Fetales Alkoholsyndrom (FAS)

Wenn werdende Mütter während der Schwangerschaft Alkohol trinken, besteht ein sehr hohes Risiko für schwere körperliche und geistige Schädigungen des Kindes. Mediziner bezeichnen das als fetales Alkoholsyndrom. Kinder mit FAS sind in der Regel lebenslang auf Unterstützung angewiesen.

Synonyme

Alkoholembryopathie, Partielles Fetales Alkoholsyndrom, Fetale Alkoholspektrumstörung, Embryofetales Alkoholsyndrom

Definition

Schwangere Alkohol

Was ist ein fetales Alkoholsyndrom?

Als fetales Alkoholsyndrom (FAS) bezeichnen Mediziner die Kombination einer Vielzahl von schweren körperlichen und geistigen Störungen des ungeborenen Lebens (Fötus). FAS ist die schwerste Form der sogenannten fetalen Alkoholspektrumstörungen. So werden Störungen genannt, die allein durch den Konsum von Alkohol während der Schwangerschaft verursacht werden.

Symptome: Wie erkennt man ein fetales Alkoholsyndrom?

Das fetale Alkoholsyndrom kann mit einer Reihe von unterschiedlichsten Symptomen einhergehen. Mediziner unterscheiden je nach Symptomatik das FAS-Vollbild oder das partiellen fetale Alkoholsyndrom (pFAS). Die Übergänge vom teilweisen FAS-Syndrom zum Vollbild sind fließend.

Wichtigster Unterschied von Vollbild und partiellem fetalen Alkoholsyndrom: Beim pFAS kommt es nicht zu Wachstumsstörungen, was bei FAS-Vollbild immer der Fall ist. Die neurologischen Symptome und Fehlbildungen im Gesicht prägen in beiden Fällen die Symptomatik.

Bei Kindern, die mit ausschließlich mit alkoholbedingten neurologischen Störungen zur Welt kommen, sprechen Mediziner nicht von FAS, sondern von alkoholbedingter entwicklungsneurologischer Störung (ARND).

Was sind typische Symptome von FAS?

FAS im Vollbild umfasst unter anderen Fehlbildungen im Gesicht sowie Wachstums- und Gedeihstörungen. Der Alkoholkonsum der Mutter beeinträchtigt außerdem die Entwicklung des Gehirns. Daraus resultieren geistige Beeinträchtigen und oft auch Störungen des Sozialverhaltens. Mit FAS geborene Kinder sind in der Regel lebenslang auf Unterstützung angewiesen.

Ist das fetale Alkoholsyndrom heilbar?

Nein, das fetale Alkoholsyndrom ist nicht heilbar. Vor allem die häufig massiven Hirnschädigungen und deren Folgen bleiben lebenslang erhalten. Die Folgen reichen beispielsweise von verminderter Intelligenz oder emotionaler Instabilität bis zu neurologischen Erkrankungen wie Hyperaktivität, Multipler Sklerose oder Epilepsie.

Körperliche Symptome des fetalen Alkoholsyndroms wie angeborene Herzfehler, Nierenschäden, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Skoliose oder Trichterbrust lassen sich operativ behandeln. Die mit den Eingriffen einhergehenden Folgen erfordern nicht selten lebenslang wiederkehrende Korrekturen oder die Einnahme von Medikamenten.

Mit besonderer Unterstützung und besonders geduldiger und liebevoller Erziehung können viele Folgeerscheinungen von FAS positiv beeinflusst werden. Generell sollten sich Eltern aber im Klaren darüber sein, dass die Erkrankung eine lebenslang anhaltende schwere Behinderung darstellt.

Fetales Alkoholsyndrom: Ab wann steigt das Risiko?

Alkoholkonsum stellt zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft ein hohes Risiko für Schädigungen des Fötus dar. Nach aktuellem Stand der Forschung ist das Risiko in den ersten 3 Monaten besonders hoch. Grundsätzlich gibt es für die Möglichkeit des fetalen Alkoholsyndroms aber keine zeitliche Grenze. Beispielsweise schreitet in den letzten Monaten der Schwangerschaft die Entwicklung des Gehirns schnell voran. Alkoholkonsum in dieser Phase geht mit einem sehr hohen Risiko für Schädigungen des Gehirns einher.

