Angststörung bei Kindern

Eltern wissen: Vor allem kleine Kindern empfinden Ängste ganz anders als ältere Geschwister oder Erwachsene. Ängste erfordern einen sensiblen Umgang. Hier lesen Sie, wie Sie das Thema Kinder und Angst altersgerecht angehen, wie Sie Anzeichen für krankhafte Ängste erkennen und wie Sie Ihrem Kind bei einer Angststörung helfen können.

Definition

Junge schaut ängstlich unter dem Bett

Kinder und Angst gehören auf eine natürliche Art und Weise zusammen. Denn Kinder entdecken die Welt. Und da ist viel Neues, dass Kindern mitunter Angst machen kann. Außerdem haben Kinder eine lebhafte Fantasie. Eltern wissen, dass man gelegentlich ein Monster aus dem Kleiderschrank vertreiben muss oder Wache halten, damit Einbrecher den Schlaf des Kindes nicht stören. Das sind ganz normale kindliche Ängste.

Davon abzugrenzen sind Angststörungen bei Kindern, wie sie Kinderpsychologen und Kinderärzte zunehmend häufig diagnostizieren. Die Anzeichen für solche Angststörungen bei Kindern zu identifizieren, ist keineswegs leicht. Nicht immer sprechen Kinder über ihre Ängste, sondern äußern sie über Verhaltensauffälligkeiten. Das liegt unter anderem daran, dass Sie diese Ängste meistens garf nicht rational erfassen können. So bleiben ihre spezifischen Ängste häufig verborgen oder treten nur über Umwege oder durch bestimmte Symptome ans Tageslicht. 

Oftmals haben Kinder und Jugendliche allumfassende (sogenannte generalisierte) Angststörungen, mitunter sind die Ängste nur auf bestimmte Situationen bezogen (vor Klassenarbeiten oder Kontakt mit bestimmten Tieren). Generalisierte Angst äußert sich zum Beispiel in übertriebenen Sorgen rund um alltägliche Ereignisse, stark überzogene Trennungsängste (oft bei Kindergarten- und Schulbesuchen) oder die Angst, sich vor anderen zu blamieren. Oft versuchen die Kinder, die angstauslösende Situation zu vermeiden. In der Folge verschlechtern sich oft die Schulleistungen, das Zusammenleben in der Familie wird zunehmend schwieriger, Freundschaften gehen auseinander und der Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt mitunter gänzlich.

Häufigkeit

Angststörungen von Kindern gelten mittlerweile als häufigste psychiatrische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Genaue Zahlen gibt es indes kaum. Nach Angaben der BELLA-Studie des Robert-Koch-Institits (RKI) liegt der Anteil akuter Angststörungen bei etwa 10 Prozent. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie geht davon aus, dass mehr als 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen sind.

Symptome

Die Symptome von Angststörungen bei Kindern sind sehr vielfältig. Letztlich kann die gesamte Bandbreite lebhaften oder nervösen kindlichen Verhaltens auch auf eine Angststörung hinweisen. Ausreichende Sicherheit für eine Diagnose bieten diese Symptome aber nicht. Besonders auffällige Symptome von Angststörungen bei Kindern sind:

  • nachlassende Neugierde
  • Regression (Verlernen erworbener Fähigkeiten wie Sprache oder Sauberkeit)
  • Einnässen und Einkoten
  • selbst gewählte Isolation
  • Passivität oder Hyperaktivität
  • selbstverletzendes Verhalten
  • Haare raufen oder Haare ausreißen (Trichotillomanie)
  • zwanghafte Verhaltensweisen
  • Zittern
  • Atemnot
  • Stottern.

Grundsätzlich gelten zwei Verhaltensänderungen als wichtige Alarmsignale: wenn ein Kind verstummt oder sehr aggressiv wird. Und zwar in einem Ausmaß, das für die jeweilige Entwicklungsphase untypisch ist.

Sensible Kinder leiden eher an Angststörungen

Angst haben Mädchen und Jungen gleichermaßen, nur die Symptome äußern sich unterschiedlich. Während Jungen oft gewalttätig werden, ziehen sich Mädchen in ihr Schneckenhaus zurück. Viele hungern bis zum Umfallen oder verletzen sich selbst.

