Bandscheibenvorfall

Bandscheibenvorfall ist eine sehr häufig gestellte Diagnose, wenn es um Rückenschmerzen geht. Andere Bezeichnungen sind Discushernie, Discus- oder Bandscheibenprolaps sowie Prolaps nuclei pulposi. Lesen Sie mehr über die Symptome, Ursachen, Therapie und Vorbeugung von Bandscheibenvorfall.

Synonyme

Prolaps, Discushernie, Discusprolaps, Bandscheibenprolaps

Definition

Wirbelsäule Untersuchung

Bandscheibenvorfälle sind sehr häufig, weil die Bandscheiben sehr stark belastet werden. Die Bandscheiben sind gewissermaßen die Stoßdämpfer der Wirbelsäule. Sie sitzen zwischen den Wirbelkörpern, aus denen die Wirbelsäule zusammengesetzt ist. Die Bandscheiben selbst bestehen aus einem faserigen Knorpelring, der einen sogenannten Gallertkern umschließt. Zusammen mit dem Faserknorpelring wirken sie wie ein Wasserkissen zwischen den Wirbeln.

Von einem Bandscheibenvorfall oder Bandscheibenprolaps sprechen Mediziner, wenn der Faser- beziehungsweise Knorpelring (Anulus fibrosus) teilweise oder ganz einreißt und sich der Gallertkern der Bandscheibe so verschiebt, dass er auf die am Wirbelkörper verlaufenden Nervenbahnen drückt. Diese Reizung der Nervenbahnen verursacht die Beschwerden bei einem Bandscheibenvorfall. Am häufigsten entstehen Bandscheibenvorfälle im Lendenwirbelbereich, weniger oft an Halswirbeln und nur sehr selten im Brustwirbelbereich.

Bandscheibenvorwölbung

Die Bandscheibenvorwölbung (Bandscheibenprotrusion) geht häufig – aber nicht zwingend – einem Bandscheibenvorfall voraus. Dabei verlagert sich der Knorpelring über den Rand des Wirbelkörpers hinaus und reizt so das Gewebe um die Nervenbahnen oder die Nervenbahnen selbst. Bei einer Bandscheibenvorwölbung oder Protusion ist der Knorpelring jedoch noch intakt oder nur ganz wenig gerissen.

Häufigkeit

Beinahe jeder Mensch kennt jemanden mit Bandscheibenvorfall oder sich sogar einer Bandscheiben-Operation unterziehen musste. Tatsächlich sind Schädigungen der Bandscheibe durchaus häufig, vor allem ab dem 50. Lebensjahr. Aber längst nicht jeder so bezeichnete Bandscheibenvorfall ist auch einer. Studien belegen, dass nur etwa 3 bis 5 Prozent der Rückenschmerzen auf Bandscheibenschäden zurückzuführen sind. Nach Ansicht vieler Experten sind viele der Bandscheibenoperationen unnötig oder helfen nicht gegen die Beschwerden. Inzwischen sind sich die meisten Experten einig, dass die Beschwerden durch einen Bandscheibenvorfall in 90 Prozent aller Fälle durch eine sogenannte konservative Therapie, also ohne Operation, behandelt werden sollten.

Symptome

Bei den Symptomen eines Bandscheibenvorfalls ist unter den allgemeinen und spezifischen Symptomen zu unterscheiden.

Allgemeine Symptome

Zu den allgemeinen Symptomen von Bandscheibenvorfall und Bandscheibenvorwölbung zählen:

  • Schmerzen in der Region der betroffenen Bandscheibe
  • Durch Druck auf den jeweiligen Nerv verursachte ausstrahlende Schmerzen, beispielsweise in den Armen oder Beinen, die bei Belastungen (Heben, Niesen, Husten etwa) auftreten oder sich verstärken
  • Missempfindungen wie Kribbeln oder Stechen
  • Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen
  • Kraftminderungen bis hin zu Lähmungen
  • Reflexstörungen

Spezifische Symptome

Die spezifischen Symptome des Bandscheibenvorfalls (oder der Bandscheibenvorwölbung) sind davon abhängig, welche Region der Wirbelsäule betroffen ist.

