Bettnässen

Bettnässen (Enuresis) ist, wie viele Dinge über die wenig geredet wird, mit Vorurteilen belastet. Mit der Folge, dass die Betroffenen stärker leiden, als sie es ohnehin schon tun – das gilt für Kinder und ihre Eltern genau so wie für Jugendliche und Erwachsene. Lesen Sie mehr über die Symptome, Ursachen, Therapie und Vorbeugung von Bettnässen.

Synonyme

Enuresis

Definition

Kleinkind auf dem Töpfchen

Zu den oft anzutreffenden Vorurteilen über Bettnässen gehören Selbstvorwürfe der Eltern, in der Erziehung etwas falsch gemacht zu haben. Ein anderes weitverbreitetes Vorurteil ist, dass eine psychische Störung die Ursache des Bettnässens sei. Beides ist in der Regel falsch. Selbstvorwürfe von Eltern sind ebenso fehl am Platz wie Vorwürfe dem Kind gegenüber. Richtig ist vielmehr, dass Vorurteile und Falschinformationen über das Bettnässen psychische Störungen begründen können. Um das zu vermeiden und um richtig mit Bettnässen umgehen zu können, sind also zunächst grundlegenden Informationen notwendig.

Bettnässen ist fast immer keine Krankheit

Eine der wichtigsten Informationen über das Bettnässen: Bettnässen ist fast nie krankhaft, sondern meistens ein normales Phänomen der kindlichen Entwicklung. In der Medizin wird das Bettnässen erst ab dem vollendeten 5. Lebensjahr als therapiebedürftiges Problem gesehen. Erst ab dem 3. und 4. Lebensjahr können Kinder die Anspannung der Blasenmuskulatur steuern. Und auch dann bedarf es noch einiger Zeit, bis sich die Steuermechanismen voll entwickeln. Bettnässen unter 5 Jahren ist also ein völlig normales Vorkommnis. Aber auch ab dem Alter von 5 Jahren ist das Bettnässen meist kein Grund zur Sorge. Mit jedem weiteren Lebensjahr werden rund 10 % der Kinder ganz von alleine trocken. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Bettnässen einstellt, ist also recht hoch. Aber auch wenn nicht: Bettnässen ist behandelbar.

Check: Bettnässen durch Erkrankungen

Damit Sie selber schon mal checken können, ob ein Verdacht auf eine Erkrankung vorliegt, haben wir im Folgenden ein paar Fragen zusammengestellt. Wenn Sie eine oder mehrere der folgenden Fragen mit Ja beantworten, sollten Sie einen Arzt aufsuchen, der diesem Verdacht dann nachgehen und die notwendigen Untersuchungen vornehmen kann.

  • Hatte Ihr Kind schon einmal eine Harnwegsinfektion wie beipsielsweise eine Harnröhrenentzündung?
  • Leidet Ihr Kind unter Entzündungen im Genitalbereich?
  • Leidet Ihr Kind unter Einkoten, Stuhlschmieren oder Verstopfung?
  • Nässt Ihr Kind auch am Tage ein?
  • Trinkt Ihr Kind außergewöhnlich hohe Mengen?
  • Trinkt Ihr Kind viel während der Nacht?
  • Geht Ihr Kind sehr häufig auf die Toilette?
  • Hat Ihr Kind einen schwachen oder unterbrochenen (stotternden) Harnstrahl?
  • Leidet Ihr Kind unter plötzlich eintretendem Harndrang?
  • Hatte Ihr Kind eine Operation an der Wirbelsäule oder am Harntrakt?
  • Hat Ihr Kind einen ausgeprägt starken Bewegungsdrang? (Hyperkinetik)
  • Leidet Ihr Kind unter deutlichen Entwicklungsverzögerungen?
  • Leidet Ihr Kind unter häufigen Kopfschmerzen oder Sehstörungen?

Häufigkeit

Von Bettnässen sind etwa doppelt so viele Jungen wie Mädchen betroffen. Studien zufolge nässen nachts 25 % der Vierjährigen, 10 % der Siebenjährigen, 6 bis 7 % der Zehnjährigen und auch noch 1 bis 2 % der Jugendlichen ein. Selbst 1 % der Erwachsenen sind betroffen. Experten gehen davon aus, dass Kinder, die mit 7 Jahren noch ins Bett nässen auch als Erwachsene vom Bettnässen betroffen sind.

Ursachen

Bei der häufigsten Form von kindlichem Bettnässen, der sogenannten primären Enuresis nocturna (Kinder werden nachts "nicht trocken"), handelt es sich um eine anlagebedingte Entwicklungsverzögerung des Kindes, häufig in Kombination mit einer hormonellen Regulationsstörung der Hirnanhangdrüse. Dazu kann ein relativ kleines Blasenvolumen gehören oder die Tatsache, dass das Kind nachts besonders tief schläft und nicht von allein aufwacht, wenn die Blase voll ist. Psychische Probleme sind in diesem Fall nicht die Ursache, allerdings häufig die Folge.

Psychische Ursachen von Bettnässen

Mitunter reagieren Kinder mit Bettnässen auf traumatische Erlebnisse wie Scheidung, Umzug oder andere belastende familiäre Bedingungen. Auch Misshandlung oder sexueller Missbrauch von Kindern können Bettnässen verursachen. Überdurchschnittlich häufig leiden auch Kinder mit ADHS unter Bettnässen. Mediziner sprechen bei Bettnässen infolge äußerer Umstände oder als Begleitsymptom anderer Erkrankungen von sekundärer Enuresis nocturna. Bei der sekundären Form des Einnässens war das Kind vorher bereits länger als ein halbes Jahr trocken.

