ursachen
Gasbrand ist Folge einer Infektion mit Clostridien der sogenannten Gasbrand-Gruppe. In bis zu 90 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um das Clostridium perfringens vom Typ A. Andere Clostridien der Gasbrand-Gruppe sind Clostridium septicum, Clostridium histolyticum, Clostridium novii, Clostridium fallax, Clostridium bifermentans und Clostridium sordellii.
Übertragungswege
Clostridien zählen zu den anaeroben Bakterien. Sie sind weltweit verbreitet und kommen in der Umwelt überall in sauerstoffarmer Umgebung vor, vor allem im Boden. In Säugetieren und im menschlichen Körper siedeln sie natürlicherweise im Darm, mitunter auch in der Vaginalflora.
Bei exogenem Gasbrand gelangen die Erreger beim Kontakt mit Erdreich über Wunden in den Körper. Eine andere Infektionsquelle ist tierischer oder menschlicher Kot. Mitunter gelangen die Bakterien auch über infizierte Lebensmittel in den Organismus. Bei Drogenabhängigen können die Erreger durch die Verwendung von nicht sterilen Spritzen übertragen werden.
Die Verwendung nicht sterilen OP-Bestecks als Quelle einer Clostridien-Infektion ist inzwischen eine sehr seltene Ausnahme. Vor Einführung der Sterilisation war OP-Besteck der häufigste Übertragungsweg.
Die Gasbrand-Bakterien vermehren sich nur in sauerstoffarmer Umgebung. Daher sind Erkrankungen, die mit einer mangelhaften Durchblutung einhergehen, ein wichtiger Risikofaktor. Typisch ist eine verminderte Sauerstoffversorgung durch Absterben feinster Blutgefäße beispielsweise bei fortgeschrittenem Diabetes. Auch eine Verengung der Blutgefäße durch Arteriosklerose kann das Gasbrand-Risiko erhöhen.
Wichtigste Ursache endogenen Gasbrands sind Erkrankungen des Immunsystems bzw. die Verwendung von immunsystemunterdrückenden Medikamenten (Immunsuppressiva). Bei endogenem Gasbrand gelangen die Clostridien durch die Darmwand in umliegendes Gewebe. Mit dem Blutstrom gelangen sie zuweilen in sauerstoffarme Regionen, vermehren sich und setzen den Gasbrand in Gang. Die endogene Form des Gasbrands macht etwa 30 Prozent der Fälle aus.
Untersuchung
Den ersten Anhaltspunkt für die Diagnose von Gasbrand liefern die typischen schnellen Veränderungen des Wundbildes (siehe Symptome) und ein Röntgenbild. Eine deutlich gefiederte Muskulatur und Gasblasen im Muskelgewebe sichern die Diagnose.
Aufgrund des raschen und lebensbedrohlichen Verlaufs von Gasbrand wird die Therapie ohne Erregerbestimmung sofort eingeleitet.
Um den Erreger oder die Erreger der Wundinfektion zu bestimmen, werden Abstriche gemacht und Proben von Wundsekret gezogen. Die Untersuchung erfolgt in spezialisierten Laboren, über die nicht jedes Krankenhaus verfügt.
Behandlung
Die Therapie von Gasbrand zielt einerseits darauf ab, die Clostridien zu bekämpfen und die Komplikationen durch die Exotoxine zu beherrschen. Die Therapie von Gasbrand muss schon bei Verdacht auf diese Infektionserkrankung erfolgen.
Bekämpfung der Clostridien
Um die weitere Ausbreitung der Clostridien zu verhindern, steht die Wundbehandlung am Anfang der Gasbrand-Therapie. Je nach Ausmaß des Gasbrandes und Lage der Infektion ist diese chirurgische Wundbehandlung ein großer Eingriff. Nicht selten kommt es dabei zu Amputationen von ganzen Gliedmaßen, wenn abgestorbenes Gewebe nicht auf andere Weise in ausreichender Tiefe entfernt werden kann.
Gleichzeitig wird eine medikamentöse Therapie mit hoch dosierten Antibiotika eingeleitet. In der Regel werden mehrere Antibiotika kombiniert, da die Clostridien-Infektion häufig von anderen bakteriellen Erregern begleitet ist. Vielfach eingesetzte Wirkstoffe sind Breitbandantibiotika wie Penicillin G in Kombination mit Clindamycin oder Metronidazol.
Da Clostridien nur in sauerstoffarmer Umgebung überleben, wird in der Behandlung von Gasbrand idealerweise auch eine sogenannte hyperbare Sauerstofftherapie eingesetzt. Bei diesem Verfahren werden die Patienten in Überdruckkammern einer stark mit Sauerstoff angereicherte Atmosphäre ausgesetzt. Diese Therapieoption steht allerdings nur in wenigen Krankenhäusern zur Verfügung. Und ein Transport von Gasbrand-Kranken ist in aller Regel nicht möglich oder zu gefährlich.
Bekämpfung des septischen Schocks
Zur Vermeidung bzw. Bekämpfung des septischen Schocks wird das komplette Spektrum der intensivmedizinischen Versorgung eingesetzt. Die einzelnen Therapieoptionen orientieren sich an den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen. Typisch ist beispielsweise die maschinelle und/oder medikamentöse Unterstützung wichtiger Organe wie Herz, Leber und Nieren.
Krankheitsverlauf
Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einer Gasbrand-Infektion hängt vor allem von einem möglichst frühen Behandlungsbeginn ab. Wenn Betroffene schon stationär aufgenommen sind (beispielsweise wegen einer Verletzung), werden die ersten Symptome in aller Regel sehr schnell entdeckt und die Behandlung eingeleitet. In diesen Fällen ist die Sterblichkeit mit etwa 30 Prozent vergleichsweise gering.
Beginnt die Behandlung nur Stunden nach Einsetzen der ersten Beschwerden, beträgt die durchschnittliche Sterberate schon 50 Prozent. Mit 70 Prozent ist die Mortalität von endogenem Gasbrand noch höher. Die hohe Sterblichkeit erklärt sich vor allem dadurch, dass Patienten mit endogenem Gasbrand unter Grunderkrankungen leiden, die das Immunsystem schwächen.
Vorbeugung
Das Risiko für eine Gasbrand-Infektion ist für gesunde Menschen verschwindend klein. Sie können dieses Risiko aber noch weiter verringern, wenn Sie auch kleine Hautverletzungen gründlich reinigen und desinfizieren. Mit größeren Hautverletzungen sollten Sie grundsätzlich zum Arzt gehen. Dort kann man die Wunde gründlich reinigen und Entzündungen fachgerecht versorgen.
Ganz besondere Vorsicht bei allen Hautverletzungen sollten Diabetiker und Patienten mit Durchblutungsstörungen wie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) walten lassen. Durch die fortschreitende Minderdurchblutung ist das Gasbrand-Risiko bei Zuckerkehrkrankheit oder pAVK überdurchschnittlich hoch.
Autor: Charly Kahle
Stand: 01.07.2017