  • Halswirbelsäule: Kopfschmerzen, Nackenschmerzen und/oder Schulterschmerzen, bis in die Fingerspitzen kribbelnde Arme und Hände, geschwächte Arme, beschränkte Beweglichkeit von Hals, Schultern und Armen
  • Brustwirbelsäule: Schmerzen im Brustkorb, die mitunter als Herzschmerzen wahrgenommen beziehungsweise interpretiert werden
  • Lendenwirbelsäule: vom Kreuz in die Beine ausstrahlende Schmerzen, Taubheitsgefühle und Missempfindungen in den Beinen (vor allem an den Oberschenkeln als sogenannte Reithosenanästhesie), geschwächte Beine und/oder Füße, Potenzstörungen, Störungen der Funktion von Darm oder Blase mit Harninkontinenz oder Stuhlinkontinenz (letztere auch bei Bandscheibenschäden im Bereich des Steißbeins).

Starke, insbesondere anhaltende, Schmerzen, Lähmungserscheinungen oder Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit sollten Sie grundsätzlich ärztlich untersuchen lassen. Schieben Sie das auch nicht auf die lange Bank: Für jede Erkrankung gilt, dass sie leichter und besser behandelt werden kann, je eher die Behandlung beginnt. Plötzlich auftretende Harn- und/oder Stuhlinkontinenz sowie Gefühlsstörungen in den Oberschenkeln erfordern eine schnelle ärztliche Untersuchung.

Ursachen

Die Ursachen des Bandscheibenvorfalls sind in der Regel alterungs- und verhaltensbedingt. Ganz genau geklärt sind sie aber nicht. Bislang lässt sich nicht sagen, warum ein Mensch einen Bandscheibenvorfall erleidet und ein ähnlich alter und belasteter anderer Mensch nicht. Manchmal entstehen Bandscheibenvorfälle auch plötzlich ohne erkennbare verschleißbedingte Schädigungen.

Alterungsbedingte Ursachen

Etwa ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Elastizität der Bandscheiben natürlicherweise ganz allmählich ab. Spätestens ab dem 40. Lebensjahr zeigen moderne bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) bei jedem Menschen Mikro-Einrisse im Knorpelring der Bandscheiben. Mit Kernspintomografien kann bei jedem 2. Menschen über 40 ein Bandscheibenvorfall oder eine Bandscheibenvorwölbung bildlich nachgewiesen werden. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass mögliche Rückenschmerzen tatsächlich auf Schädigungen der Bandscheibe zurückzuführen sind. Und manche Menschen verspüren trotz bildlich dokumentierter Bandscheibenschäden überhaupt keine Schmerzen. Die Genauigkeit dieser Untersuchungen könnte ein Grund dafür sein, dass so häufig – und ohne Nutzen für Patientinnen und Patienten – an der Wirbelsäule operiert wird. Denn das CT oder MRT zeigt ja eine objektiv vorhandene Schädigung der Bandscheibe.

Verhaltensbedingte Ursachen

Vor allem körperliche Belastungen, Fehlhaltungen, Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigen den natürlichen alterungsbedingten Verschleiß der Wirbelsäule und der Bandscheiben. Übergewicht beispielsweise belastet die Wirbelsäule ähnlich wie das Heben oder Tragen von schweren Gegenständen. Häufig tritt aus diesem Grund ein Bandscheibenvorfall auch während der Schwangerschaft auf. Bewegungsmangel etwa schädigt die Wirbelsäule, weil die Muskeln und Bänder im Bereich der Wirbelsäule nicht trainiert werden und die Wirbelsäule so nicht stützen können.

Untersuchung

Die Diagnose von Bandscheibenvorfall ist in den Zeiten der modernen bildgebenden Verfahren wie Computer- oder Magnetresonanztomografie auf den ersten Blick einfach: CT oder MRT zeigen, ob eine Bandscheibe geschädigt ist oder nicht. Deutlicher schwieriger zu klären ist die Frage, ob und welche therapeutischen Maßnahmen aus dem Bildbefund abzuleiten sind. Ein MRT beispielsweise zeigt jüngsten Studien zufolge bei jedem 2. untersuchten Menschen einen Bandscheibenvorfall oder eine Bandscheibenvorwölbung. Das bedeutet aber nicht, dass die Bandscheibe die Ursache für Rückenschmerzen ist. Für eine zuverlässige Diagnose des Bandscheibenvorfalls müssen die Symptome und die Krankengeschichte im ärztlichen Gespräch sehr sorgfältig erhoben werden. Am besten dafür geeignet sind Fachärzte (Orthopäden) und orthopädische Fachkliniken.

