Altersschwerhörigkeit
Altersschwerhörigkeit ist entgegen der landläufigen Annahme nicht nur bei Senioren verbreitet. Presbyakusis entwickelt sich bei vielen Menschen bereits ab dem 50. Lebensjahr. Einmal verlorenes Hörvermögen kommt auf natürliche Weise nicht zurück. Hörgeräte aber ermöglichen in fast allen Fällen ein nahezu vollständiges Hören.
Synonyme
Presbyakusis, Schwerhörigkeit
Presbyakusis im Überblick

Altersschwerhörigkeit wird in der medizinischen Fachsprache als Presbyakusis bezeichnet. Mediziner unterscheiden Presbyakusis von der nicht alterungsbedingten Schwerhörigkeit (Hypakusis). Die Fachbegriffe leiten sich aber vom altgriechischen „ákousis“ für „hören“.
Symptome: Altersschwerhörige haben zunächst vor allem Schwierigkeiten, hohe Frequenzen wahrzunehmen. Dadurch gelingt es ihnen oftmals nicht, Gesprächspartner zu verstehen. Bestimmte laute Geräusche werden als sehr störend wahrgenommen. Bei Altersschwerhörigkeit ist der Hörverlust in der Regel fortschreitend und betrifft beide Ohren.
Ursachen: Altersschwerhörigkeit entsteht vor allem durch natürliche Abnützungserscheinungen im Innenohr. Als wichtigste Risikofaktoren gelten langjährige starke Lärmbelastung und ein ungesunder Lebensstil.
Behandlung: Presbyakusis ist nicht heilbar. Die Altersschwerhörigkeit lässt sich aber in der Regel durch das Tragen eines Hörgerätes ausgleichen. Hörtraining und psychologische Unterstützung können bei der Bewältigung der Altersschwerhörigkeit helfen.
Prognose: Altersschwerhörigkeit ist eine fortschreitende gesundheitliche Einschränkung, die unbehandelt zu sozialen Problemen wie Einsamkeit und Schwierigkeiten im Alltag führen kann. Das begünstigt mitunter auch psychische Erkrankungen wie Depressionen.
Definition: Was ist Altersschwerhörigkeit?
Der Begriff Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) bezeichnet in der Medizin einen beidseitigen fortschreitenden Verlust des Hörvermögens, der gewöhnlich erst im höheren Lebensalter auftritt. Meist bemerken Betroffene das Nachlassen des Hörvermögens nicht sofort. Das liegt unter anderem daran, dass der Hörverlust schleichend eintritt: Die Betroffenen bemerken das schlechte Hören oft erst, wenn sie in bestimmten Situationen nicht mehr in der Lage sind, ihre Gesprächspartner deutlich zu verstehen.
Eine bestehende Presbyakusis lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Je früher die Altersschwerhörigkeit diagnostiziert wird, desto besser lassen sich aber Folgeschäden der Hörminderung wie psychische Belastung, sozialer Rückzug und Abbau bestehender Fähigkeiten verhindern. In der Regel erhalten Menschen, die unter Altersschwerhörigkeit leiden, Hörgeräte an beiden Ohren.
Ist Schwerhörigkeit eine Krankheit?
Altersschwerhörigkeit ist keine eigenständige Erkrankung. Presbyakusis ist vielmehr die Folge von natürlichen Alterungsprozessen im Innenohr. Bei den Symptomen handelt sich also um Abnutzungserscheinungen, die erst durch langjährige Einflüsse entstehen.
Häufigkeit von Altersschwerhörigkeit
Schwerhörigkeit ist ein häufiges Phänomen: Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit etwa 450 Millionen Menschen betroffen. Ein Großteil davon leidet unter Altersschwerhörigkeit. In Deutschland gilt jeder 7. Erwachsene als schwerhörig. Bei den über 65j-ährigen ist es bereits jeder zweite. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der Schwerhörigen weiter an. In der Altersgruppe ab 80 Jahren sind bereits rund 80 Prozent schwerhörig.
Bei Männern entsteht Altersschwerhörigkeit häufiger als bei Frauen. Dafür dürften vor allem Umweltbelastungen und Lebensstilfaktoren verantwortlich sein: Männer weisen öfter Risikofaktoren für Altersschwerhörigkeit auf wie intensive berufliche Lärmbelastung oder Rauchen.
Symptome: Wie macht sich eine Hörbeeinträchtigung bemerkbar?