Fetales Alkoholsyndrom: Wie viel Alkohol?

Einen risikolosen Drink in der Schwangerschaft gibt es nicht. Jede Menge von Alkohol zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft kann dem Kind erheblich schaden.

Häufigkeit

Das FASD-Fachzentrum (siehe Quellen) gibt die Häufigkeit aller fetalen Alkoholspektrumstörungen in Deutschland insgesamt mit einem Fall pro 100 Geburten an. Bei zuletzt 770.000 Geburten (2020) ergeben sich also etwa 8.000 Neugeborene, die mit alkoholbedingten Schäden auf die Welt kommen.

Nach Angaben der Uni Münster kommen in Deutschland jährlich etwa 2.000 Kinder mit FAS-Vollbild zur Welt. Bei noch einmal 4.000 Kindern pro Jahr wird ein partielles FAS diagnostiziert. Dazu kommen alkoholbedingte kognitive und neurologische Schädigungen (ARND).

Symptome

Fetales Alkoholsyndrom: Gesicht ist meistens fehlgebildet

Grundsätzlich sind die FAS-Symptome von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Zu den offenkundigen sichtbaren Symptomen des fetalen Alkoholsyndroms gehören mehr oder minder schwere Fehlbildungen des Schädels und des Gesichts. Dazu gehören:

  • Ungewöhnlich kleiner Kopf (Schädel) und Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung
  • Flache Oberkieferregion, fliehendes Kinn
  • Kurze, flache Stupsnase mit anfangs nach vorne zeigenden Nasenlöchern (Steckdosennase)
  • Schmales (Ober-)Lippen und flache oder fehlende Mittelrinne zwischen Nase und Oberlippe
  • Kleine Zähne, vergrößerter Zahnabstand
  • Gaumenspalte, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
  • Tief ansetzende Ohren
  • Kleine Augen mit schmalen, teils herabhängenden Augenlidern
  • Sichelförmige Hautfalte an den inneren Randwinkeln der Augen
  • Oft dünnes und schütteres Haar

Fetales Alkoholsyndrom: Wachstumsstörungen und Fehlbildungen

Das Fetalen Alkoholsyndrom geht außerdem mit weiteren charakteristische Fehlbildungen einher, die aber nicht immer alle und bei jedem auftreten müssen:

  • Wachstumsstörungen, Untergewicht
  • Sprechstörungen
  • Hörstörungen
  • Ess- und Schluckstörungen, oft fehlendes oder übermäßiges Hungergefühl
  • Angeborene Herzfehler, Herzmuskelschädigungen
  • Nierenfehlbildungen, Entwicklungsstörung der Harnröhre, Hodenhochstand, Vergrößerung der Klitoris
  • Leistenbruch
  • Verrenkung der Hüfte
  • Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose)
  • Anomalien der Rippen und Wirbel
  • Trichterbrust
  • Kielbrust
  • Verkürzte Finger mit verkleinerten Fingernägeln
  • Besondere Handfurchen, flaches Handlinienrelief
  • Verkürzung und Beugung des Kleinfingers, teils bleibende Verkrümmung
  • Verwachsung von Elle und Speiche

Fetales Alkoholsyndrom: Neurologische Symptome

Mütterlicher Alkoholkonsum in der Schwangerschaft wirkt sich sehr oft nachteilig auf die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems aus. Diese Schädigungen bleiben in der Regel lebenslang bestehen und sind nicht ursächlich behandelbar. Das Spektrum der neurologischen Symptome ist breit. Die geistige Leistungsfähigkeit von Menschen mit fetalem Alkoholsyndrom ist grundsätzlich vermindert. Das Nervensystem reagiert in aller Regel überaktiv. Das zeigt sich durch Symptome von Konzentrations- und Lernstörungen über Unruhe und Hyperaktivität bis zu emotionaler Instabilität, gesteigerter Aggressivität oder sogar epileptischen Anfällen.

FAS-Symptome bei Jugendlichen und Erwachsenen?