Behandlung

Die Behandlung von Bandscheibenvorfall weckt oft die Angst vor einer Bandscheiben-Operation. Diese Sorge ist aber nur selten begründet. Mehr als 90 Prozent aller Bandscheibenvorfälle werden konservativ, also ohne Bandscheiben-OP, behandelt. Und genau genommen ist der Anteil der nicht operierten Bandscheibenvorfälle noch höher: Viele Bandscheibenvorfälle werden nämlich gar nicht erkannt, weil sie keine Beschwerden verursachen oder die Beschwerden nach wenigen Wochen ohne Behandlung abklingen. Für die immer weiter ansteigende Anzahl der Bandscheiben-Operationen gibt es nach Ansicht vieler Experten keine medizinisch haltbare Erklärung. Ohnehin werden nach Ansicht von Experten gerade bei Rückenschmerzen zu viele Röntgenaufnahmen und Operationen veranlasst. Grundsätzlich gilt, dass vor einer Operation alle Möglichkeiten der konservativen Therapie ausgeschöpft werden sollten.

Ärztliche Behandlung von Bandscheibenvorfall

Die ärztliche Behandlung von Bandscheibenvorfall – dies sei noch einmal wiederholt – kommt in mehr als 90 Prozent der Fälle ohne Operation aus. An erster Stelle der Behandlungsmöglichkeiten stehen schmerzlindernde Therapie und dann die Physiotherapie.

Behandlung von Schmerzen: In der Schmerzbehandlung genügt es häufig, entzündungshemmende Schmerzmittel wie Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin oder Ketoprofen einzusetzen. Bei starken Beschwerden kommen opioide Schmerzmittel wie Buprenorphin, Fentanyl, Hydromorphon, Oxycodon oder Tilidin in Betracht. Des Weiteren helfen Kortisonpräparate bei Bandscheibenvorfällen. In besonders schweren Fällen werden Schmerzmittel oder lokale Betäubungsmittel über einen Katheter oder eine sogenannte Infiltration an die entsprechenden Nervenwurzeln gebracht. Diese Behandlungsmethode ist vor allem auf den stationären Gebrauch beschränkt.

Bei langanhaltenden Rückenschmerzen kann eine Untersuchung in einem Schmerzzentrum sinnvoll sein. Dort kümmern sich Teams von Ärzten verschiedener Fachrichtungen, Physio- und Psychotherapeuten gemeinsam darum, ein auf den einzelnen Schmerzpatienten abgestimmtes Behandlungskonzept zu entwickeln.

Operative Behandlung von Bandscheibenvorfall

In der operativen Behandlung von Bandscheibenvorfällen gibt es eine Reihe von Methoden. Die Bandscheiben-Operation ist allerdings die Ausnahme. Sie wird in der Regel empfohlen, wenn durch den Bandscheibenvorfall Blase oder Darm beeinträchtigt sind.

Bei einer Bandscheiben-Operation wird üblicherweise die ausgetretene Gallertflüssigkeit entfernt, um die Nervenbahnen zu entlasten. Diese OP wird als sogenannte mikroskopische Nukleotomie oder – vorzugsweise in spezialisierten Zentren – als endoskopische Nukleotomie – angewendet.

Bandscheibentransplantate: In einigen Fällen kann es notwendig werden, eine Bandscheibe durch ein Transplantat zu ersetzen (Bandscheibenprothese), den Wirbelkanal zu erweitern oder die Wirbelsäule durch Schrauben oder Manschetten zu versteifen.