Abgrenzung zu anderen Erkrankungen

Bettnässen kann auch Folge einer Blasenentleerungsstörung oder von Harninkontinenz sein. Eine entsprechende Abgrenzung der Diagnose leistet der Facharzt.

Untersuchung

Zur Diagnose von Bettnässen reichen meist ein ausführlicher Fragebogen (Blasentagebuch) und eine Ultraschalluntersuchung von Blase und Niere aus. In Anbetracht der Häufigkeit des Bettnässens sind die meisten Kinderärzte mit dem Problem sehr gut vertraut. Früher wurden betroffene Kinder geröntgt, operiert oder ihnen wurden nicht indizierte Medikamente verabreicht – in über 90 % der Fälle völlig unnötigerweise. Dem kann heute durch gezielte Diagnose und Behandlung entgegengesteuert werden.

Behandlung

Zunächst gilt, dass Kinder unter 5 Jahren keine ärztliche Therapie gegen Bettnässen benötigen. Für Kinder ab 6 Jahren, wie im Übrigen auch für Erwachsene, gibt es eine Vielzahl von Erfolg versprechenden Behandlungsansätzen.

Grundsätzlich beginnt die Behandlung von Bettnässen mit allgemeiner Beratung, Beruhigung und Motivationsaufbau. Außerdem gibt es eine wirksame medikamentöse Therapie mit Nasenspray oder Tabletten. Hierbei wird gegebenenfalls das körpereigene Wasserrückhalte-Hormon (antidiuretisches Hormon; ADH, auch Vasopressin genannt) als synthetisch hergestellter Wirkstoff Desmopressin ersetzt. Das antidiuretische Hormon (ADH) ist unter anderem für die Urinkonzentration in der Niere verantwortlich. Auch Blasentraining mit gezielten Übungen stellt eine bewährte Behandlung dar.

Hinzu kommen Hilfsmethoden wie die sogenannten Klingelhosen. Das ist ein mit der Windel oder Unterhose verbundener Weckapparat, der sich meldet, sowie der erste Tropfen Urin abgesondert wird.

Psychologische Therapie von Bettnässen

Sind Psychologen und Psychiater wichtig für eine Therapie gegen Bettnässen? Diese Frage ist zu bejahen, wenn Kinder unter dem Einnässen leiden. Oft schämen sich Kinder und sind enttäuscht über sich selber. Wenn sie dann im Freundeskreis oder sogar im ärztlichen oder familiären Umkreis auf Unverständnis stoßen, kann dies zu starken seelischen Belastungen führen. Mit Sicherheit gilt bei Kindern, die nie trocken waren: Nicht seelische Belastungen führen zum Einnässen, sondern das Einnässen führt zu seelischen Belastungen. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist eine Behandlung bei einem spezialisierten Kinderpsychologen die richtige Wahl.

Selbsthilfe: Das können Eltern tun

Bewahren Sie Ruhe. Viele Eltern machen sich unberechtigte Sorgen. Hierzu kommt die Angst, dass das Kind seelische Probleme oder organische Krankheiten hat. All das ist häufig unnötig. In den meisten Fällen liegt keine organische Erkrankung vor. Das nächtliche Einnässen wird in der Regel nicht durch seelische Probleme hervorgerufen und hat auch nichts mit falscher Erziehung zu tun. Die folgende Liste hilft Ihnen, die geeigneten Maßnahmen gegen Bettnässen zu ergreifen und gibt Tipps.

  • Beraten Sie sich bei anhaltendem Bettnässen mit Ihrem Kinderarzt und besprechen Sie mit ihm auch, ob eine psychologische Beratung notwendig sein sollte.
  • Stärken Sie das Selbstwertgefühl Ihres Kindes.
  • Sorgen Sie für eine entspannte häusliche Atmosphäre.
  • Bettnässen sollte niemals bestraft werden.
  • Vor dem Schlafengehen und evtl. einmal während der Nacht sollten Sie mit dem Kind zur Toilette gehen.
  • Setzen Sie Hilfsmittel (Feuchtigkeitsalarmgeräte) wie eine Klingelhose ein.
  • Motivieren Sie Ihr Kind und freuen Sie sich gemeinsam über kleine Erfolge. Positive Kartensymbole (Sonnen für trockene und Regenwolken für „nasse“ Tage) helfen dabei.
  • Vermeiden Sie nach Möglichkeit, dass Ihr Kind bei Freunden übernachtet. Das führt zum Erfolgszwang und Bettnässen könnte programmiert sein. Hänseleien der Kinder wären die Folge.
  • Kinder werden im Sommer schneller trocken als im Winter. Bei Wärme können sie nämlich die Schließmuskeln der Blase besser kontrollieren als bei Kälte.

Prognose

Nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft ist es eindeutig gesichert, dass es für die meisten Kinder effektive Möglichkeiten gibt, zu helfen. Vergessen Sie auch nicht, dass bis zu 15 % der betroffenen Kinder von einem Lebensjahr zum nächsten ganz von alleine trocken werden.

Autor: Charly Kahle

Stand: 14.02.2019

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