Jugendliche mit FAS sind im Vergleich mit ihrem sozialen Umfeld meist weniger weit entwickelt. Oft wünschen sie sich, von ihren Bekannten und Freunden anerkannt zu werden. In Verbindung mit der leichten Verführbarkeit lassen sie sich daher beispielsweise leicht in unüberlegte Situationen bringen, die manchmal auch kriminell sein können. Permanente Verunsicherung und die Angst vor Veränderungen führen häufig zu aggressivem Verhalten bis hin zu einer Verweigerungshaltung.

Auch Erwachsene mit FAS leben meist nicht selbstständig

Werden Menschen mit FAS erwachsen, bilden sich körperliche Beeinträchtigungen mitunter zurück oder verlieren an Bedeutung. Durch die geistige Beeinträchtigung haben viele Betroffene jedoch erhebliche Probleme, ihren Alltag selbstständig zu meistern. Eine eigene Wohnung oder der Umgang mit Geld können unüberwindbare Hürden darstellen. Darüber hinaus sind Erwachsene mit FAS oft nur gering belastbar, schnell frustriert und zudem häufig depressiv. Sie leiden häufig unter Angststörungen und/oder mangelnder Impulskontrolle (haben sich „nicht im Griff“). Menschen mit FAS sind überdurchschnittlich oft obdachlos, geraten mit dem Gesetz in Konflikt oder suchen Trost im Alkohol, was die ohnehin belastete Lebenssituation noch einmal erschwert.

Ursachen

Die alleinige Ursache für Alkoholspektrumstörungen wie das fetale Alkoholsyndrom ist Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft. Alkohol (Ethanol) ist ein sehr starkes Zellgift – und gelangt über die Nabelschnur direkt in den Embryo. Dadurch kommt es zu mehreren Effekten, die sich oft gegenseitig verstärken.

  • Der Embryo hat noch keinen vollständig funktionierenden eigenen Stoffwechsel. Daher kann er den Alkohol nicht abbauen. Das potenziert die zellschädigende Wirkung des Alkohols.
  • Die in der Entwicklung begriffenen Zellen des Embryos sind nicht ausgereift – und daher für Störungen (wie durch das Zellgift Alkohol) besonders anfällig.
  • Die Entwicklung von Embryonen ist sehr fein abgestimmt. Störungen in nur einem Schritt dieser Entwicklung ziehen praktisch immer Störungen folgender Entwicklungsschritte nach sich.

Ab welcher Menge Alkohol tritt ein fetales Alkoholsyndrom auf?

Eine Untergrenze oder „ungefährliche Menge“ Alkohol für Schwangere gibt es nicht. Alkohol kann sich in jeder Menge schädigend auf den ungeborenen Organismus auswirken. Das Risiko steigt aber mit der Menge des Alkoholkonsums.

Weitere Risikofaktoren für FAS sind Mangelernährung und Vitaminmangel bei der Schwangeren. Das sind zwei Umstände, die häufig durch Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch verursacht werden. Höheres Alter der Mutter (über 30 Jahre), Stress sowie vorangegangene Geburten mit FAS sind weitere Faktoren, die fetale Alkoholsyndrome begünstigen.

Kann das fetale Alkoholsyndrom durch den Vater verursacht werden?

Nein. FAS kann nicht durch den Vater verursacht werden. FAS ist die Folge einer Vergiftung durch Alkohol im Mutterleib. Die Erkrankung wird nicht durch den Vater vererbt, also nicht mit dem Sperma bei der Befruchtung übertragen.

Kinder mit FAS sind allerdings auf ein stark unterstützendes Elternhaus angewiesen. In Familien, in denen viel Alkohol getrunken wird, stehen die Chancen auf eine liebevolle Unterstützung durch Vater und Mutter in der Regel schlechter.