Angststörungen treten vor allem bei sensiblen, scheuen und zurückhaltenden Kindern und Jugendlichen auf. Sie lassen sich schnell von veränderten Alltagssituationen irritieren und reagieren in neuen Umgebungen eher ängstlich. Kinder und Jugendliche mit Angststörungen trauen sich in der Regel nur sehr wenig zu und haben Schwierigkeiten, eigentlich bewältigbare Schwierigkeiten, zu meistern.

Krankhafte Angst bei Kindern erkennen

Bei Angststörungen zeigen Kinder in bestimmten Situationen Angst, die für Außenstehende unbegründet erscheint. Typisch sind dabei Verweigerungshaltungen und Krankheitssymptome. Ein paar Beispiele:

Das Kind

  • weigert sich, in den Kindergarten oder zur Schule zu gehen
  • geht nicht alleine draußen spielen
  • will abends nicht alleine einschlafen
  • bleibt tagsüber auch nicht für kurze Zeit allein zu Hause
  • will nicht bei Freunden übernachten
  • weint und schreit oder schlägt um sich und klammert sich bei Verabschiedungen an der Mutter (bzw. der Vertrauensperson) fest • hat oft Kopf- und Bauchschmerzen
  • leidet an Schlafstörungen und Müdigkeit, Muskelverspannungen oder Schwindelgefühlen.

Ursachen

Die Ursachen von Angststörungen bei Kindern sind in der Regel im familiären Umfeld zu suchen. Risikofaktoren für das Auftreten von Angststörungen bei Kindern sind ein ungünstiges Familienklima sowie ein niedriger sozioökonomischer Status. Schon in den ersten Lebensjahren beeinflussen gesellschaftliche und ökonomische Probleme die Gesundheit von Kindern. Materielle Armut, sozialer Abstieg, konflikt- und gewaltreiche Familienverhältnisse wie auch eine bildungsferne Umgebung erhöhen das Risiko für die Entstehung von Angststörungen und anderen psychischen Problemen.

Familiäres Fehlverhalten muss aber nicht immer der Auslöser für Angststörungen bei Kindern sein. Das fehlende oder vorhandene Verständnis für die Not eines Kindes mit Ängsten trägt aber in jedem Fall entscheidend dazu bei, ob eine Furcht überwunden werden kann oder sich mit der Zeit in eine Angststörung verwandelt.

Des weiteren gehen Mediziner von einer genetischen Veranlagung aus, die das Risiko einer Angststörung erhöhen soll.

Weitere Ursachen für Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen

Einer Angststörung bei Kindern und Jugendlichen gehen häufig bestimmte Lebenserfahrungen voraus. Dazu gehören insbesondere:

  • Trennung der Eltern
  • schwere Erkrankung eines Elternteils
  • Tod einer nahestehenden Person, insbesondere eines Geschwisterkindes
  • eigene schwere Erkrankungen (wie akute Leukämie oder ein schwerer Unfall)
  • zeitweilige Unterbringung in Heimen oder einer Pflegefamilie
  • bedrohliche Erfahrungen (Umweltkatastrophen, Wohnungsbrände, Lawinen-Verschüttungen u. Ä.).

Untersuchung

Das kindliche Verhalten ändert sich häufig. Und nicht hinter jeder Ängstlichkeit steckt eine Angststörung. Wenn Sie aber ohne erkennbare Ursache besonders stake Verhaltensauffälligkeiten oder einen Wesenswandel bei Ihrem Kind bemerken, kann ein Beratungsgespräch beim Kinderarzt helfen. Auch eine Erziehungsberatungsstelle oder ein Psychologe sind geeignete Ansprechpartner für die Diagnose einer Angststörung bei Kindern.

Behandlung

Die Therapie von Angststörungen bei Kindern gehört in die Hände eines erfahrenen psychiatrischen Kinderarztes oder Kindertherapeuten. Nur die haben in der Regel die Erfahrung zu beurteilen, ob eine Therapie von Angststörungen bei Kindern überhaupt notwendig ist. Ablauf und Dauer einer solchen Therapie richten sich nach den individuellen Bedürfnissen des Kindes. Bei der Auswahl eines geeigneten Therapeuten sollten Sie sehr darauf achten, dass der Therapeut Ihr Kind ernst nimmt und das Kind sich dort wohlfühlt.

