Bulimie (Ess-Brech-Sucht)

Bulimie ist für die Betroffenen wie für das Umfeld eine besonders tückische Essstörung. Denn anders als Magersucht ist die Ess-Brech-Sucht eine heimliche Sucht. Oft hat das Umfeld keine Chance zu helfen, weil Eltern oder Freunde über lange Zeit nichts bemerken (können). Dieser Ratgeber nennt Symptome und Warnzeichen für die Ess-Brech-Sucht – und zeigt Wege auf, mit einer geeigneten Therapie dem Kreislauf von Fressanfällen und Erbrechen zu entrinnen. Lesen Sie mehr über die Symptome, Ursachen, Therapie und Vorbeugung von Bulimie.

Synonyme

Ess-Brech-Sucht, Bulimia nervosa

Definition

Bulimie

Bulimie oder Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) gehört zu den Essstörungen wie Magersucht (Anorexia nervosa) und das immer häufiger werdende Binge-Eating. Sowohl Bulimie als auch Binge-Eating sind durch immer wiederkehrende Fressattacken gekennzeichnet. Bulimie-Kranke (Bulimiker) geben das Essen nach Mahlzeiten oft durch erzwungenes Erbrechen wieder von sich. Bulimie führt oft zur Magersucht, zwangsläufig ist das aber nicht. Des Weiteren können sich Bulimie und Magersucht phasenweise abwechseln. Im Gegensatz zur Magersucht ist Bulimie in der Regel nicht durch einen deutlich sichtbaren Gewichtsverlust gekennzeichnet.

Bulimie ist eine schwere psychische Erkrankung

Wie die anderen Essstörungen ist Bulimie eine schwere psychische Erkrankung, die in der Regel eine langfristige Therapie benötigt. In den meisten Fällen entwickeln sich Essstörungen wie Bulimie im Alter zwischen 14 und 19 Jahren. Jüngere Kinder sind sehr selten betroffen, junge Erwachsene älter als 19 Jahre stellen jüngsten Studien zufolge einen zunehmend höheren Anteil.

Besonders gefährdete sind auch einige Berufsgruppen wie zum Beispiel Jockeys, Tänzer, Skispringer und Models. Die große Mehrheit der Mädchen und Jungen oder jungen Erwachsenen hat aber keine beruflichen Vorlieben. Die Ess-Brech-Sucht ist auch in den verschiedensten sozialen Milieus verbreitet.

Symptome

Die Symptome von Bulimie betreffen das Verhalten und die psychische sowie die körperliche Gesundheit der Erkrankten.

Symptomatisches Verhalten bei Bulimie

Bulimie ist, wie die deutsche Bezeichnung Ess-Brech-Sucht es widerspiegelt, durch suchtartiges Essen mit Fressanfällen und anschließendes Erbrechen gekennzeichnet. Die Fressattacken bei Bulimie können täglich, mehrfach wöchentlich oder auch nur vereinzelt im Monat auftreten. In der Regel baut sich der Drang zu einer Fressattacke in der attackenfreien Zeit immer stärker auf – und entlädt sich dann in der Fressorgie. Mitunter treten die Fressanfälle aber auch geplant auf.

Nach einem solchen Anfall haben Bulimie-Kranke große Angst vor einer Gewichtszunahme. Und diese ist nicht unbegründet: Nicht selten nehmen Bulimiker bei einer Fressorgie 10.000 Kilokalorien und mehr zu sich. Neben der Angst zuzunehmen, empfinden die Betroffenen große Wut über ihren Kontrollverlust sowie Scham und auch Ekel vor sich selbst. Diesen versuchen sie loszuwerden, indem Sie das Essen wieder von sich geben. Typischerweise führen Bulimiekranke dazu Erbrechen herbei. Andere treiben zusätzlich ausufernd Sport, um den Körper von den zugeführten Kalorien zu reinigen. Auch der Missbrauch von Brech-, Entwässerungs- und Abführmitteln gehört zu den Strategien von Bulimie-Kranken, das Essen und die Kalorien nach Fressattacken wieder aus dem Körper zu bekommen.

Psychische Symptome von Bulimie

Die psychischen Symptome von Bulimie sind vor allem durch den Suchtcharakter der Erkrankung gekennzeichnet. Ähnlich wie Drogensüchtige erleben Bulimie-Kranke mit den unvermeidbar erscheinenden Fressattacken einen Kontrollverlust. Dieser Kontrollverlust kränkt sie tief in ihrer Seele und äußert sich beispielsweise in Scham, Angst oder Ekel, manchmal auch in Wut. Der Kontrollverlust und die damit verbundenen negativen Gefühle sind einer der Gründe dafür, warum gerade Jugendliche mit Bulimie mitunter sehr gereizt auf ihre Umwelt reagieren.

Um die Kontrolle über den Körper und die Gefühle zurückzugewinnen, versuchen Bulimie-Kranke, die Folgen der Fressattacken durch das Erbrechen, zügellosen Sport oder andere Maßnahmen wieder auszugleichen. Auch sehr stark kontrolliertes Essverhalten zwischen den Fressattacken ist Teil dieser Strategie, die Kontrolle über die Körper und Empfindungen zurückzugewinnen, ebenso der Missbrauch von Medikamenten wie Abführmitteln.

Missbrauch von Abführmitteln

Für einen gesunden Menschen ist klar erkennbar, dass Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln beispielsweise keine geeigneten Mittel sind, um den Kontrollverlust auszugleichen. Es gehört aber zu den suchttypischen Symptomen von Bulimie, dass die Betroffenen glauben, so aus ihrem Leiden ausbrechen zu können. Es ist ein Kennzeichen von Suchterkrankungen, dass Süchtige im Suchtmittel die Lösung sehen – und nicht die Ursache der Leiden.