Diagnose

Das FAS-Vollbild ist die schwerste Form Alkoholspektrumstörungen. Die Diagnose fetales Alkoholsyndrom wird in der Regel nach der Geburt gestellt. In Ausnahmefällen fallen Minderwuchs und niedriges Gewicht auch schon während der Schwangerschaft auf. Als ausschlagend für die Diagnose gelten – vereinfacht - vier Kriterien:

  • Wachstumsauffälligkeiten wie sehr niedriges Gewicht oder geringe Größe
  • Drei Fehlbildungen im Gesicht: fehlende oder wenig ausgeprägte Furche zwischen Mund und Nase, schmale Oberlippe, kurze Lidspalten („kleine Augen“)
  • Mindestens eine Auffälligkeit des zentralen Nervensystems: zum Beispiel geringe Intelligenz, Sprachstörungen, Probleme bei der Feinmotorik, geringe Aufmerksamkeitsspanne oder kleiner Kopf
  • Die Mutter hat während der Schwangerschaft Alkohol getrunken

Aus Scham machen Mütter häufig unvollständige Angaben über den tatsächlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft. Daher werden Mediziner FAS auch diagnostizieren, wenn der Alkoholkonsum der Mutter nicht eindeutig bestimmt werden kann.

Ab wann lässt sich ein fetales Alkoholsyndrom feststellen?

Weil die körperlichen Schäden bereits im Mutterleib entstehen, lässt sich FAS bereits bei Neugeborenen feststellen. Liegt ein entsprechender Verdacht vor, wird der Kinderarzt die Betroffenen an eine Einrichtung überweisen, die auf die Diagnose und die Therapie von FAS spezialisiert sind.

Behandlung

Generell gilt: Das fetale Alkoholsyndrom ist nicht heilbar, da sich die Schädigungen durch den Alkoholkonsum in der Schwangerschaft nicht rückgängig machen lassen. Einige körperlichen Symptome können durch eine Operation behandelt werden, wie beispielsweise die Gaumenspalte oder Herzfehler.

Auch lassen sich manche Entwicklungsrückstände durch Physiotherapie, Logopädie und/oder Ergotherapie teilweise ausgleichen. Ein besonders liebevolles und geduldiges Familienumfeld kann ebenfalls den Betroffenen das Leben erleichtern. Mehr Informationen darüber, was Kinder speziell benötigen, erhalten Sie bei Ihrem Kinderarzt oder bei Experten. Eine Übersicht finden Sie zum Beispiel unter https://www.fasd-deutschland.de/regionale-ansprechpartner/

Vorbeugung

Fetale Alkoholsyndrome und das damit verbundene lebenslange Leid sind nur zu verhindern, indem Schwangere während der Schwangerschaft keinen Alkohol zu sich nehmen. Expertinnen und Experten raten daher zu einer völligen Alkoholabstinenz während der gesamten Schwangerschaft. Das schließt auch alkoholhaltige Speisen oder Süßigkeiten sowie in Alkohol gelöste Medikamente ein. Typisch dafür sind beispielsweise zahlreiche Erkältungsmittel oder Lösungen wie Melissengeist.   

Nach Angaben der Bundesdrogenbeauftragten wissen nur 44 Prozent der Deutschen um die Gefahr des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft. Das Robert-Koch-Institut ermittelte in einer großen Studie, dass fast jede 5. Schwangere Alkohol trinkt Bei 8 Prozent der Schwangeren müsse man von einem riskanten Trinkverhalten im Sinne einer Vorstufe der Alkoholabhängigkeit ausgehen.

Autor: Charly Kahle, fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)

Stand: 15.03.2022

Quelle:
  1. Ansprechpartner, Therapiemöglichkeiten und viele weitere Infos https://www.fasd-deutschland.de
  2. Detaillierte Informationsseite mit vielen weiteren medizinischen Fakten zu Fetalen Alkohol-Spektrum-Störungen https://www.medizin.uni-muenster.de/fetalkstart/was-ist-das-fetale-alkoholsyndrom/
  3. Fetale Alkoholspektrumstörungen (FASD) https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/fetale-alkoholspektrumstoerungen-fasd/symptome-krankheitsbild/
  4. S-3-Leitlinie Diagnose der Fetalen Alkoholspektrumstörungen FASD (gegenwärtig in der Überarbeitung, abgerufen März 2022) https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/022-025k_S3_Fetale_Alkoholspektrumstoerung_Diagnostik_FASD_2016-06-abgelaufen.pdf
  5. FASD-Fachzentrum - Kurzüberblick Fetale Alkoholspektrum-Störungen https://fasd-fachzentrum.de/wp-content/uploads/FAS_Diagnosesysteme_kurz.pdf
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