Verhaltenstherapie als Mittel gegen Ängste

Ängste bei älteren Kindern und Jugendlichen werden in der Regel mit kognitiver Verhaltenstherapie behandelt. Um eine Generalisierung und Chronifizierung zu vermeiden, sollte möglichst frühzeitig damit begonnen werden. Ziel der Therapie ist es, Verhaltensweisen, die angstmachende Gedanken nach sich ziehen, zu verändern und somit die Angst zu verringern. Geeignet dafür sind bestimmte Verhaltensübungen, Rollenspiele und Entspannungstraining.

Während der kognitiven Verhaltenstherapie erkennt das Kind/Jugendlicher, welche Gedanken seine Angst verstärken. Anschließend werden der Wahrheitsgehalt der Gedanken und die eventuelle Wahrscheinlichkeit, dass das gefürchtete Ereignis eintritt, überprüft. Zusammen mit dem Therapeuten werden neue Gedanken und Strategien entwickelt, die helfen, mit der Angstsituation besser umzugehen. Daneben gibt es noch andere wichtige Bestandteile der Therapie.

Vorbeugung

Als Eltern oder erwachsene Kontaktpersonen eines Kindes können Sie erheblich dazu beitragen, Ängsten und Angststörungen bei Kindern vorzubeugen. Angst entsteht – auch bei Erwachsenen - in erster Linie durch das Gefühl, die Kontrolle über eine Situation zu verlieren. Das beste Mittel gegen die Angst ist also, die Kontrolle wieder zu erlangen. Als Eltern können Sie Ihr Kind dabei unterstützen und ihm Sicherheit geben.

Auf kindliche Ängste mitfühlend reagieren

Viele Eltern neigen dazu, zu gesprächs- und vernunftbetont auf kindliche Ängste zu reagieren. Das entspricht der Erwachsenen-Haltung. Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen. Sie sind dank ihrer lebhaften Fantasie und der fehlenden Lebenserfahrung zuweilen nicht in der Lage, eine echte Bedrohung von einer vermeintlichen zu unterscheiden. Zudem werden elterliche Lösungsvorschläge ohnehin oft mit Widerstand und Blockade aufgenommen. Eine gelungene Angstverarbeitung ist nur dann möglich, wenn Kinder sich konstruktiv beteiligen dürfen und wenn sie Forderung, Förderung und Stärkung erfahren.

Auch wenn Erwachsenen die Ängste von Kindern oftmals als harmlos erscheinen, sollten diese immer ernst genommen werden. Für das Kind sind die Gründe für Ängste immer sehr real. Das Monster unter dem Bett ist genauso Furcht einflößend wie Nachbars Hund.

Angstbewältigung mit Fantasie

Gerade Kinder haben für eine erfolgreiche Angstbewältigung ein starkes Mittel: Spiel, Magie und Ritual. Diese ureigensten Verarbeitungsmöglichkeiten sollten genutzt werden.

  • Ängste im Spiel bewältigen: Kinder spielen eigentlich immer. Sie spielen mit Erlebnissen oder Rollen. Nach angstauslösenden außergewöhnlichen Erlebnissen können es sehr oft lösungsorientierte Wiederholungsspiele sein, die das traumatische Erlebnis zum Inhalt haben. Das Spielen hilft beim Suchen nach Lösungen und unterstützt den kindlichen Verarbeitungsprozess.

Die Macht der Fantasie

Kinder glauben an die Macht der Fantasie und an ihre Zauberkraft. Mit der Logik des Kindes heißt das, dass die Fantasie, die Monster und Räuber hervorbringt, diese auch wieder verschwinden lassen kann. Nutzen Sie die Kraft kindlicher Kreativität, indem Sie beispielsweise den Kindern Geschichten und Märchen vorlesen oder den Kuscheltieren magische Kräfte verleihen.

Das magisch-fantastische Denken von Kindern (etwa zwischen dem 4. und 9. Lebensjahr) ist eine altersentsprechende Form der Intelligenz, mit der Kinder schöpferisch tätig sind, um ihre Umgebung, ihre Nah- und Umwelten zu verstehen. Das magische Denken stellt einen Strukturierungsversuch dar. Viele der Entwicklungsaufgaben in dieser Zeit sind von Ängsten durchzogen. Mit dem magisch-mystischen Denken können diese Ängste besser ausgehalten und produktiver bewältigt werden.

Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur)

Stand: 21.11.2024

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