Herstellung und Qualität von Sportbekleidung
Die Fertigung komplexerer Elemente benötigt Zeit und Sorgfalt - das triift auch auf Sportbekleidung zu. Kunden bezweifeln die aktuellen Herstellungsprozesse.
Alles nur teurer und schlechter?
Auf dem Schrankboden stehen zwei Paar eines Laufschuhes, der mir im letzten Sommer nach den Angaben des höchst renommierten Herstellers die Verbindung von Stabilität und Schnelligkeit versprach. Wer sich im Laufschuhbau einigermaßen auskennt, weiß: Eigentlich ist dieses Versprechen eine Quadratur des Kreises. Doch angenehm zu Tragen war der Schuh allemal – zumindest anfänglich. Schade war nur, dass sich die Außensohle beider Paare nach nur 80 vergleichsweise lockeren Trainingskilometern auf Asphalt derart stark abgenutzt hatte, dass sie vor allem im Vor- und Rückfußfußbereich im Bereich der natürlichen Abrollbewegung völlig heruntergelaufen war. Da mag man sich nicht ausmalen, ob man überhaupt noch irgendwelchen Halt genießt, sobald es in rasantem Tempo erst einmal über wirklich nasses bzw. rutschiges Terrain geht, für das der Schuh wohlgemerkt ebenfalls als nachhaltig geeignet angepriesen wurde.
Sie merken, sofern Sie nicht ohnehin schon selbst vergleichbare Fälle hatten: Fragen über Fragen zu vermeintlich doch so ausgereiften Produkten.
Ein anderes Schuhpaar, es ist ebenfalls dem gehobenen Laufschuhsegment zuzuordnen, ruft mir ganz aktuell einen wenig vertrauenserweckenden „Wackeleffekt“ ins Gedächtnis: Der rechte Schuh (obwohl nagelneu und noch nicht getragen) hat keinen stabilen Stand, sobald ich ihn auf eine gerade Unterlage stellte. Natürlich - moderne Laufschuhe sind sehr komplex, sie bestehen insbesondere im Bereich der Zwischensohle aus weit mehr Elementen, als dies früher der Fall war. Entsprechend schwieriger sind sie zu fertigen. Aber kann ich für gutes Geld nicht erwarten, dass diese komplexen Elemente trotzdem einigermaßen akkurat verklebt sind? Denn offenbar sind sie es nicht, sonst stünde der Schuh stabil.
„Eigentlich müsste man dies erwarten können“, sage ich mir. Natürlich hätte man noch Verständnis dafür, dass es Qualitätsunterschiede je nach dem gibt, ob eine Produktionsserie gerade erst begonnen hat oder bereits ihrem Ende entgegen sieht – das sogenannte „An-“ und „Abfahren“ einer Produktion. Doch reicht dieses Erklärungsmuster gewiss nicht weit genug. Die eigentlichen Gründe für das Missverhältnis liegen auf der Hand: Der immense Zeit- und Kostendruck für das zudem noch häufig schlecht qualifizierte Fertigungspersonal in Billiglohnländern beschwören gegenüber den eigentlichen Anforderungen an den Bau heutiger Sportschuhe einen Spagat herauf, der schlichtweg nicht funktionieren kann.
Die leidige Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen: Vom berüchtigten „Pilling-Effekt“ bei der 150 Euro teuren und angeblich „pilling“-freien Winterlaufjacke oder deren etwas luftigerem Pendant, dessen orangene Farbe selbst nach zehnmaligem Waschen immer noch ausblutet, bis hin zur dreiviertellangen Tighthose, die zwar als Komfortmodell angepriesen, aber in Wahrheit derart schlecht vernäht ist, dass sie nur mit Glück einen einzigen 10.000-Meter-Wettkampf überstehen wird. Dabei ist sie sage und schreibe sogar schon das dritte aus eben diesem Grund umgetauschte Exemplar ihrer Art in meinem Besitz. Die übrigen Vergleichsmodelle zeichneten sich jedoch noch auffälliger durch auf breiter Front unterbrochene und/oder mehr schlecht als recht nachgebesserte Nähte aus, die mir nicht einmal ein Änderungsschneider reparieren konnte. Denn diese bei Sporttextilien gängige, sogenannte „Coverlock“-Naht erfordert spezielle Nähmaschinen, über die eigentlich nur die Hersteller selbst verfügen.
Wobei: Schlechte Naht, hin oder her - eigentlich kann ich mich sogar noch glücklich schätzen. Denn es ist heute, vor allem bei Trikotagen, mitunter sogar zu finden, dass Schnittstellen gar nicht mehr vernäht, sondern nur noch verklebt werden – ein Zugeständnis ganz eigener Art an die Haltbarkeit.