Altersschwerhörigkeit beginnt schleichend. Das typischste Symptom zu Beginn der Hörbeeinträchtigung ist Nachlassen der Fähigkeit, hohe Töne wahrzunehmen. In der Folge kommt es zu Schwierigkeiten, einige Sprachlaute ausreichend auseinanderhalten zu können (Diskriminationsverlust). Vor allem ähnlich klingende Wörter werden nicht mehr deutlich verstanden und stattdessen erraten.
Das herabgesetzte Sprachverständnis erschwert die aktive Teilnahme an Gesprächen. Menschen mit Altersschwerhörigkeit fühlen sich meist besonders eingeschränkt, wenn beispielsweise in Gesellschaften mehrere Gesprächspartner beteiligt sind und Hintergrundgeräusche das Hören ohnehin erschweren: Dieses Phänomen wird auch als Cocktailparty-Effekt bezeichnet.
Altersschwerhörigkeit ist mitunter von weiteren Symptomen begleitet. Dazu zählen störende Ohrgeräusche (Tinnitus). Ein anderes Symptom beschreiben Mediziner als herabgesetzte Unbehaglichkeitsschwelle oder „Uncomfort-Level” (UCL). Damit ist gemeint, dass Schwerhörende sich in einer geräuschvollen Umgebung oft unbehaglich fühlen. Tinnitus und UCL begünstigen, dass Schwerhörige sich zurückziehen (vereinsamen) und soziale Kontakte mit Gesprächen meiden.
Unabhängig von der Altersschwerhörigkeit nimmt im höheren Lebensalter die geistige Kapazität schneller ab, die benötigt wird, um gehörte Sprache zu verarbeiten und darauf zu reagieren. Dadurch wird die Problematik der Presbyakusis zusätzlich verstärkt. Altersschwerhörigkeit kann das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, erhöhen.
Ursachen: Wie kommt es zur Altersschwerhörigkeit?
Hauptursache von Altersschwerhörigkeit sind Alterungsprozesse im Innenohr. Im Innenohr werden Schallwellen in Nervenreize gewandelt. Eine Schlüsselrolle spielen die beweglichen Haarzellen im Innenohr. Sie dienen der Tonaufnahme und Tonverstärkung und sind notwendige (essenzielle) Komponenten des Hörsinnes. Die Haarzellen wandeln als Rezeptorzellen den mechanischen Schalldruck in elektrische Aktivität, die über den Hörnerv ins Gehirn gelangt. Dieser Prozess kann durch eine Vielzahl von Einflüssen gestört werden. Ob und wann Altersschwerhörigkeit einsetzt, dürfte auch von erblichen (genetischen) und hormonellen Faktoren abhängen - vor allem aber von Prozessen, die im Körper selbst ablaufen (endogene Faktoren) und äußeren (exogene) Faktoren.
Innerliche (endogene) Ursachen von Altersschwerhörigkeit
Zu den endogenen Ursachen von Altersschwerhörigkeit zählen normale Alterungsprozesse, die an den Haarzellen des Innenohrs zu Verschleiß und Abbau führen. Kennzeichnend für die Alterung des Innenohrs sind unter anderem:
- Minderversorgung mit Sauerstoff (Hypoxie)
- Mangeldurchblutung (Ischämie)
- Missverhältnis zwischen der Bildung und dem Abbau reaktionsfreudiger Sauerstoffprodukte im Stoffwechsel (oxidativer Stress)
- Absterben von Haarzellen (Zelltod)
- Mutationen von Zellorganellen, die der Energiegewinnung dienen (Mitochondrien)
Ein plötzlicher einseitiger Verlust des Hörsinnes (Hörsturz) führt ebenfalls zu einer Schädigung von Haarzellen. Obwohl sich die Hörminderung nach einem Hörsturz in manchen Fällen vollständig zurückbildet, bleibt ein erhöhtes Risiko, später unter Altersschwerhörigkeit zu leiden, bestehen.