Körperschemastörung

Zu den weiteren psychischen Symptomen der Bulimie zählt – wie bei Magersucht auch – häufig eine stark gestörte Selbstwahrnehmung mit einer ausgeprägten Körperschemastörung. Die Betroffenen nehmen sich in der Regel als viel zu dick wahr, selbst wenn sie normal- oder untergewichtig sind.

Körperliche Symptome von Bulimie

Anders als bei Magersucht sind die körperlichen Symptome von Bulimie meistens nicht offenkundig. Bulimie-Kranke haben in der Regel normales Gewicht oder sind geringfügig unter- oder auch übergewichtig. Das liegt vor allem daran, dass Bulimiker einerseits die mit den Fressattacken aufgenommenen Kalorien durch Erbrechen oder andere Maßnahmen zwar wieder von sich geben, ein Anteil der verzehrten Kalorien aber dennoch im Körper verbleibt. Andererseits gehört es zu den Symptomen von Bulimie, dass die Betroffenen ihr Essverhalten zwischen den Attacken stark kontrollieren. Das zeichnet sich vor allem durch eine besonders gesunde und kalorienbewusste Ernährungsweise aus (mehr dazu auch im Abschnitt: Anzeichen für Bulimie erkennen).

Gesundheitliche Folgen von Bulimie

Bulimie verursacht – anders als Magersucht – keine schnell am Gewichtsverlust erkennbaren gesundheitlichen Folgen. Mit der Zeit allerdings kann es – vor allem durch häufiges Erbrechen – zu einem Mangel an Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen kommen. Abwehrschwäche, Konzentrationsstörungen, Unruhe, Schlafstörungen und Haarausfall sowie Zyklusstörungen sind dann eine häufige Folge. Bei lang anhaltendem Mineralstoffmangel sind auch Nierenschäden oder Herzrhythmusstörungen möglich. Das Erbrechen begünstigt Sodbrennen oder Erkrankungen der Speiseröhre ebenso wie Karies.

Häufig entwickeln sich mit der Bulimie weitere psychische Erkrankungen wie Depressionen, bipolare Störungen oder Angsterkrankungen. Mitunter wird Bulimie zudem – vor allem bei älteren Betroffenen - von anderen Süchten wie beispielsweise Nikotinabhängigkeit und Alkoholismus begleitet.

Anzeichen für Bulimie erkennen

Grundsätzlich ist es für Verwandte, Freunde und Kollegen sehr schwer, die Anzeichen für Bulimie zu erkennen. Denn es zählt zu den Symptomen dieser Essstörung, dass die Betroffenen die Bulimie und die Fressattacken sorgfältig verbergen und ein gesundes Essverhalten vorgeben. Mögliche Anhaltspunkte für einen Bulimie-Verdacht bieten die folgenden Verhaltensmuster:

  • stark kontrolliertes oder zwanghaftes Essverhalten (besonders gesund, stark auf Kalorienzahl fixiert etc.)
  • auffällig häufiges Aufsuchen von Sanitärräumen direkt nach dem Essen (hinweisgebend sind oft Wasserlaufenlassen in Waschbecken, Wanne oder Dusche, um die Brechgeräusche zu übertönen)
  • eher zu geringes Gewicht
  • Wahrnehmung von Speckrollen und Fettpolstern, wo keine sind
  • starke Fixierung auf Figur und Außenwirkung, Karrieredrang
  • Einkaufen von großen Mengen meist ungesunder Lebensmittel (Fastfood, Chips, zuckrige Limonaden, fetthaltige Lebensmittel)
  • Verstecken von Lebensmitteln und auch von Erbrochenem (zum Beispiel in Plastiktüten im Kleiderschrank)
  • mitunter Verschuldung wegen zu hoher Nahrungsmittelausgaben (Eine Fressattacke schlägt häufig mit mehr als 50 Euro zu Buche.)
  • regelmäßiger Gebrauch von Entwässerungs-, Abführ-, Abnehm- und Brechmitteln häufige Verstopfung und/oder andere Magen-Darmbeschwerden
  • Zahnprobleme, trockene Haut
  • auffälliger Bewegungsdrang oder übertriebener Sport (oft Ausdauersport).
  • Essen in der Öffentlichkeit oder in Gruppen (Freunde, Familie) wird sehr oft mit Ausreden vermieden
  • Minderwertigkeitsgefühle
  • Ablehnung von Weiblichkeit und Sexualität
  • Depressionen

Mit Bulimie umgehen

Wie für die Betroffenen selbst ist es auch für Menschen im Umfeld nicht leicht, mit Bulimie umzugehen. Wenn Sie bei einem Bulimie-Verdacht die betroffene Person direkt ansprechen, wird diese mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass alles in Ordnung sei und es keine Probleme gebe. Von daher empfehlen Experten, das Gespräch nicht direkt auf das Essen oder damit zusammenhängende Themen zu bringen. Vielmehr kann es ein guter Einstieg sein, ein ganz normales Gespräch über das persönliche Empfinden zu führen und bei passender Gelegenheit das Augenmerk auf das Essverhalten zu richten.

Im Beitrag Therapie von Essstörungen finden Sie weitere Informationen über die Gründe für Bulimie und Anregungen, wie Sie mit Betroffenen ins Gespräch kommen.

Autor: Charly Kahle

Stand: 05.03.2018

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