Herzinnenhautentzündung (Endokarditis)
Das Herzinnere ist mit einer schleimhautähnlichen Schutzschicht ausgekleidet, der Herzinnenhaut. Die Herzinnenhaut überzieht die Herzhöhlen und die herznahen Blutgefäße und bildet die Struktur der Herzklappensegel. Gelangen Bakterien ins Herzinnere können diese eine Entzündung verursachen. Mediziner sprechen von Endokarditis. Hier lesen Sie mehr über Symptome, Ursachen und Therapie einer Endokarditis.
Synonyme
Endokardentzündung, Herzinnenhautentzündung
Definition
Als Endokarditis bezeichnen Mediziner Entzündungen der Herzinnenhaut. Das Wort leitet sich von den griechischen Begriffen „endo“ für innen und „kardia“ für Herz ab. Andere Bezeichnungen lauten Endokardentzündung oder Herzinnenhautentzündung. Endokarditiden haben eine ganze Reihe unterschiedlicher Ursachen. Unabhängig von der Ursache haben sie eine Gemeinsamkeit: Ohne rechtzeitige Behandlung verlaufen sie tödlich. Gesunde Menschen haben ein sehr geringes Risiko, an einer Endokarditis zu erkranken. Am häufigsten sind Herzinnenhautentzündungen nach Herzerkrankungen oder bei Menschen mit angeborenen Herzfehlern und/oder Herzklappenersatz.
Im Prinzip sind bakteriell bedingte Endokarditiden leicht mit Antibiotika zu behandeln. Das setzt aber voraus, dass die Herzinnenhautentzündung überhaupt diagnostiziert wird. Das ist wegen der meist recht unspezifischen Symptome zu Beginn der Erkrankung nicht immer ganz einfach. Je später eine Endokarditis erkannt wird, umso größer ist das Risiko für lebensgefährliche Komplikationen wie Schlaganfall, Lungenembolie oder Hirnembolie. Unbehandelt verläuft eine Endokarditis nahezu immer tödlich.
Eine weitere Herausforderung in der Therapie von Endokarditiden stellen multiresistente Keime dar. In der klinischen Praxis vermehrt sich seit einigen Jahren die Zahl der Fälle, in denen die verursachenden Bakterien nicht mehr mit Antibiotika zu bekämpfen sind.
Häufigkeit
Die Häufigkeit von Endokarditis in Deutschland ist nicht ganz einfach zu bestimmen. Experten gehen davon aus, dass pro 100.000 Einwohner und Jahr bis zu 6 Menschen erstmals an einer Endokarditis erkranken. Auf 82 Millionen Deutsche kommen demnach etwa 5.000 Neuerkrankungen einer Herzinnenhautentzündung. Die meisten Fälle ereignen sich bis zum 50. Lebensjahr. Danach nimmt das Risiko einer Endokarditis bei gesunden Menschen deutlich ab.
Symptome
Die ersten Symptome von akuter Endokarditis sind Fieberschübe (zum Teil mit Schüttelfrost), neu auftretende Herzgeräusche und Beschleunigungen des Herzschlages (Tachykardien) sowie Wasseransammlungen in den Beinen (Ödeme), Kältegefühle und nächtliches Schwitzen. Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Muskel- oder Gelenkschmerzen sind weitere Frühsymptome der Endokarditis. Diese Symptome treten bei einer Vielzahl von Erkrankungen auf. Daher werden Herzinnenhautentzündungen in der medizinischen Praxis mitunter erst spät erkannt.
Im weiteren Verlauf werden die Symptome von Endokarditis immer spezifischer. In bis zu 15 Prozent der Fälle kommt es zu Hautveränderungen. Das sind unter anderem kleine punktförmige Hauteinblutungen (Petechien), linsengroße rötliche Knötchen an Fingern und Zehen (Osler-Knötchen) sowie rötliche, nur wenige Millimeter große Flecken an den Handinnenflächen und Fußsohlen (Janeway-Läsionen).