Konservative Behandlung

  • Physiotherapie (früher als Krankengymnastik bezeichnet) ist neben der Schmerzlinderung das wichtigste Element der Behandlung von Bandscheibenvorfall. Bei der Physiotherapie geht es zunächst darum, durch spezielle Übungen die schmerzfreie Beweglichkeit von Muskeln und Skelett wiederherzustellen. Dann werden geschwächte Muskelgruppen gezielt gestärkt und schließlich rückenfreundliche Bewegungsabläufe eingeübt, um neue Falschbelastungen und daraus resultierende schädliche Fehlstellungen zu vermeiden.
  • Physikalische Therapie: Heiße und kalte Anwendungen sind vor allem dazu geeignet, Schmerzen zu lindern und den Heilungsprozess zu fördern. Wärme weitet die Blutgefäße und regt den Stoffwechsel an. Außerdem entspannt Wärme Muskeln und Bänder. Schon seit Jahrhunderten gelten heiße Quellen oder Moorpackungen daher als förderlich bei Rückenschmerzen.
  • Kälte mindert das Schmerzempfinden. Außerdem verlangsamt sie Entzündungsprozesse. Auch das hat einen positiven Einfluss auf die Beschwerden durch Bandscheibenvorfall.
  • Manuelle Therapien: Ob Massage, Osteopathie oder Chirotherapie: Die sogenannten manuellen Therapien können die Behandlung von Bandscheibenvorfall sinnvoll ergänzen. Gemeinsam ist diesen drei Behandlungsmethoden, dass der Patient passiv bleibt. Der Nutzen für die Patienten entsteht durch spezielle Grifftechniken, mit denen Muskeln und Skelett mobilisiert und normalisiert werden sollen.

Alternative Behandlungsformen

Neben der schmerzlindernden Therapie wenden viele Orthopäden bei Bandscheibenvorfällen Akupunktur an. In unterschiedlichen Studien wurde der Nutzen von Akupunktur bei Lendenwirbelsäulenbeschwerden belegt. Dabei verbessern die Nadeln nicht die krankhaft veränderte Wirbelsäule. Mittels Akupunktur werden ausschließlich die Schmerzen gelindert. Viele Patienten müssen so weniger Schmerzmittel einnehmen.

Selbsthilfe bei Bandscheibenvorfall

Die wirksamste Form der Selbsthilfe bei Bandscheibenvorfall ist in der Regel, vor allem die konservative Therapie ernst zu nehmen und konsequent fortzuführen. Zur Selbsthilfe geeignet sind auch die unter Vorbeugung genannten Empfehlungen.

Vorbeugung

Die meisten Bandscheibenvorfälle entwickeln sich im Laufe eines jahrelangen Prozesses. Der altersbedingte Verschleiß der Bandscheiben wird dabei oft durch ungünstige Verhaltensweisen unnötig beschleunigt. Sie können Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfällen vorbeugen, indem Sie die folgenden Tipps beherzigen.

Falsche Belastungen des Rückens vermeiden

Es geht schon beim vermeintlich harmlosen Sitzen los: Oft belasten wir unsere Wirbelsäule durch rückenschädliche Haltungen, die Bandscheibenvorfälle begünstigen. Das gilt beispielsweise auch für das Stehen oder Tragen und Heben. Rückenschonende Bewegungsabläufe erlernen Sie beispielsweise in einer Rückenschule, wie sie von vielen Krankenkassen, Volkshochschulen oder Gesundheitszentren angeboten wird. Ihr Arzt wird Ihnen sicher Kurse in Ihrer Nähe nennen können.

Bewegungsmangel vermeiden

Die Bandscheiben sind ein effektiver Stoßdämpfer für die Belastungen, denen die Wirbelsäule täglich ausgesetzt ist. Eine noch größere Rolle bei der Dämpfung dieser Belastungen allerdings spielen Muskeln und Sehnen. Und die wollen trainiert sein, um ihre Funktion gut auszufüllen. Bei Bewegungsmangel verkürzen sich die Sehnen und die Muskeln erschlaffen: Die Folge sind Fehlhaltungen und unnötige Belastungen der Wirbelsäule, die das Risiko für Bandscheibenvorfälle erhöhen. Im Prinzip ist jede Form von mildem Ausdauersport geeignet, Bewegungsmangel und daraus resultierende Rückenschmerzen vermeiden zu helfen. Besonders empfehlenswert sind rückenschonende Sportarten wie Walking, Nordic Walking oder Aquafitness. Auch Yoga oder Qigong können Rückenbeschwerden vorbeugen.

Bei aktuellen Rückenschmerzen sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt ab, welche Sportart Sie sinnvollerweise ausüben sollten, um Bandscheibenvorfällen vorzubeugen.

Übergewicht abbauen

Übergewicht belastet nicht nur den Organismus, sondern vor allem auch das Skelett – und hier insbesondere die Wirbelsäule. Außerdem geht Übergewicht häufig mit Bewegungsmangel einher. In den Ratgebern zur gesunden Ernährung finden Sie zahlreiche Empfehlungen, wie Sie überflüssige Pfunde nachhaltig loswerden.

Autor: Charly Kahle

Stand: 06.06.2022

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