Chagas-Krankheit (Trypanosomiasis, amerikanische Form)
Die Chagas-Krankheit zählt zu den Reisekrankheiten. Das Infektionsrisiko für Urlauber gilt aber als gering. Sie ist vor allem in Mittel- und Südamerika verbreitet. Ohne Behandlung endet die amerikanische Form der Trypanosomiasis in 10 Prozent der Fälle tödlich.
Synonyme
Trypanosomiasis (amerikanische Form)
Definition
Die Chagas-Krankheit zählt zu den Reisekrankheiten. Das Infektionsrisiko für Urlauber gilt aber als gering. Der „Kuss der Raubwanze“ ist vor allem in Mittel- und Südamerika verbreitet. Ohne Behandlung endet die amerikanische Form der Trypanosomiasis in 10 Prozent der Fälle tödlich.
Häufigkeit
Die Chagas-Krankheit ist vor allem in Mittel- und Südamerika verbreitet. Gehäufte Krankheitsfälle gibt es von Argentinien und Chile bis Mexiko und den Süden der USA
Weltweit sollen etwa 16 bis 18 Millionen Menschen mit dem krankheitsauslösenden Parasiten infiziert sein. In Bolivien ist Schätzungen zufolge jeder Vierte betroffen. In Spanien sollen etwa 6.000 Infizierte leben. In den USA sind schätzungsweise mehrere 100.000 Einwanderer mit dem Erreger Trypanosoma cruzi infiziert. Die meisten infizierten Menschen wissen und merken jedoch nichts davon.
Touristen kaum gefährdet
An der Chagas-Krankheit erkranken insbesondere Menschen, die auf dem Land oder in Slums leben. Auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind einem erhöhten Erkrankungsrisiko ausgesetzt. Für Touristen jedoch, vor allem wenn sie organisiert reisen, besteht nach Angaben des Robert-Koch-Instituts keine erhöhte Infektionsgefahr.
Symptome
Die Chagas-Krankheit verläuft typischerweise in vier Stadien. Nach einer Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zu den ersten Symptomen) von 5 bis 20 Tagen (nach Bluttransfusionen 30 bis 40 Tage) kommt es zu ersten Entzündungszeichen. Bei etwa einem Drittel bis einem Viertel der Infizierten entwickelt sich die akute Phase, gefolgt von einer sogenannten symptomfreien Latenzphase. Bei 10 bis 20 Prozent der Erkrankten werden die Symptome chronisch (vierte und letzte Phase).
1. Entzündungsphase bzw. Chagom-Phase
Phase 1 der Chagas-Krankheit beginnt etwa drei Wochen nach dem Stich der Raubwanze. Die Stichwunde schwillt an und rötet sich (sogenanntes Chagom). Ein Chagom kann bis zu acht Wochen bestehen bleiben. Weitere charakteristische Symptome dieser Phase sind Entzündungszeichen (sogenannte Romaña-Zeichen), vorzugsweise in der Nähe von Augen und Lippen. Dazu gehören beispielsweise ein- oder beidseitige Lidschwellungen durch Ödeme (Lidödeme) und Bindehautentzündungen.
2. Akute Phase
30 bis 40 Prozent der Infizierten entwickeln akute Symptome, insbesondere Säuglinge und Kleinkinder. Nachdem sich die Einzeller über Blut und Lymphe im Körper ausgebreitet haben, folgen nesselsuchtähnliche Hautveränderungen und Lymphbahnentzündungen. Fieber und Fieberschübe, Übelkeit, Durchfall, Hautblässe (Anämie) und Bauchschmerzen sind weitere typische Symptome der akuten Phase. Mitunter kommt es zu Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme) und Lymphknotenvergrößerungen, auch Milz und/oder Leber können anschwellen.
Komplikationen treten vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern sowie bei abwehrgeschwächten Personen auf. Besonders gefährlich wirken sich Entzündungen von Herz und Gehirn aus. Unbehandelt versterben 5 bis 10 Prozent an den Folgen dieser Entzündungen.
Bei etwa 70 Prozent ist die Chagas-Krankheit nach der akuten Phase überstanden.
3. Latenzphase
Bei etwa 30 Prozent der Erkrankungen folgt die sogenannte Latenzphase. Diese symptomfreie Phase kann bis zu mehreren Jahren andauern. Bei geschwächter körpereigener Abwehr (beispielsweise bei HIV-Infektionen) können in dieser Zeit aber auch Beschwerden wie in der akuten Phase erneut ausbrechen.
4. Chronische Phase
Bei 10 bis 20 Prozent der infizierten Personen geht die Erkrankung in die vierte Phase über. Die chronische Phase der Chagas-Erkrankung kann ganz unterschiedliche Symptome mit sich bringen. Veränderungen am Herzen beispielsweise führen zu Herzrhythmusstörungen. Eine zunehmende Herzmuskelschwäche lässt die Leistungskraft sinken und kann Luftnot verursachen. Werden Herzmuskelzellen geschädigt oder kommt es zu Herzklappenveränderungen, erhöht sich das Risiko von Arterienverschlüssen durch Blutgerinnsel, die einen Schlaganfall verursachen. Weiterhin sind Herzinfarkt, Herzversagen und plötzlicher Herztod möglich.