Mit Fortschreiten der Endokarditis mehren sich die Anzeichen für nachlassende Herz- bzw. Herzklappenfunktion. Dazu gehören beispielsweise Blutarmut (Anämie), Atemnot, Oberbauchbeschwerden mit Lebervergrößerung und Milzschwellung sowie ausgedehnte Wassereinlagerungen (Ödeme) im Gewebe.
Komplikationen
Aufgrund der Entzündung kommt es auf der Herzinnenhaut zu Veränderungen der Gewebestruktur. Wenn Teile dieser Wucherungen mit dem Blutstrom in das Gefäßsystem gelangen, erhöht sich das Risiko für Gefäßverschlüsse mit der Folge von Schlaganfällen sowie Lungen- oder Nierenembolien. Zudem können die Bakterien in anderen Organen zur Bildung von Abszessen führen oder sogar eine Blutvergiftung (Sepsis) verursachen.
Ursachen
Ursache der Endokarditis ist eine Infektion, die fast immer durch Bakterien verursacht wird. Meistens handelt es sich dabei um Brucella-Bakterien, Streptokokken, Staphylokokken oder Enterokokken. In Deutschland wird inzwischen jeder 2. Fall von Endokarditis durch das multiresistente Bakterium Staphylococcus Aureus verursacht. Weitere Erreger von Herzinnenhautentzündungen sind Viren und Pilze. Zudem gibt es nichtinfektiöse Endokarditiden durch Autoimmunprozesse.
Bei einer bakteriellen Endokarditis setzen sich die Bakterien an der Herzinnenhauthaut der Herzhöhlen oder herznahen Blutgefäßen fest und verursachen eine entzündliche Reaktion. Ohne frühzeitige Behandlung greift die Entzündung auf die Herzklappen über, die ebenfalls mit Herzinnenhaut ausgekleidet sind. Die bakterielle Infektion und die Reaktionen des Immunsystems darauf verändern das Gewebe der Herzinnenhaut. Es entstehen kleine Wucherungen. Das hat unter anderem drei Folgen.
- Zum einen wird das feinaustarierte Zusammenspiel der Herzklappen gestört, was die Herzleistung mindert. Das Herz versucht, diese Schwäche auszugleichen, indem es stärker pumpt. Dadurch verdickt sich der Herzmuskel immer weiter, was letztlich zu einer Herzinsuffizienz führt.
- Zum anderen besteht das Risiko, dass Teile der Gewebswucherungen in den Blutkreislauf gelangen. Dort können sie sich in Gefäßen festsetzen und diese verschließen. Dadurch kommt es nicht selten zu Schlaganfällen oder zu Lungen- oder Nierenembolien.
- Wenn die Bakterien sich mit dem Blutstrom weiter im Körper verteilen, steigt das Risiko für eine Blutvergiftung (Sepsis).
Wie gelangen Bakterien ins Herz?
Am häufigsten gelangen Bakterien durch operative Eingriffe und bakteriell bedingte Atemwegsinfektionen ins Herz. Zu den operativen Eingriffen zählen große und kleine Operationen des Herzens. Aber auch eine einfache zahn- oder kiefermedizinische Operation kann die Eintrittspforte für die Bakterien bilden. Selbst beim Zähneputzen können Bakterien durch kleinste Verletzungen des Zahnfleisches oder Mundschleimhaut bis zum Herzen gelangen. Typische bakterielle Infektionen als Ausgangspunkt einer Endokarditis sind Lungenentzündungen, Bronchitis oder auch bakterielle Harnwegsinfekte. Eine weitere Eintrittspforte bilden unsaubere Injektionseinstiche. Insbesondere treten Herzinnenhautentzündungen deshalb bei Drogenabhängigen auf.