Umweltbedingte (exogene) Ursachen von Altersschwerhörigkeit
Exogene Einflussfaktoren, die die Funktion des Innenohrs einschränken können, sind vor allem:
- Hohe Lärmbelastung (etwa durch Arbeit an Maschinen, Musizieren oder Musikhören ohne geeigneten Hörschutz)
- Rauchen
- Übergewicht
- Diabetes mellitus
- Ohrschädigende Medikamente (ototoxische Substanzen) wie bestimmte Antibiotika (Aminoglykoside), Schmerzmittel (Salicylate) oder das Krebsmittel Cisplatin
- Chemikalien wie Blei, Quecksilber, Kohlenmonoxid
- Infektionen wie Fleckfieber, Zoster oticus, Creutzfeldt-Jakob, Borreliose, grippebedingte Mittelohrentzündungen (Grippeotitis) oder AIDS.
Untersuchung
Für die diagnostische Abklärung der Altersschwerhörigkeit ist der Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO) zuständig. Zentrale Rollen bei der Diagnose spielen die Erhebung der Krankengeschichte, eine gründliche Untersuchung der Ohren und anderer Risikofaktoren sowie unterschiedliche Hörtests:
Tonschwellenaudiogramm (Tonschwellenaudiometrie) misst die Hörschwelle, ab der ein Ton in einer bestimmten Frequenz gerade noch wahrgenommen werden kann.
- SISI-Test (Short Increment Sensitivity Index) wird ermittelt, ob kleine Schwankungen der Lautstärke über der Hörschwelle erkannt werden können. Wenn das der Fall ist, liegt eine Schädigung der Haarzellen des Innenohrs vor.
- Sprachaudiogramm (Sprachaudiometrie) dient der Untersuchung des Verstehens von Wörtern, Silben oder Zahlen in unterschiedlicher Lautstärke. Die Methode wird vor allem zur Anpassung von Hörgeräten eingesetzt.
Behandlung: Was kann man gegen Schwerhörigkeit tun?
Altersschwerhörigkeit lässt sich nur sehr bedingt verzögern und einmal bestehende Hördefizite lassen sich auf natürlichem Weg nicht mehr rückgängig machen. Königsweg in der Behandlung von Presbyakusis ist daher die Verwendung von Hörgeräten. Für gewöhnlich werden beide Ohren mit einem Hörgerät versorgt, um ein gutes räumliches Hören zu ermöglichen. In seltenen Fällen kann auch eine Operation helfen, den Hörsinn wieder herzustellen. Ärzte setzen dann eine Innenohrprothese (Cochlea-Implantat, CI) ein, die den Hörnerv stimuliert.
Was ist das richtige Hörgerät?
Hörgeräte bestehen aus kleinen Mikrofonen und Verstärkern, die den Schall aus der Umgebung empfangen und ins Ohr weiterleiten. Es gibt im wesentlichen zwei Modelle:
- In-Ohr-Geräte (IdO-Geräte) sind sehr klein und werden individuell an den Gehörgang angepasst werden. In-Ohr-Geräte sind von außen kaum sichtbar. In-Ohr-Geräte wurden wegen begrenzter Wirksamkeit vor allem bei leichter Schwerhörigkeit verordnet. Moderne Geräte sind aber inzwischen so leistungsstark, dass sie selbst Fälle von schwerer Hörminderung ausgleichen können. Allerdings sind diese Geräte in der Regel bis zu 10.000 Euro teuer.
- Hinter-dem-Ohr-Geräte (HdO-Geräte) besitzen eine stärkere Leistung und werden hinter die Ohrmuschel geklemmt. Sie sind für besonders schwere Fälle von Altersschwerhörigkeit geeignet und darüber hinaus oft auch deutlich günstiger als In-Ohr-Geräte.
Hörgeräte mit Tinnitus-Noiser produzieren ein unauffälliges Hintergrundrauschen, das von Schwerhörigen mit Tinnitus als angenehm empfunden wird und die störenden Ohrgeräusche ausgleicht.
Warum muss ich mit Hörgerät hören lernen?
Das Hören mit Hörgeräten muss erlernt werden und erfordert Geduld. Bis die Geräte individuell so angepasst sind, dass gutes Hören möglich ist, kann es einige Wochen bis Monate dauern. Das liegt vor allem daran, dass sich das Gehirn einerseits erst einmal an die veränderten Nervenreize gewöhnen muss. Zudem muss es sich daran anpassen, die Hörreize überhaupt wieder zu verarbeiten.
In seltenen Fällen kann auch eine Operation helfen, den Hörsinn wieder herzustellen. Ärzte setzen dann eine elektrische Innenohrprothese (Cochlea-Implantat, CI), die den Hörnerv stimuliert.
Wann muss man ein Hörgerät tragen?