Häufig ist auch der Verdauungstrakt betroffen. Charakteristisch sind Vergrößerungen von Speiseröhre sowie Dünn- und Dickdarm. Anzeichen dafür sind Schluckstörungen, Verdauungsbeschwerden, Stuhlunregelmäßigkeiten wie wochenlange Verstopfung, Gewichtsverlust und Bauchschmerzen. Darmverschluss (Ileus) und Darmdurchbrüche (Darmperforation) mit folgender eitriger Bauchfellentzündung (Peritonitis) führen oft zum Tod der Patienten.
Unbehandelt liegt die Sterblichkeitsquote (Letalität) der Chagas-Krankheit bei bis zu 10 Prozent.
Ursachen
Die Chagas-Krankheit wird durch den Einzeller Trypanosoma cruzi verursacht. Die Parasiten werden hauptsächlich durch den Stich geflügelter, blutsaugender Raubwanzen der Gattung Triatoma übertragen. Dieser Stich wird auch als Kuss der Raubwanze und die Raubwanze selbst als „kissing bug“ bezeichnet.
Raubwanzen leben vorzugsweise in Strohdächern und Ritzen der Hauswand. Sie sind hauptsächlich nachtaktiv. In den dunklen Stunden des Tages suchen die blutsaugenden Einzeller ihre Opfer. Sie stechen vorzugsweise in die dünnen Hautregionen von Mund und Augen und saugen das Blut auf. Während der Blutmahlzeit setzen sie ihren infizierten Kot ab. Durch Kratzen oder Reiben gelangt der Kot in den Stichkanal oder in kleinste Hautverletzungen und weiter ins menschliche Blut (sogenannte Schmierinfektion).
Übertragung auch durch Blutkonserven oder Organverpflanzungen möglich
Selten werden die Einzeller auch über infizierte Bluttransfusionen und bei Organtransplantationen übertragen. Ebenso ist eine Weitergabe der Erreger von einer Schwangeren auf ihr ungeborenes Kind möglich. Auch Muttermilch ist infektiös.
Untersuchung
Eine schnelle Diagnose der Chagas-Krankheit anhand der Symptome ist kaum zu stellen. Nicht selten werden die Beschwerden als Bindehautentzündung oder Erkältung fehlgedeutet. In der akuten Phase liefert der mikroskopische Erregernachweis im Blut eine sichere Diagnose. In der chronischen Phase kann die Chagas-Krankheit durch Antikörper im Blut nachgewiesen werden. Etwaige Organschäden werden mittels bildgebender Verfahren wie Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztherapie (MRT) beurteilt.
Einen für europäische Mediziner eher merkwürdig anmutenden Trypanosomentest ziehen südamerikanische Ärzte zur Diagnose der Chagas-Krankheit heran. Sie setzen nicht infizierte Raubwanzen auf die Haut eines vermutlich infizierten Menschen. Die Wanzen stechen - und saugen das Blut auf. Nach zwei bis vier Wochen untersucht man dann den Darm der Wanzen. Werden Einzeller der Gattung Trypanosoma cruzi gefunden, gilt die Chagas-Diagnose als gesichert.
Behandlung
Die Therapie der Chagas-Krankheit ist nicht ganz einfach. Sie soll insbesondere vor der chronischen Phase schützen. Am erfolgsversprechendsten ist eine antiparasitäre Behandlung in der akuten Phase. Mittel der Wahl sind Nifurtimox (60 bis 120 Tage) und Benznidazol (30 bis 60 Tage). Diese Wirkstoffe haben aber erhebliche Nebenwirkungen und gelten obendrein als erbgutschädigend. Zudem sind einige Erreger bereits resistent und reagieren gar nicht mehr auf diese Parasitenmittel.
In der chronischen Phase müssen vor allem die Folgeschäden behandelt werden. Dazu gehören unter anderem kreislaufstabilisierende, herzmuskelstärkende und herzrhythmusregulierende Maßnahmen, spezielle Ernährungsformen, Stuhlgangsregulanzien sowie die Hemmung der Blutgerinnung.
Neueren Studien zufolge wirkt das Antimykotikum Posaconazol auch bei Patienten in der chronischen Phase der Chagas-Krankheit.
Prognose
Die Heilungsaussichten hängen wesentlich davon ab, wie früh die Therapie eingesetzt hat. Hat die Chagas-Krankheit bereits das Herz angegriffen, kommt es häufig zu Herzrhythmusstörungen oder Lungenödemen.
Ohne Behandlung verläuft die amerikanische Form der Trypanosomiasis in 10 Prozent der Fälle tödlich.
Vorbeugung
Bislang gibt es keinen zugelassenen Trypanosomialimpfstoff. Die effektivste Vorbeugung ist daher die Bekämpfung und Ausrottung der Raubwanzen. Leider sind die meisten Insektizide und Repellenzien gegen das Ungeziefer unwirksam.
Der beste Schutz besteht also darin, die Raubwanzen vom Menschen, und insbesondere von Schlafplätzen, fernzuhalten. Sehr engmaschige Moskitonetze sollten daher in den Risikogebieten zur Ausstattung des Schlafplatzes gehören und diesen vollständig umhüllen. Wichtig ist auch, die Netze im Schlaf nicht zu berühren. Nach Einbruch der Dämmerung sollten Fenster und Türen geschlossen bleiben.
Einen Schutz vor einer Infektion durch Blutkonserven bieten nur regelmäßige Kontrollen der Blutspenden. Leider geschieht das in den betroffenen Ländern nur unzureichend.
Infizierte Mütter sollten auf das Stillen ihrer Kinder verzichten. So wird eine Übertragung des Erregers über die Muttermilch verhindert.
Autor: Charly Kahle
Stand: 01.05.2017