Risikofaktoren
Bei gesunden Menschen richten Bakterien im Herzen in aller Regel keinen Schaden an, sondern sie werden vom Immunsystem ausgeschaltet. Anders stellt sich die Situation bei Menschen mit Erkrankungen oder Fehlbildungen des Herzens dar. In diesen Fällen finden die Bakterien häufig kleinste Angriffsflächen wie mikroskopisch kleine Verletzungen, in denen sie sich festsetzen und vermehren können. Das gilt beispielsweise für Menschen, die bereits einmal am Herzen operiert wurden oder bei angeborenen Herzfehlern sowie Herzklappenersatz.
Untersuchung
Die Diagnose von Endokarditis bei ansonsten gesunden Menschen erfolgt nicht immer so schnell wie möglich, weil die Frühsymptome (siehe Symptome) auf eine Vielzahl von Erkrankungen hindeuten können. Zudem sind Herzinnenhautentzündungen bei Menschen ohne Vorerkrankungen des Herzens sehr selten.
In den weitaus meisten Fällen gehören Menschen mit Endokarditis zu Risikokruppen, die in der Regel seit langer Zeit in kardiologischer Behandlung sind. In diesen Fällen wissen die Fachärzte um das Risiko der Herzinnenhautentzündung und auch darum, wie die Warnzeichen zu deuten sind. Auch bei Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis wird eher an eine Endokarditis gedacht. Dort tritt die Erkrankung mitunter als Komplikation des rheumatischen Fiebers auf.
Mit einem Echokardiagramm lässt sich die Verdachtsdiagnose Endokarditis nicht immer zuverlässig erhärten. Das EKG kann unauffällig bleiben. Sicherheit gibt hingegen der labordiagnostische Nachweis von Bakterien aus einer Blutprobe.
Behandlung
Die Therapie von Herzinnenhautentzündungen richtet sich nach der Ursache. Bei leichten Verläufen bzw. wenn die Endokarditis noch keine schweren Gewebeschäden verursacht hat, kann eine Behandlung mit Antibiotika ausreichend sein. Antibiotika werden in der Regel auch bei viral bedingten Herzinnenhautentzündungen eingesetzt, um Superinfektionen zu vermeiden. In gut einem Drittel der Fälle sprechen Betroffene nicht auf die medikamentöse Therapie von Endokarditis an.
In diesen Fällen sowie bei angeborenen Herzfehlern, Schädigungen der Herzklappen oder ausgedehnten Gewebeschädigungen ist eine Operation unumgänglich.
Prognose
Die Heilungsaussichten bei Endokarditis hängen sehr stark von der Ursache ab. Bei rechtzeitiger Diagnose überleben 3 von 4 Betroffenen die akute bakterielle Endokarditis. Besonders gefährdet sind Menschen, bei denen die Herzinnenhaut im Bereich von künstlichen Herzklappen entzündet ist. Wenn die Endokarditis eine Herzschwäche verursacht, sinkt die Überlebensrate ebenfalls deutlich.
Zudem nimmt die Sterblichkeit infolge bakterieller Endokarditiden seit einigen Jahren infolge von Antibiotikaresistenzen wieder zu.
In den seltenen Fällen einer durch Pilze verursachten Endokarditis versterben bis zu 80 Prozent der Betroffenen.
Vorbeugung
Mangelnde Mundhygiene und zahnmedizinische Eingriffe zählen zu den wichtigen Ursachen für Endokarditis. Daher empfehlen die Leitlinien für Risikogruppen eine antibiotische Endokarditisprophylaxe vor Zahnbehandlungen oder professionellen Zahnreinigungen (Zahnsteinentfernung). Zu den Risikogruppen zählen Menschen:
- mit schweren angeborenen Herzfehlern
- die eine Herzklappenoperation hinter sich haben
- nach einer Herztransplantation eine Herzklappenerkrankung entwickelt haben
- bereits einmal an einer Endokarditis erkrankt waren.
Grundsätzlich gelten eine gründliche Zahnhygiene und regelmäßige Zahnarztbesuche als wichtiges Element der Vorbeugung von Herzinnenhautentzündungen.
Autor: Charly Kahle
Stand: 01.07.2017