Das nächste Beispiel für mangelnde Sorgfalt sowie die ärgerlichen Folgen: An einer optisch blendend aussehenden und in der Tat höchst wirkungsvoll gegen Kälte und Nässe schützenden Sportjacke – ebenfalls aus dem Sortiment eines der „Global Player“ auf dem Sportartikelmarkt – wunderte mich zu Beginn eine lange, quasi „frei schwebende Naht“. Will heißen: Ein an seinen Enden in die übrige Vernähung zurück mündender Faden, der sich parallel zur eigentlichen Vernähung vom Bereich des oberen Rumpfes hinab bis zum Bund zog. Teils sogar auf abenteuerliche Weise unter anderen Nähten hindurch - offensichtlich das Überbleibsel einer so genannten Korrekturnaht. Zum Glück blieb ich bei keinem Waldlauf mit diesem „Überbleibsel“ an einem Ast hängen – es hätte wohl höchst fatale Folgen für die restliche Vernähung der Jacke gehabt. Achso, das vergaß ich fast: „Natürlich“ trug die Jacke im Inneren einen kleinen Aufkleber, der besagte: „QC passed“ (Qualitätskontrolle bestanden). Nur wer hatte da bitteschön kontrolliert – und vor allem nach welchen Maßstäben?
Noch ungewöhnlicher mutete der Fall an, als ich darüber rätselte, warum mir von einer Winter-Trainingshose eines von zwei Exemplaren gleicher Größe und Ausführung bestens passte, das andere jedoch partout nicht. Die Lösung: Das Innenfutter war einmal gänzlich falsch herum eingenäht worden.
Fakt ist: Nicht nur meine Liste der Fehlkäufe an Sportutensilien wird trotz der Bereitschaft, für gute Ware auch tiefer in die Tasche zu greifen, seit einigen Jahren zusehends länger. Ich stelle, vor allem hinsichtlich der Verarbeitung, Qualitätsmängel fest, die heute an der Tagesordnung sind, früher jedoch trotz ebenfalls aufmerksamen Auges höchstens in Ausnahmefällen zu registrieren waren.
Deshalb drängt sich die Frage auf: Gibt es das Problem einer zusehends schlechteren Produktqualität von Sportartikeln nur speziell im Bereich „meiner“ Sportart, also des Laufens, oder spiegelt sich darin ein gesamtheitlicher Trend wider?
Die (vermeintliche) Ignoranz vieler Hersteller
Es geht hier weder um die selbst erklärten Billigmarken, die minderwertige Ware zum Spottpreis auf den Markt werfen, noch andererseits um die Hersteller aus dem Exklusivsegment. Es geht schlichtweg um eine Reihe der für „Otto Normalbürger“ gängigen Produzenten, auf die vor noch nicht allzu langer Zeit noch nahezu „blinder“ Verlass war. Und – um es klar zu sagen: Auch hierbei sollen in dieser Betrachtung keineswegs sämtliche Hersteller pauschal über einen Kamm der Kritik geschoren werden.
Auf gezielte Nachfragen bei bestimmten Herstellern zu aufgetretenen Problemen, wie den oben geschriebenen, bekam ich statt konstruktiver Auseinandersetzungen mit offenkundigen Fakten des Mangels im Grunde nur Ausflüchte zu hören: Man wisse von nichts, solche Probleme seien absolut unbekannt. Unerklärliche Einzelfälle eben, vielleicht sei ja auch mein Anspruchsdenken zu hoch. Fazit: Man bekennt sich nicht zu augenfälligen Defiziten.
Gewiss – zumindest jene Hersteller, die ihren eigentlichen Sitz im Ausland haben, unterhalten in Deutschland lediglich Niederlassungen, die sich mit Vertriebsfragen, nicht aber mit Belangen der Qualitätssicherung beschäftigen. Aber dennoch: Geradezu skurril erscheinen solche Aussagen wie die oben erwähnten spätestens dann, wenn einige Monate später bei der Entwicklung eines Nachfolgemodells just in jenen problematischen Bereichen, von denen vorher angeblich niemand etwas wissen wollte, ganz gezielt nachgebessert wird.
Ohnehin nur noch selten gibt es heute das wirklich offene Ohr für den zwar Umsatz einbringenden Kunden, der aber zugleich in puncto „Service“ möglichst keinen Aufwand (will heißen: Kosten) verursachen soll. Versuchen Sie beispielsweise nur einmal, beim Hersteller eines Laufschuhes, für den sie einmal eine stattliche Summe auf den Tisch gelegt haben, originale Einlegesohlen nachzubestellen, sobald das ursprüngliche Paar abgenutzt, der Schuh als solcher aber noch keineswegs reif zum Ausrangieren ist. Sie werden in den meisten Fällen keinen Erfolg haben, sondern stattdessen – wenn überhaupt - auf Kompromissprodukte verwiesen werden.
Oder starten Sie zum Test beim Hersteller Ihres Vertrauens eine telefonische Anfrage für nur eine kurze, spezielle Information zu einem Produkt, die Ihnen Ihr Fachhändler nicht geben konnte – dann kann man Ihnen nur wünschen, dass Sie bei einem jener wenigen Hersteller landen, denen Ihre Anfrage im heutigen Massenkonsumgeschäft nicht einfach nur noch lästig ist und man sie dies nicht auch deutlich spüren lässt. Vielleicht haben Sie sogar das Glück, dass man Sie Ihr Anliegen vollständig vortragen lässt.
Guter Service kostet eben Geld! Und dieses wollen die Hersteller an Ihnen verdienen, doch die meisten wollen nur so wenig wie möglich in den Service zurück investieren. Mit dem Etikett „Kundenservice“ schmückt man sich zwar noch immer ausgesprochen gerne, doch mehr als den viel zitierten Schmalspuransprüchen genügt dies oft nicht mehr.
Autor: Juraj Gubi
Stand: 18.11.2014