Grundsätzlich gilt: Je früher die Entscheidung für ein Hörgerät fällt, desto besser stehen die Chancen, körperliche, psychische und soziale Folgen einer Hörminderung rechtzeitig abzumildern. Vor allem im höheren Alter steigt das Risiko, durch das verminderte Hörvermögen Schäden zu erleiden, stark an. So ist etwa bekannt, dass ältere Menschen, die schlecht hören, wegen einer begleitenden Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinnes im Mittelohr auch stärker sturzgefährdet sind. Auch im Straßenverkehr stellt ein eingeschränkter Hörsinn eine zusätzliche Gefahrenquelle dar, etwa wenn Warnsignale nicht wahrgenommen werden.
Kann man besser hören trainieren?
Ist die natürliche Funktion der Haarzellen im Innenohr geschädigt, lässt sich durch Training keine Verbesserung der Hörfunktion erzielen. Allerdings hilft es, das Zuhören zu üben, anstatt sich nicht mehr aktiv an Gesprächen zu beteiligen oder bewusst „wegzuhören”, weil die Hörschwäche unangenehm ist.
Ältere Menschen, deren Hörvermögen eingeschränkt ist, können auch durch psychologische Hilfestellung profitieren. Es bieten sich etwa Verhaltenstherapie und Entspannungsübungen an. Man lernt dabei beispielsweise, mit der neuen Situation (Hörgerät) entspannter umzugehen oder in Gefahrensituationen (Straßenverkehr) besonders aufmerksam zu sein. Verhaltenstherapie trägt auch dazu bei, mit Folgen der Schwerhörigkeit wie Schamgefühlen, Unsicherheit, Depression oder Frustration besser zurechtzukommen.
Prognose
Die Altersschwerhörigkeit ist nicht reversibel und schreitet gewöhnlich im Laufe der Zeit voran. Es ist deshalb wichtig, schon bei den ersten Anzeichen von Hörverlust einen HNO-Arzt aufzusuchen. Durch eine rechtzeitige beidseitige Versorgung mit Hörgeräten lässt sich das Hörvermögen wieder herstellen, bevor Folgeschäden des Hörverlustes auftreten.
Kann sich Schwerhörigkeit verbessern?
Sind die Haarzellen im Innenohr einmal geschädigt, ist eine Regeneration leider nicht möglich. Die Schwerhörigkeit bleibt also bestehen. Durch das Tragen eines Hörgerätes lassen sich die Folgen der Schwerhörigkeit nach einer kurzen Eingewöhnungszeit gewöhnlich sehr gut ausgleichen, sodass eine normale Teilnahme am sozialen Leben wieder möglich ist.
Kann man Altersschwerhörigkeit vorbeugen?
Der Verminderung des Hörvermögens mit zunehmendem Alter liegt keine Erkrankung zugrunde. Vielmehr sind natürliche Abnützungsprozesse im Innenohr dafür verantwortlich. Eine gezielte Vorbeugung ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Mit einigen einfachen Maßnahmen lassen sich jedoch die wichtigsten Risikofaktoren reduzieren. Dazu zählt vor allem, dauerhafte intensive Lärmbelastung zu vermeiden. Musiker und Menschen, die beruflich starkem Lärm ausgesetzt sind, schützen sich am besten durch das Tragen eines geeigneten Hörschutzes.
Ein gesunder Lebensstil kann ebenfalls dazu beitragen, das Hörvermögen möglichst lange zu erhalten: Sowohl Rauchen als auch übermäßiger Alkoholkonsum schädigen Nervenzellen und feine Blutgefäße, die das Innenohr versorgen. Der Verzicht auf Zigaretten und ein moderater Alkoholkonsum sind deshalb sinnvoll, um Altersschwerhörigkeit vorzubeugen.
Hilfreich sind auch eine möglichst naturbelassene, vitamin- und mineralstoffreiche Ernährungsweise sowie ausreichend Bewegung. Im Ratgeber Ernährung bei erhöhtem Cholesterinspiegel finden Sie eine Vielzahl von Anregungen für eine gefäßgesunde Ernährung, die Sie vor zahlreichen Risikofaktoren schützt und ganz nebenbei auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des Hörvermögens leistet.
Autor: Charly Kahle (Medizin-Redakteur), fachliche Prüfung: Yvonne Jurkoweit (Ärztin)
Stand: 04.11.2022
Cheslock M, De Jesus O: Presbyacusis.